Ordnungsruf

[105] Ordnungsruf, in öffentlichen Versammlungen und in den Sitzungen parlamentarischer und sonstiger Körperschaften ein Disziplinarstrafmittel des Vorsitzenden. Dabei besteht regelmäßig die Einrichtung, daß dem in der nämlichen Rede wiederholt zur Ordnung Gerufenen das Wort entzogen werden kann. Nach der Geschäftsordnung des deutschen Reichstags (§ 46, 60) z. B. ist der Präsident befugt, ein Mitglied des Reichstags, das die Ordnung verletzt, mit Nennung des Namens zur Ordnung zu rufen. Das betreffende Mitglied ist berechtigt, dagegen schriftlich Einspruch zu tun, worauf der Reichstag, jedoch erst in der nächstfolgenden Sitzung, darüber entscheidet, ob der O. gerechtfertigt war. Wird ein Redner in der nämlichen Rede von dem Präsidenten zweimal ohne Erfolg zur Ordnung gerufen, so kann der Reichstag auf Anfrage des Präsidenten ohne Debatte beschließen, daß ihm das Wort entzogen werden soll. Doch muß der betreffende Abgeordnete zuvor von dem Präsidenten auf diese geschäftsordnungsmäßige Folge aufmerksam gemacht worden sein. Letzteres pflegt bei dem zweiten O. zu geschehen. Im österreichischen Reichsrate kann zwar der Präsident nach wiederholtem Rufe »zur Sache« dem Redner das Wort entziehen, der O. hat jedoch eine derartige Konsequenz nicht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 105.
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