Schlagintweit

[825] Schlagintweit, fünf Brüder aus München, die sich durch Reisen und wissenschaftliche Forschungen einen Namen erworben haben, Söhne des um die Augenheilkunde verdienten Wirklichen Rates Joseph S. (geb. 8. Dez. 1792 in Regen, gest. 11. Aug. 1854 in München). Die drei ältesten, Hermann, Adolf und Robert, wurden 1859 vom König von Bayern in den erblichen Adelstand erhoben. Hermann von S., geb. 13. Mai 1826 in München, gest. daselbst 19. Jan. 1882, Adolf von S., geb. 9. Jan. 1829 daselbst, gest. 27. Aug. 1857 in Kaschgar, machten sich seit 1816 um die Erforschung der Alpenwelt verdient. Vgl. ihre »Untersuchungen über die physikalische Geographie der Alpen« (Leipz. 1850) und »Neue Untersuchungen« (das. 1854, mit Atlas). 1851 habilitierte sich Hermann in Berlin für Meteorologie und Physik, 1853 Adolf in München für Geologie. Durch Vermittelung Alex. v. Humboldts erhielten die drei Brüder 1853 vom König von Preußen und von der Britisch-Ostindischen Kompanie den Auftrag zu einer wissenschaftlichen Reise nach Indien und ins Himalajagebirge. Über Ägypten gelangten sie 1854 nach Bombay, von dort auf verschiedenen Wegen durch das Dekhan nach Madras. 1855 begaben sich Adolf und Robert in die Nordwestprovinzen, erforschten die Hochpässe über den mittlern Himalaja und erreichten am Ibi Gamin mit 6788 m die größte bis dahin von einem wissenschaftlichen Reisenden erstiegene Höhe. Den Winter verbrachten sie mit der Erforschung von Zentral- und Südindien und vereinigten sich dann im April 1856 in Simla mit Hermann, der inzwischen Sikkim und Assam durchzogen hatte. Während Hermann und Robert unter Verkleidung den Karakorum und als die ersten Europäer den Kwenlun überstiegen, zog Adolf in das westliche Tibet. Im November 1856 trafen die Brüder wieder in Rawalpindi am Indus zusammen, trennten sich jedoch abermals. Robert durchzog das Indusland und schiffte sich im Frühjahr 1857 nach Europa ein. Hermann besuchte Nepal, trat dann von Kalkutta über Ceylon die Rückreise an, vereinigte sich in Ägypten mit Robert und landete im Juni 1857 in Triest. Adolf erforschte noch die Grenzgebirge gegen Afghanistan, überstieg dann den Karakorum und Kwenlun, wurde aber bei Jarkand festgehalten, nach Kaschgar gebracht und hier enthauptet. Auf der Stätte seiner Hinrichtung ließ die Kaiserlich russische geographische Gesellschaft 1888 ein Denkmal errichten. Hermann und Robert ließen sich zunächst in Berlin nieder, kauften später Schloß Jägersburg bei Forchheim und stellten hier ihre 14,777 Nummern enthaltenden ethnographisch-naturhistorischen Sammlungen auf, von wo nach ihrem Tode die ethnographischen Stücke (1400 Nummern) in das Völkermuseum zu Berlin und nach München, die übrigen Teile in andre öffentliche Anstalten übergeführt wurden. Die großen Verdienste, die sich die Gebrüder S. um die Erforschung Indiens und Hochasiens erworben haben, wurden durch Verleihung zahlreicher Auszeichnungen anerkannt. Hermann erhielt wegen der Übersteigung des Kwenlun 1864 den Beinamen Sakünlünski. Die Ergebnisse der indischen Reise der drei Brüder wurden niedergelegt in dem Werke »Results of a scientific mission to India and High Asia« (Leipz. 1860–66, 4 Bde., mit Atlas), auf Grund dessen Hermann veröffentlichte: »Reisen in Indien und Hochasien« (Jena 1869 bis 1880, 4 Bde.). Robert von S., geb. 27. Okt. 1833 in München, gest. 6. Juni 1885 in Gießen, seit 1863 Professor in Gießen, bereiste zweimal (1869 und 1880) Nordamerika bis Kalifornien und veröffentlichte: »Die Pacific Eisenbahn« (Köln 1870), »Kalifornien« (das. 1871), »Die Mormonen« (das. 1874, 2. Ausg. 1877), »Santa Fé- und Südpacificbahn« (das. 1884), »Die pazifischen Eisenbahnen in Nordamerika« (Ergänzungsheft zu »Petermanns Mitteilungen«, 1886) u.a. – Ein vierter Bruder, Eduard, geb. 23. März 1831, gest. 10. Juli 1866 im Gefecht bei Kissingen als Hauptmann im b. tyrischen Generalstab, nahm 1860 teil an der Expedition der Spanier nach Marokko und veröffentlichte: »Der spanischmarokkanische Krieg 1859–1860« (Leipz. 1863). – Ein fünfter Bruder, Emil, geb. 7. Juli 1835, gest. 20. Okt. 1904 als Bezirksamtmann und Regierungsrat in Zweibrücken, auch Mitglied der bayrischen Akademie der Wissenschaften, widmete sich neben der Rechtswissenschaft dem Studium der indischen Sprachen, insbes. dem Tibetischen, und schrieb: »Buddhism in Tibet« (Lond. 1863; franz. Ausg., Lyon 1881); »Die Könige von Tibet« (Münch. 1865); »Die Gottesurteile der Inder« (das. 1866); »Indien in Wort und Bild« (Leipz. 1880–81; 2. Aufl. 1890, 2 Bde.); »Die Berechnung der Lehre«, aus dem Tibetischen des Sureçamatibhadra (Münch. 1896), u.a. Vgl. Emils Artikel »Schlagintweit« in der »Allgemeinen Deutschen Biographie«, Bd. 31 (Leipz. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 825.
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