Kanzōne

[583] Kanzōne (ital. Canzone, »Lied«), eine lyrische Dichtform, die sich schon bei den Provenzalen und Nordfranzosen findet und von den Italienern besonders ausgebildet wurde. Sie dient stets nur zum Ausdruck der edelsten Gedanken und Gefühle und besteht aus einer Reihe gleichgeformter Strophen (bei den ältern Italienern meist 5–10), denen oft ein kürzeres »Geleit« folgt. Eine Strophe hat in der Regel 7–20 Verse, Endecasillabi, Settenari und selten Quinari. Meist hat jede Strophe neue Reime. Die Strophe zerfällt in zwei, seit Petrarca durch einen Reim verbundene ungleiche Teile. Der erste ist entweder ungegliedert (fronte), oder, weit häufiger, in zwei gleiche Teile gegliedert (piedi). Der zweite ist ungegliedert (sirima, coda) oder in zwei gleiche Teile gegliedert (volte, versi). Die Strophe hat piedi und volte, piedi und sirima oder fronte und volte. Fronte und sirima verwirft schon Dante. Das Geleit (congedo etc.) schließt sich im Bau genau an den zweiten Teil der Strophe an, nur braucht es nicht so lang zu sein. Ende des 17. Jahrh. führte Guidi die K. mit freien Strophen ein. Leopardi schrieb die berühmtesten dieser Art. In Deutschland dichteten Kanzonen außer den Romantikern (Schlegel etc.) Platen, Rückert, Zedlitz (»Totenkränze«), BechsteinLuther«), K. Förster, Dingelstedt, M. Waldau u. a. - In der Musik bezeichnete man mit K. im 15.–16. Jahrh. vorzugsweise weltliche mehrstimmige Gesänge von volksmäßiger Faktur. Die Canzonette napoletane, siciliane und die ebenfalls zu den Kanzonen gehörigen Villoten und Villanellen etc. entsprechen den deutschen »Liedern« (Frische teutsche Liedlein, Gassenhäwerlin, Reuterliedlein etc.). Die bereits bei Johann de Muris (14. Jahrh.) vorkommende Bezeichnung Cantilena für mehrstimmige Sätze schlichter Faktur dürfte wohl die ältere Form des Namens sein. Kunstvoller als die italienischen waren die französischen Kanzonen (Chansons, Canzoni francesi) gearbeitet, die bereits gegen Ende des 17. Jahrh. durch die beiden Gabrieli auch auf die Orgel und ein Ensemble von Instrumenten übertragen wurden (Canzoni da sonar, auch kurzweg Sonate genannt). Vgl. Sonate.[583]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 583-584.
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