Ichthyŏl

[731] Ichthyŏl (Fischöl), von Unna 1883 eingeführtes Arzneimittel, das aus dem Produkt der trocknen Destillation eines bituminösen asphaltartigen Gesteins gewonnen wird, welches sich bei Seefeld in Tirol in mächtigen Lagern findet. Das Ichthyolrohöl enthält sehr geringe Mengen stickstoffhaltiger Basen und etwa 0,8 Proz. organische Säuren (keine Phenole), man weiß aber so gut wie nichts über die chemische Natur auch nur der wesentlichsten seiner Bestandteile. Man hat drei Arten von schwefelhaltigen Körpern aus dem I. isoliert, die sich chemisch und physikalisch gut voneinander unterscheiden, aber doch keine einheitlichen Verbindungen darstellen. Neben Paraffinkohlenwasserstoffen enthält I. wahrscheinlich auch ungesättigte der Äthylen- und wohl auch der Acetylenreihe, welche Rolle aber der in dem Öl enthaltene Schwefel (10,72 Proz.) spielt, ist völlig unbekannt. Aus diesem Rohöl stellt die Ichthyolgesellschaft Cordes, Hermanni u. Komp. in Hamburg mehrere Präparate dar, die als wertvolle Arzneimittel allgemein benutzt werden. Mischt man das Rohöl mit konzentrierter Schwefelsäure, so entsteht unter reichlicher Entwickelung von schwefliger Säure Ichthyolsulfosäure, die nach Entfernung nicht gebundener Kohlenwasserstoffe und nach Verdünnung mit Wasser durch Hinzufügen von Kochsalz unlöslich abgeschieden wird. Sie bildet nach der Reinigung eine etwa 30 Proz. Wasser enthaltende zähe, grünlichschwarze Paste, die in Wasser leicht löslich, in Salzlösungen unlöslich ist. Ihr Geruch ist durch beigemengtes flüchtiges Öl bedingt, doch läßt sich dieses nicht ohne tiefgreifende Zersetzung der Säure entfernen. Durch Sättigung der Sulfosäure mit Basen werden von der genannten Gesellschaft die in der Medizin angewendeten Salze hergestellt, von denen das Ammoniaksalz am wichtigsten ist und daher auch kurzweg I. genannt wird. Es bildet eine rotbraune, klare, sirupdicke Flüssigkeit von brenzlig bituminösem Geruch und Geschmack, löst sich in Wasser und in einer Mischung gleicher Teile Wasser, Alkohol und Äther und entwickelt mit Kalilauge Ammoniak. Man benutzt I. äußerlich und innerlich bei Hautkrankheiten, namentlich Erysipel, als Einspritzung bei Tripper, bei Gebärmutterhalskatarrh und andern Frauenkrankheiten, bei Erfrierungen und Verbrennungen, Gelenkentzündungen etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 731.
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