Kimmtiefe

[906] Kimmtiefe (Depression des Horizonts), der Winkel, den die von dem Auge eines Beobachters nach dem natürlichen sichtbaren Meereshorizont gezogene Linie mit der horizontalen Ebene einschließt (vgl. Horizont). Dieser Winkel ist von besonderer Wichtigkeit, da alle Ortsbestimmungen auf See aus Höhenmessungen der Gestirne über dem natürlichen Meereshorizont (die Kimm) abgeleitet werden, bei denen deshalb immer die K. in Rechnung gezogen werden muß. Der Betrag ist zunächst abhängig von der Erhebung des Beobachters über die Erdoberfläche (die Augeshöhe h) und kann aus der Formel: Kimmtiefe = 106,7''√h gefunden werden. Aus dieser Formel ergibt sich (h in Metern):

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Es hat sich nun aber gezeigt, daß ganz beträchtliche Veränderungen der K. eintreten als Folge bestimmter Temperaturverhältnisse. Nach Koß ändert sich die K. wesentlich mit dem Unterschied zwischen der Luft- und der Wassertemperatur, ohne daß der Luftdruck, Feuchtigkeit oder Bewölkung merklich darauf einwirkten, und zwar wird die Kimm gehoben, wenn die Lufttemperatur höher ist als die Wassertemperatur, und umgekehrt gesenkt. Im Mittel bewirkt ein Temperaturunterschied von 1° eine Hebung von 21''. Diese Werte gelten aber nur, wenn ein Wind von mindestens der Stärke 2–3 herrscht und die Luft gut durchmischt. Bei schwachem Winde kann sich warme Luft in der Höhe ansammeln und über der darunterliegenden kältern Schicht sich erhalten; in solchen Fällen hat Koß Hebungen der Kimm bis über 9' beobachtet. In engem Zusammenhang mit der K. steht die Entfernung

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des natürlichen Horizonts vom Beobachtungsort oder die Frage, wie weit man von einem Turm oder Berge von gewisser Höhe bei ebenem Terrain sehen kann. Diese Entfernung (d) ist nämlich gleich dem Bogenstück auf der Erdoberfläche, welches der K. entspricht, und kann aus der Formel d = 3,295√h km berechnet werden, in der h die Erhebung des Beobachters über die Erdoberfläche in Metern bedeutet. Hiernach ergeben sich die in nebenstehender Tabelle angegebenen Werte. Vgl. Koß, Kimmtiefenbeobachtungen zu Verudella (Pola 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 906.
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