[245] Oswald von Wolkenstein, deutscher Liederdichter aus einem Tiroler Adelsgeschlecht, geb. um 1377, gest. 2. Aug. 1445, führte ein vielbewegtes, unstetes und abenteuerliches Leben. Schon mit zehn Jahren lief er in die Well hinaus; ganz Europa hat er durchzogen und den Orient bis Persien und Arabien. Seit 1400 weilte er meist in der Heimat, wo er in Kämpfen mit dem Landesherrn und in einer Privatfehde mit seiner frühern Geliebten Sabina Jäger und deren Angehörigen wechselvolle Schicksale erfuhr und zeitweilig in harter Gefangenschaft schmachtete. Dazwischen führten ihn auch gelegentliche Kriegsfahrten, besonders im Dienste Kaiser Siegmunds, zu dem er in näherm Verhältnis stand, wiederum ins Ausland. Seine Lieder nehmen vielfach auf diese mannigfachen Erlebnisse Bezug und haben überhaupt den engern Anschluß an die Wirklichkeit vor der althöfischen Reflexionspoesie voraus, während sie von deren edlem Kunststil weit entfernt sind und bei aller Virtuosität in den metrischen Formen oft eine sonderbare Mischung von Ungeschlachtheit und Verstiegenheit zeigen, die für die Kunstdichtung des 15. Jahrh. charakteristisch ist. O. von Wolkensteins Gedichte wurden zuerst von B. Weber (Innsbr. 1847) herausgegeben. Eine große Ausgabe, die auch die Melodien in ein- und mehrstimmiger Bearbeitung enthält, wurde von Schatz und Koller in den »Denkmälern der Tonkunst in Österreich« (Wien 1902) veranstaltet, danach eine kleinere Textausgabe von Schatz (Götting. 1904). Übersetzungen verfaßten Schrott (Stuttg. 1886) und L. Passarge (in Reclams Universal-Bibliothek). Vgl. B. Weber, O. v. W. und Friedrich mit der leeren Tasche (Innsbr. 1850); Zingerle, O. v. W. (Wien 1870); Ladendorf in den »Neuen Jahrbüchern für klassisches Altertum« (Leipz. 1901).