[455] Naturforscherversammlungen, jährliche Versammlungen der Naturforscher eines Landes oder weiterer Gebiete. Oken forderte in seiner Zeitschrift »Isis« 1821 auf, die deutschen Naturforscher und Ärzte möchten sich alljährlich zum Zweck persönlicher Annäherung, geselligen und wissenschaftlichen Verkehrs und Austausches einmal versammeln, nachdem Graf Sternberg schon 1815 solche Kongresse der Botaniker vorgeschlagen und ein Kapital dafür gestiftet hatte. Am 18. Sept. 1822 fand in Leipzig die Eröffnung der ersten Versammlung statt. Graf Sternberg war es auch, der A. v. Humboldt und den Minister v. Alten stein für diese durch Okens politisches Auftreten einigermaßen diskreditierten Versammlungen gewann und sowohl die erste großdeutsche Naturforscherversammlung in Berlin (1826) als in Wien (1832) zustande brachte. Damit waren die politischen Vorurteile überwunden, und seitdem hat mit wenigen durch Seuchen oder Kriege veranlaßten Ausnahmen alljährlich eine solche Versammlung stattgefunden, und diese Einrichtung ist auch von andern Kulturvölkern adoptiert sowie von andern Fachkreisen nachgeahmt worden. Die Vereinigung deutscher Naturforscher und Ärzte bestand früher nur in ihren Jahresversammlungen; sie besaß bis 1891 keine Bibliothek, keinen bleibenden Vorstand oder festen Wohnsitz; seit 1. Jan. 1892 hat sie den Charakter einer festen, in Leipzig domizilierten [455] Gesellschaft mit eignem Vermögen und den Rechten einer juristischen Person angenommen. Ihre Mitgliedschaft steht jedem wissenschaftlich tätigen, unbescholtenen Manne gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes von 10 Mk. und eines Jahresbeitrags von 5 Mk. offen, und ihre Jahresversammlung, in der nur die anwesenden Mitglieder, nicht die Gäste, stimmfähig sind, beginnt regelmäßig am dritten Montag im September. Der Vorstand, bestehend aus dem Vorsitzenden und sieben Mitgliedern, denen die Herausgabe eines Archivs der Gesellschaft obliegt, wird auf ein Jahr gewählt, während Schatzmeister und Generalsekretär für je drei Jahre ernannt werden. Der Ort der Versammlung und die Geschäftsführer derselben werden jedesmal für das folgende Jahr im voraus erwählt. Es finden öffentliche Sitzungen und Sitzungen der Abteilungen statt, deren Zahl gegenwärtig bereits auf 30 gestiegen ist, die sich auf zwei Hauptgruppen, die naturwissenschaftliche und die medizinische, verteilen. Seit der Freiburger Versammlung 1883 erscheint in den Sitzungstagen ein Tageblatt, das die Vorträge und Verhandlungen im wortgetreuen Abdruck oder im Auszuge bringt. Das Vermögen der Gesellschaft ergänzt sich aus den Beiträgen der Mitglieder (1902 etwa 2600), den Überschüssen der Versammlungen und freiwilligen Stiftungen. Es betrug 1902: 145,000 Mk. und aus der Trenkle-Stiftung 105,983 Mk. In neuerer Zeit haben sich die Vertreter der meisten naturwissenschaftlichen und medizinischen Sondergebiete außerdem noch zur Abhaltung besonderer Jahresversammlungen vereinigt.