Kurvenmesser

[872] Kurvenmesser (Kurvimeter, Kurveometer, Longimeter, Kartometer, Opisometer, Rektifizierrädchen), in der Kartometrie gebräuchliche Instrumente zur mechanischen Rektifikation von Kurven. Einige werden freihändig so an den Kurven hergeführt, daß die Projektion des Laufrades stets eine Tangente zum betreffenden Kurvenstück bildet, andre werden parallel zu sich selbst bewegt. Den[872] ersten K. konstruierte R. Wittmann in Wien 1875.

Fig. 1. Wittmans Kurvenmesser.
Fig. 1. Wittmans Kurvenmesser.

Das Rädchen a (Fig. 1) wird längs der zu messenden Kurve hingeführt und dreht dabei ein Zeigerwerk, so daß die beiden Zeiger auf dem Zifferblatt sofort die Länge des durchlaufenen Weges angeben. Ähnlich sind die K. von Schlagintweit, Jacob, Sandoz etc. eingerichtet. Ein einfaches und billiges Instrument ist der K. von Lasailly Paris (Fig. 2). Ein Zahnrädchen a trägt konzentrisch ein Muttergewinde für die Schraube bc; die Spitze d der Gabel liegt mit dem tiefsten Punkt a des Rädchens in gleicher Höhe. Man stellt das Rädchen an das Ende b der Schraube, so daß d und a zusammen liegen, und umfährt hierauf die zu messende Strecke mit dem Rädchen. Die Länge derselben ergibt sich, wenn das Rädchen auf den Nullpunkt eines Maßstabes aufgesetzt und in umgekehrtem Sinn auf diesem in die erste Lage abgerollt wird.

Das 1868 von Platzbecker in Düsseldorf angefertigte Rektifizierrädchen besitzt unten am gabelförmigen Teil ein Laufrädchen und dicht dabei ein Kegelrädchen, durch dessen Bewegung rechtwinklig eine 75 mm lange vertikal stehende Schraube um ihre Achse gedreht wird. Auf dieser Schraube läuft ein Schlitten, auf jeder der beiden Seiten zwei Zeiger tragend, an vier verschiedenen Einteilungen vorbei, welche die durchfahrene Länge des Weges in den gebräuchlichsten Maßstäben ablesen lassen. Ein diesem ähnlicher K. hat in Österreich weite Verbreitung gefunden (Bezugsquelle das Generaldepot des k. und k. militärgeographischen Instituts).

Fig. 2. Kurvenmesser von Lasailly.
Fig. 2. Kurvenmesser von Lasailly.

Ähnlich ist das Instrument von Emilio Kraus in Mailand (1887). Der auf der Achse des Laufrades aufsitzende Trieb greift in ein Vermittelungsrad ein, das auf jeder Seite eine Feder und einen Sperrkegel trägt, deren jeder in ein Schaltrad eingreift. Das Zählwerk kann dadurch nur in derselben Richtung fortschreiten, gleichgültig, in welcher Richtung das Rädchen geführt wird. Auf einem oder mehreren Zifferblättern wird abgelesen. Abweichend von dieser Gruppe ist der Kurvimeter von G. Coradi in Zürich konstruiert. Der Träger des Mechanismus ist ein Kreissegment von Messing a (Fig. 3) von 74 mm Durchmesser. Die Achsen der beiden Meßrollen b und b1 liegen mit dem Führungspunkt c in einer geraden Linie, und die Randpunkte dieser Rollen, mit denen das Instrumentchen auf dem Plan aufliegt, haben genau gleiche Entfernung von c. Der Umfang jeder Rolle beträgt 40 mm, ist in 20 Teile geteilt und zweimal von 0–9 beziffert, so daß die Ablesungen beider Rollen summiert ganze Millimeter angeben. Beide Rollen sind in gleicher Richtung beziffert, so daß, wenn man das Instrument um c dreht, ohne es vorwärts zu bewegen, die Summe beider Ablesungen = 0 wird. Bewegt man es in gerader Linie fort, so gibt jede der Rollen die Hälfte des von c durchlaufenen Weges an. Befährt man eine Kurve, indem man die Achsen der Rollen senkrecht zum jeweiligen Kurvenelement hält (eine Abweichung von der Senkrechten um 8° gibt eine Differenz von 1/100), so wird die Summe der beiden Ablesungen den von c durchlaufenen Weg angeben. Versuche an geraden Linien lieferten eine Genauigkeit von ca. 1/2000. Durch den K. von A. Ott in Kempten haben die Meßrädchen eine wesentliche Verbesserung erfahren. Die Meßrolle r läuft nicht auf der zu messenden Kurve (vgl. die nach Hammer entworfene schematische Fig. 4), sondern rollt auf der Unterfläche einer Glasplatte g, die den obern Deckel des metallenen Rahmens a bildet.

