Jucken

[325] Jucken, eine eigentümliche Empfindung auf der äußern Haut, auch auf gewissen Partien der Schleimhaut, die zum Kratzen, Reiben und Schaben reizt. Man unterscheidet das J. (Pruritus), das sich bei mannigfachen Hautkrankheiten, Reiz durch Ungeziefer, Gelbsucht, zum Teil auch ohne nachweisbare Ursachen einstellt, von einem selbständig ohne unmittelbare Störungen auftretenden Hautleiden, dem Prurigo (Juckblattern, Juckausschlag). Bei dem letztern finden sich auf der Haut flache, stecknadelknopf- bis hirsekorngroße, heftig juckende Knötchen, die sehr bald durch den infolge des Kratzens entstehenden Hautausschlag verdeckt werden. Das Leiden befällt vor allem die Streckseiten der Beine, auch der Arme; Kopf und Rumpf bleiben meistens frei. Der Juckreiz pflegt sehr heftig zu sein, besonders nachts, so daß die Kranken durch den Mangel an Ruhe körperlich und geistig herunterkommen. Die Prurigo tritt fast ausnahmslos in der Kindheit auf, schwerere Fälle sind sehr hartnäckig, die Mehrzahl ist leichterer Natur und völliger Heilung (durch Naphtholsalbe u. a.) zugänglich. Im Gegensatz zu diesen Juckblattern ist das J. häufiger eine zwar sehr lästige, aber doch mehr nebensächliche[325] Begleiterscheinung zahlreicher andrer krankhafter Vorgänge. J. ist in hohem Grade vorhanden bei vielen parasitären Erkrankungen der Haut, z. B. bei Krätze, bei Anwesenheit von Kleiderläusen, der Erntemilbe (Leptus autumnalis), bei Nesselsucht, die manchmal (im Sommer) durch Raupenhaare verursacht ist, ferner ist bei Gelbsucht durch den Reiz der in der Haut abgelagerten Gallenbestandteile oft qualvolles J. vorhanden; die äußern Geschlechtsteile sind bei Zuckerharnruhr oft infolge des rasch in Zersetzung übergehenden zuckerhaltigen Harns Sitz starken Juckreizes, auch bei andern Krankheiten (z. B. Nierenleiden, Verdauungsstörungen) oder ohne jede erkennbare Ursache kann J. vorhanden sein. Diese letztern ohne sichtbare Hautveränderungen einhergehenden Fälle von J. stellen den eigentlichen Pruritus dar, der meist bei völlig normal aussehender, später freilich oft mit Kratzspuren bedeckter Haut vorkommt. Es ist entweder ein allgemeines, über den ganzen Körper verbreitetes oder ein örtliches Übel. Besonders häufig leiden Greise an Pruritus. Das qualvolle J. kann in Anfällen auftreten oder mehr dauernd vorhanden sein und durch Schlaflosigkeit und Erschöpfung gefährlich werden. Das Leiden ist oft langwierig, die Heilung schwierig. Salben, warme Bäder, Kleienbäder, Waschungen mit Karbol- oder Mentholspiritus haben sich am besten bewährt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 325-326.
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