[161] Lanfrey (spr. langfrä), Pierre, franz. Politiker und Geschichtschreiber, geb. 26. Okt. 1828 zu Chambéry in Savoyen, gest. 16. Nov. 1877 in Pau, Sohn eines frühern Napoleonischen Offiziers, widmete sich historischen und philosophischen Studien und veröffentlichte 1855 sein erstes Werk: »L'Eglise et les philosophes du XVIIIe siècle« (1855, 3. Aufl. 1879), 1858 einen »Essai sur la Révolution française«, welche Schriften eindringende Sachkenntnis und scharfe, aber unparteiische Kritik bekundeten. Während er am »Temps«, an der »Revue nationale« und andern Zeitschriften ein geschätzter Mitarbeiter war, schrieb er 1860 einen sozialen Roman in Briefform: »Les lettres Everard«, darauf »Etudes et portraits politiques« (1863, 3. Aufl. 1874); ferner erschienen von ihm: »Histoire politique des papes« (1860) und »Le rétablissement de la Pologne« (1863). Seinen literarischen Ruhm begründete er aber durch die »Histoire de Napoléon I« (186775, 5 Bde., die bis 1811 reichen; Bd. 1 in 8. Aufl. 1875; deutsch von C. v. Glümer, Bd. 15, Berl. 186976; Bd. 6, beendet von v. Kalckstein, Mind. 1885); unter Benutzung umfangreichen Materials, namentlich der eben vollendeten Publikation der Korrespondenz des Kaisers, zerstörte er mit rücksichtsloser Kritik die Napoleonische [161] Legende, stellte aber Napoleon allzu ungünstig dar, indem er nicht einmal seinem bewundernswerten Feldherrn- und Verwaltungsgenie gerecht wurde. Durch die Wahlen vom 8. Febr. 1871 gelangte er in die Nationalversammlung, in der er zu den gemäßigten Republikanern zählte. 18711873 war er Gesandter Frankreichs in der Schweiz und machte sich hier bald sehr beliebt. 1875 wurde er zum Senator auf Lebenszeit erwählt. Seine »Œuvres complètes« erschienen 1879 ff. in 12 Bänden, seine »Correspondance« 1885 in 2 Bänden.