Fig. 3. Kurvimeter von Coradi.
Fig. 3. Kurvimeter von Coradi.

Statt Fahrstift ist ein mit eingerissenem Kreuz versehenes Hornplättchen e vorhanden, das so geführt wird, daß die mit einem Punkt markierte Kreuzlinie stets eine Tangente zur Kurve bildet. Der Führungsstift f trägt oben die Achse der Rolle, deren Rand durch einen mit Gewicht p beschwerten Hebel gegen die Glasplatte gedrückt wird. Um die Drehungen des Stiftes bei raschen Veränderungen der Kurve ausführen zu können, wird der Knopf des federnden Hebels h niedergedrückt. Durch die Gelenke b und c hat der Stift f möglichst freie Bewegung. Die Registrierung der Rollenumdrehungen ist die vom Polarplanimeter her bekannte.

Fig. 4. Kurvenmesser von Ott.
Fig. 4. Kurvenmesser von Ott.

Durch diese Einrichtung können die schärfsten Krümmungen durchfahren werden, denen man mit dem Meßrädchen nicht mehr folgen kann. Hammer hat den unregelmäßigen mittlern Fehler bei der[873] Messung gerader Strecken proportional der Quadratwurzel aus der Länge der Strecke gefunden. Der Wunsch, von der Kurventangente, die auch bei dem Ottschen K. noch beachtet werden muß, unabhängig zu werden, führte 1888 zur Erfindung des Kurvenmessers von Fleischhauer (Fig. 5). Eine ringförmige Platte a legt sich mit drei kurzen Füßen b auf die Papierfläche auf und dient als Stütze den Fahrrädern c. Die gabelförmigen Halter d derselben sind in Achsen leicht drehbar, so daß sich die Räder durch ihr eignes Gewicht auf die Papierfläche auslegen. Im Zentrum befindet sich der Fahrstift e, der mittels der Führungsarme f über die Kurve so fortbewegt wird, daß sich die Führungsarme annähernd parallel verschieben.

Fig. 5. Kurvenmesser von Fleischhauer.
Fig. 5. Kurvenmesser von Fleischhauer.

Die Fahrräder tragen neben dem Spurkranz eine weiche Gummibandage, in welche die Sperrklingen g sofort eingreifen, wenn die Räder sich nach innen drehen wollen. Hierdurch wird erreicht, daß nur die Bewegung nach außen frei ist. Diese kann am Rande des Rades in Teilen an einem Zeiger abgelesen werden. Die ganzen Umdrehungen werden durch ein am Radhalter befestigtes Zahnrädchen h registriert. Man erhält 0,01 Radumdrehung direkt, 0,001 durch Schätzung. Je nach Größe des Apparates sind 3,5 oder 7 Laufräder vorhanden. Die absolute Länge L ergibt sich aus dem Produkt des arithmetischen Mittels m der Ablesungen und der Konstante k des jeweiligen Instruments: L=m.k. Die Konstante bestimmt man durch genaue Umfahrung eines Kreises von bekanntem Radius. Dieses Instrument ergibt eine große Genauigkeit.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 872-874.
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872 | 873 | 874
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