[145] Orthogeněsis (griech., »geradlinige [bestimmt gerichtete] Entwickelung«), die allmählich verstärkte Ausprägung bestimmter Merkmale, die dadurch hervorgerufen wird, daß die aufeinander folgenden Generationen einer Tier- oder Pflanzenart stets in gleicher Richtung abändern, indem z. B. jede Generation ein etwas stärkeres (event. auch schwächeres) Haarkleid, einen etwas dickern Hautpanzer, etwas längere Gliedmaßen od. dgl. besitzt als die vorige. Diese Abänderungen, die von einer zur andern Generation unmerklich gering sein können, verstärken sich auf diese Weise so, daß sie schließlich ihren Besitzern im Kampf ums Dasein nützlich oder schädlich werden und so der natürlichen Auslese unterliegen (s. Darwinismus); sie können gleichzeitig eine Anzahl verschiedener Merkmale betreffen. Die Annahme einer solchen O., die manche dem Darwinismus entgegenstehende Schwierigkeiten beseitigt, hat neuerdings zahlreiche Anhänger unter den Biologen gefunden. Die Ursachen der O. sehen einige in Kräften, die dem Organismus selbst eigen sind (Autogenese), andre in beständig fortwirkenden äußern Reizen (Ektogenese), während noch andre einen vermittelnden Standpunkt einnehmen. Einen Versuch, die O. durch die zwischen den kleinsten Teilen der Keimzellen stattfindende Auslese (Germinalselektion) zu erklären, machte Weismann. Vgl. Naegeli, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre (Münch. 1883); Eimer, Die Entstehung der Arten (1. Teil, Jena 1888; 2. Teil, Leipz. 1897); Haacke, Gestaltung und Vererbung (Leipz. 1893); Weismann, Über Germinalselektion (Jena 1896); Jaekel, Über verschiedene Wege phylogenetischer Entwickelung (das. 1902).