Nacheile

[357] Nacheile (Sequela judicialis), Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers, wozu nach altgermanischem Strafverfahren die Gemeinde auf ein bestimmtes Geschrei (Gerüffte) verbunden war, während man später annahm, daß alle Gerichtseingesessenen verpflichtet seien, auf Aufforderung des Gerichts zur Verfolgung eines mutmaßlichen Verbrechers mitzuwirken (Gerichtsfolge). Jetzt pflegt die Gendarmerie für die N. benutzt zu werden; wo aber die Erreichung des Zweckes auf diesem Wege nicht zu erwarten steht, tritt die Requisition auswärtiger Behörden und die steckbriefliche Verfolgung (s. Steckbrief) ein. Über die Grenzen des Staatsgebiets hinaus und ins Ausland hinein ist die N. nicht gestattet, wofern nicht besondere Staatsverträge darüber abgeschlossen sind. Für das Deutsche Reich (Gerichtsverfassungsgesetz, § 168) besteht jedoch die Vorschrift, daß die Sicherheitsbeamten des einen Bundesstaats ermächtigt sind, die Verfolgung eines Flüchtigen im Wege der N. auf das Gebiet eines andern Bundesstaats fortzusetzen und den Flüchtigen daselbst festzunehmen. Der Festgenommene ist aber unverzüglich an die nächste Gerichts- oder Polizeibehörde des Bundesstaats, in dem er ergriffen wurde, abzuführen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, § 859, Absatz 2, ist die N. oder das Wiederbemächtigungsrecht dem Besitzer einer beweglichen Sache nur dann gestattet, wenn sie ihm mittels verboten er Eigenmacht weggenommen wurde und er den Täter entweder auf frischer Tat ertappt oder sofort seine Verfolgung aufgenommen hat. Hierbei darf er sich all der Mittel bedienen, die notwendig sind, um ihn wieder in den Besitz seiner Sache zu setzen. Im Völkerrecht besteht ein Recht der N. (droit de suite) in doppelter Beziehung. Einmal als Recht, ein neutrales Schiff, das aus einem für blockiert erklärten Hafen ausläuft, zu verfolgen und es abzufangen, so lange es sich auf offenem Meere befindet oder noch keinen Hafen oder die Hoheitsgewässer eines neutralen Staates erreicht hat. Sodann als Recht jedes Staates, ein Schiff, das oder dessen Besatzung sich in seinem Staatsgebiet eine strafbare Handlung hat zuschulden kommen lassen, zur Durchführung seiner Gerichtshoheit bis in die Hoheitsgewässer eines andern Staates zu verfolgen. – Über N. im Handelsrecht vgl. Droit de suite.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 357.
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