Morchella

[135] Morchella Dill. (Morchel), Pilzgattung aus der Abteilung der Askomyzeten, charakterisiert durch große, gestielte, hutförmige Fruchtkörper mit hohlem Stiel und häutigem oder wachsartig fleischigem, eirundem oder kegelförmigem Hut, der auf der Spitze des Stiels befestigt ist und daher glockenförmig herabhängt oder auch mit seinen Rändern an den Stiel angewachsen ist, und dessen buchtig faltige oder netzig zellige äußere Oberfläche das Hymenium trägt; letzteres besteht aus den Sporenschläuchen mit je acht Sporen. Die ansehnlichen, zart fleischigen Formen von M. wachsen meist im Frühjahr auf der Erde, besonders in Gebirgswäldern, und sind zum Teil nahrhafte, wohlschmeckende Pilze, die leicht kenntlich sind und allgemein für die Küche gesammelt werden. Man benutzt sie als Gemüse, Zusatz zu Suppen, Frikassees, Saucen und Ragouts. An der Luft und der Sonne oder in der Ofenwärme getrocknet, sind sie sehr haltbar. M. esculenta Pers. (gemeine Morchel, Hutmorchel, Speisemorchel, s. Tafel »Pilze I«, Fig. 2), mit 2,5–4 cm hohem, 9–12 mm breitem Stiel und 2,5–8 cm hoher, 2,5–5 cm breiter, rundlicher, eiförmig hohler, gelblicher Mütze, die der ganzen Länge nach an den Stiel angewachsen, mit vielen netzförmig verbundenen und gefalteten, gelbbraunen oder gelbgrauen Rippen besetzt ist; ist weit über Europa, Asien und Nordamerika verbreitet und die häufigste Art. Eine zweite Art, mit verlängert kegelförmiger Mütze mit schmalen, länglichen Feldern, wird als Spitzmorchel (M. conica Pers.) bezeichnet. M. patula Pers. (Glockenmorchel), mit glockenförmig über den Stiel herabhängendem, bis über die Mitte freiem, auswendig ebenfalls netzförmig geripptem, braunem oder gelbbraunem Hut, in Gebirgsgegenden, ist der vorigen an Güte gleich. Die Faltenmorchel oder Lorchel mit blasig aufgetriebenem Hut und meist zelligem Stiel bildet eine eigne Gattung, Helvella (s. d.). Diese Morchel enthält im frischen Zustand einen giftigen Bestandteil, der die Blutkörperchen auflöst und schwere diffuse Nierenentzündung und Ikterus erzeugt. Zuerst entstehen Verdauungsbeschwerden und Blutharnen, schließlich aber versagen die Nieren ihren Dienst, es tritt Harnverhaltung und der Tod ein. Der giftige Bestandteil findet sich nur in frischen Lorcheln, von denen 1,5–1,75 Proz. des Körpergewichts bei einem Hunde tödlich wirken. Bei etwa vierwöchiger Trocknung verflüchtigt sich das Gift, während nach 10–20tägiger Trocknung immer noch schädliche Wirkungen zu beobachten sind. Durch kaltes Waschen wird die Schädlichkeit der Lorcheln auf etwa 1/4-1/6 reduziert. Dagegen nimmt heißes Waschwasser einen großen Teil des Giftes auf, und die Abkochung der Lorcheln wirkt sehr viel heftiger als der frische Pilz, während der gehörig ausgekochte Pilz ein vollkommen unschädliches und schmackhaftes Genußmittel bildet. Um der aus einer Verwechselung von echten Morcheln mit den ähnlichen Lorcheln entspringenden Gefahr einer Vergiftung zu begegnen, müssen deshalb diese Pilze bei der Zubereitung gut gewaschen und mit reinem Wasser wiederholt ausgekocht und dann abgespült werden. Die Abkochung ist fortzugießen. Überdies ist zu beachten, daß die Morcheln, wie auch andre eßbare Pilze, wenn sie in Fäulnis übergegangen sind, sehr gefährliche Giftstoffe enthalten. Vgl. Wendisch, Trüffeln und Morcheln (Neudamm 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 135.
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