Mundĭum

[255] Mundĭum (latinisiert aus althochd. munt, niederd. und nordd. mund, »Hand«, im Neuhochdeutschen in Verbindungen und Ableitungen wie Vormund, Mündel etc. erhalten; Mundschaft, Mundrecht), im germanischen Recht eine Schutzgewalt, deren hauptsächlichste Bedeutung im Familienrecht liegt. Das M. über Unmündige und weibliche Personen stand ursprünglich der Sippe in ihrer Gesamtheit zu, die erforderlichenfalls eines ihrer Mitglieder als Verwalter bestellte. Aus der Sitte, den nächsten männlichen Verwandten als Verwalter der Mundschaft zu bestellen, entwickelte sich später der Rechtssatz, daß der nächste männliche Verwandte kraft Geburtsrechts zum Vormund berufen sei, während die ehemalige Gesamtvormundschaft der Sippe zur Obervormundschaft einschrumpfte. Inhaber des Mundiums konnten nur großjährige Männer sein; das M. stand dem Vater über seine ehelichen Kinder zu. Das M. des Vaters endete mit der Schutzbedürftigkeit des Kindes. Dies war der Fall, wenn der mündige Sohn seinen Unterhalt allein erwarb und sich deshalb vom Vater unabhängig stellte, ferner bei Eintritt in eine Gefolgschaft und Annahme an Kindes Statt, die den Übergang des Mundiums auf den Gefolgsherrn, bez. Adoptivvater bewirkte; das M. über die Tochter endete mit der Verheiratung, die ursprünglich als käuflicher Erwerb des Mundiums (daher Mundkauf, Mundgeld, vgl. Frauenkauf) seitens des Bräutigams aufgefaßt wurde; während sonach die verheiratete Frau in das M. des Mannes trat, blieb die unverheiratete Tochter lebenslänglich im M. des Vaters, bez. nach dessen Tode des nächsten männlichen Verwandten. – Als M. wird auch die Schutzgewalt des Königs, ferner das Verhältnis des Grundherrn zum Hörigen bezeichnet (s. Vogtei).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 255.
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