Mérimée

[634] Mérimée, Prosper, ausgezeichneter franz. Dichter und Schriftsteller, geb. 28. Sept. 1803 in Paris, gest. 23. Sept. 1870 in Cannes, Sohn eines nicht unbedeutenden Malers und einer gewandten Malerin, die ihn ungetauft heranwachsen ließen, betrat die Advokatenlaufbahn, widmete sich aber mehr der politischen Journalistik, der Poesie und dem Studium der bildenden Künste. Er wurde 1831 Kabinettssekretär des Ministers Grafen d'Argout und Inspektor der historischen Denkmäler, dann Sekretär im Handelsministerium, 1834 Bureauchef im Ministerium des Seewesens, 1853 Senator und 1858 Präsident der Kommission für die Reorganisation der kaiserlichen Bibliothek. Seit 1844 war er Mitglied der Akademie und seit 1866 Großoffizier der Ehrenlegion. Ein langjähriger intimer Freund der Gräfin Montijo, der Mutter der Kaiserin Eugenie, war er während der Dauer des Kaiserreichs Hausfreund der Tuilerien, und der Sturz Napoleons III. soll denn auch seinen Tod beschleunigt haben. Seinen Dichterruf begründete er mit zwei das Publikum mystifizierenden Veröffentlichungen: »Théâtre de Clara Gazul, comédienne espagnole« (1825, neue Ausg. 1874), einer Sammlung von ihm selbst verfaßter Stücke, deren Hauptverdienst in der Zeichnung des wirklichen Lebens liegt, und der Gedichtsammlung »La Guzla« (1827), angeblich einer Übersetzung serbischer Gesänge von Hyacinth Maglanowitsch, in der Tat aber ebenfalls von ihm verfaßt. Dem genannten »Théâtre«, wodurch M. den Sieg der romantischen Schule beschleunigte, folgten: »La Jacquerie, scènes féodales« (1828) und später das Lustspiel »Don Quichotte, ou les deux héritiers« (1850), worin der Gegensatz eines einfachen und natürlichen Charakters zu der Sittenverderbnis unsrer großen Hauptstädte zur Anschauung gebracht wird. Von Mérimées historischen Arbeiten sind die »Histoire de don Pèdre I, roi de Castille« (1848, neue Ausg. 1865; deutsch, Leipz. 1852), die »Études sur l'histoire romaine« (1844, 2 Bde.; 3. Aufl. 1870) und »Les faux Démétrius« (1852; deutsch, Leipz. 1853) und von seinen kunsthistorischen die »Monuments historiques« (1843) hervorzuheben. Auch beschrieb er seine Reisen (»Dans le midi de la France«, 1835; »Dans l'ouest«, 1836; »En Auvergne et Limousin«, 1838; »En Corse«, 1840, etc.). Seine Novellen »Colomba« (1841, oft aufgelegt; deutsch von Laun, Hildburgh. 1872), »Mateo Falcone«, »Carmen« (1847, Quelle der Oper Bizets), »La dame de pique«, wahre Muster ihrer Gattung, von klassischer Schönheit und marmorner Kälte, erschienen in mehreren Sammlungen: »Mosaïque« (1833), »Contes et nouvelles« (1846) und »Nouvelles« (1852). Sein Roman »Chronique du règne de Charles IX« (1829, neue Ausg. 1891) wurde die Quelle der Oper »Die Hugenotten«. Aus seinem Nachlaß erschienen: »Dernières nouvelles« (1873), die »Lettres à une inconnue« (mit Einleitung hrsg. von Taine, 1.–8. Aufl. 1873), letztere (wie der »Soir« enthüllte) an die Gräfin Life Przedrzerska, Schwester der Marquise von Noailles, gerichtet, die »Lettres à une autre inconnue« (1875), seine Briefe an Panizzi (hrsg. von Fagan 1881, 2 Bde.), »Une correspondance inédite« (hrsg. von Brunetière, 1896), »Lettres inédites« (hrsg. von Chambon, 1900) und »Lettres aux Lagrené« (1904). Vgl. Tamisier. Prosper M., l'écrivain et l'homme (Mars. 1875); Tourneux, P. M., ses portraits, ses dessins, etc. (Par.[634] l879); Filon, M. et ses amis (das. 1894), und die Biographie in der Sammlung »Les grands écrivains français« (das. 1898); Chambon, Notes sur Prosper M. (das. 1903). Sämtliche Werke Mérimées verzeichnet Spoelberch de Lovenjoul in »Bibliographie et littérature« (Par. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 634-635.
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