Polygōn [1]

[123] Polygōn (griech., Vieleck), die ebene geschlossene Figur, die man erhält, wenn man in der Ebene eine Reihe von Punkten A, B, C etc., M, N (die Ecken des Polygons) annimmt und jeden dieser Punkte mit dem nächstfolgenden und den letzten mit dem ersten durch je eine gerade Linie (die Seiten des Polygons) verbindet, also A mit B, B mit C etc., M mit N und N mit A. Jedes P. hat genau so viel Seiten wie Ecken, und nach der Zahl der Ecken unterscheidet man Drei-, Vier-, Fünfecke etc. und allgemein n-Ecke.

Vierecke.
Vierecke.

Wir beschränken uns hier auf Polygone, bei denen zwei Seiten, die nicht in einer Ecke zusammenstoßen, überhaupt keinen Punkt gemein haben, wie bei dem Viereck A B L M in Fig. 1, und schließen daher Polygone, wie das (überschlagene) Viereck A B L M in Fig. 2, bei dem die Seiten B L und M A den Punkt R gemein haben, der keine Ecke ist, von der Betrachtung aus. Die von den Seiten eingeschlossenen Winkel heißen innere Vielecks-[123] oder Polygonwinkel. Die Summe aller dieser Winkel beträgt im n-Eck 2 (n-2) Rechte. Jede Gerade, die zwei nicht nebeneinander liegende, d. h. nicht derselben Seite des Polygons angehörige Ecken verbindet, heißt eine Diagonale des Polygons; ist n die Zahl der Ecken, so kann man von jeder Ecke aus n-3 Diagonalen ziehen, die das n-Eck in n-2 Dreiecke zerlegen. Überhaupt aber lassen sich im n-Eck 1/2n(n-3) Diagonalen ziehen, in dem Viereck Fig. 1 also zwei, nämlich A L und B M. Die Summe der Seiten eines Polygons nennt man dessen Umfang (veraltet: Perimeter). Regelmäßig (regulär) heißt ein P. mit lauter gleichen Seiten und gleichen Winkeln, seine Ecken liegen auf einem (dem umgeschriebenen) Kreise und seine Seiten werden von einem (dem eingeschriebenen) Kreise berührt. Die Konstruktion eines regulären Polygons mit n-Seiten ist gleichbedeutend mit der Aufgabe, den Umfang eines Kreises in n gleiche Teile zu teilen (vgl. Kreisteilung). Um in einen gegebenen Kreis ein regelmäßiges Viereck (Quadrat) einzuschreiben, zieht man zwei auseinander senkrechte Durchmesser A C und B D (Fig. 3) und verbindet deren Endpunkte. Das regelmäßige Achteck ergibt sich, wenn man den zu einer Seite AB gehörigen Zentriwinkel A O B halbiert; schneidet die Halbierungslinie den Kreis in E, so sind A E u. E B Seiten des Achtecks.

Vielecke.
Vielecke.

Genau ebenso findet man immer aus der Seite eines einem Kreis eingeschriebenen regelmäßigen Polygons die Seite des regelmäßigen Polygons von doppelter Seitenzahl. Die Seite des regelmäßigen Sechsecks ist gleich dem Halbmesser des umschriebenen Kreises (Fig. 4); die erste, dritte und fünfte Ecke dieses Sechsecks bestimmen ein regelmäßiges (gleichseitiges) Dreieck. Um ein regelmäßiges Fünfeck in einen Kreis einzuzeichnen, ziehe man (Fig. 5) die auseinander senkrechten Durchmesser A C und B D, halbiere den Halbmesser O A in E und schlage um E mit E B als Halbmesser einen Kreisbogen, der O C in F trifft, dann ist B F die Seite des Fünfecks und O F die des regelmäßigen Zehnecks. Für andre reguläre Vielecke kann man sich der folgenden Näherungskonstruktion bedienen: Zu dem Durchmesser A C (Fig. 6) ziehe man den darauf senkrechten Halbmesser O B, teile sodann A C in so viele gleiche Teile, als das P. Seiten haben soll, z. B. 7 (indem man auf der beliebigen Geraden A M 7 gleiche Stücke von A bis P aufträgt und durch die so bestimmten Punkte Parallelen zu P C zieht), und bezeichne den dritten Teilpunkt von A aus mit D; man verlängere O A über A und O B über B hinaus um je einen Teil und verbinde die so erhaltenen Punkte E und F durch eine Gerade, deren A am nächsten gelegener Schnittpunkt mit dem Kreise G sei, dann ist D G die Seite des verlangten Polygons. – Statt der geraden Linien, die die Ecken des Polygons verbinden, kann man auch Kurvenbogen nehmen und erhält so Kurvenpolygone. Endlich kann man sich auch durch Punkte, die nicht in einer Ebene liegen, ein P. bestimmt denken, ein solches nennt man räumliches oder windschiefes P. Ein sphärisches P. ist ein solches, dessen Seiten von größten Kreisen auf einer Kugelfläche gebildet werden. Vgl. Brückner, Vielecke und Vielflache, Theorie und Geschichte (Leipz. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 123-124.
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