Konsumtion

[436] Konsumtion (lat., Konsum, »Verbrauch, Güterverzehrung«), im allgemeinen jede Wertvernichtung oder Wertminderung. Viele Wertminderungen haben keinen wirtschaftlichen Nutzen im Gefolge, wie Zerstörungen durch Menschenhand (Krieg, Frevel, Unvorsichtigkeit) oder durch schädliche Einflüsse der Natur (Oxydation, Trockenheit, Brand, Überschwemmung, Pilze, Insekten etc.), die oft auch bei der Wertminderung oder Vernichtung von Gütern (z. B. beim Bewohnen von Häusern) von größerer Wirksamkeit sind als die Verwendung für menschliche Zwecke selbst. In der Regel spricht man aber von K. nur, wenn es sich um Gebrauch und Verbrauch von Gütern zu wirtschaftlichen Zwecken handelt, sei es, daß mittels der zu verbrauchenden Güter neue größere Werte hergestellt (Umwandlung von Roh- und Hilfsstoffen in Fabrikate, Abnutzung von Maschinen zu produktiven Zwecken), sei es, daß die Güter unmittelbar zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verwendet werden sollen. Im erstern Falle spricht man wohl auch von Produktiv-, im letztern von Genußverbrauch oder K. im engern Sinn. Als Meinungskonsumtion bezeichnet man eine Wertminderung der Güter infolge von Änderung der menschlichen Bedürfnisse (Veraltung von Druckschriften, aus der Mode gekommene Gegenstände, Kalender nach Ablauf eines Jahres etc.). Die K. ist im Laufe der Jahrhunderte stark gestiegen und mannigfaltiger geworden; sie ist heute, im Gegensatz zu früher, nicht mehr durch Luxusverbote, Kleiderordnungen etc. gesetzlich beschränkt, aber sie ist doch nicht rein willkürlich, lediglich von individueller Laune abhängig. Die Einnahmen des größten Teils der Gesellschaft sind verhältnismäßig gering. Ein sehr großer Prozentsatz davon (bei untern Klassen 90,95 Proz. und mehr) dient dazu, den ersten Anforderungen des Lebens zu genügen (Nahrung, Wohnung, Kleidung), und zwar ist man an die billigsten Güter gebunden, die meist Produkte regelmäßiger stetiger Massenerzeugung, also Gegenstände der Massenkonsumtion, sind. Auf höher entwickelten Wirtschaftsstufen macht sich übrigens auch im Gebiete der Massenproduktion und der landwirtschaftlichen Erzeugung größere Mannigfaltigkeit geltend. So bleibt denn für die Individualität noch ein Spielraum in der Zusammenstellung der für den Lebensbedarf erforderlichen Güter wie auch in deren hauswirtschaftlicher Verwendung. Zu der genannten Ursache gleichmäßiger K. tritt noch der Einfluß von Sitte und Herkommen, die Macht der Gewohnheit und der Mode hinzu, die auch bei größern Einnahmen zu Konsumtionen zwingen, die ohne gesellschaftlichen Druck unterblieben wären. Wirtschaftlich ist die K., wenn sie zu sittlich nachhaltiger Befriedigung führt und eine echt wirtschaftliche Kräftigung ermöglicht. Grundbedingung einer gedeihlichen K. ist freie Wahl (Verbote reizen!) bei tüchtiger intellektueller und moralischer Bildung, welche die so schwierige richtige Anpassung an die wirtschaftliche Lage und eine dieser wie dem Bedürfnis am besten entsprechende verständige Auswahl der Artikel je nach dem Grad ihrer Entbehrlichkeit sowie endlich eine angemessene quantitative und zeitliche Ordnung ermöglicht. Eine das Bedürfnis übersteigende K. nennt man Luxus (s. d.), die unwirtschaftliche K. Verschwendung. Diese ist absolut vorhanden, wenn der zu erreichende Zweck an und für sich verfehlt ist (geistige, körperliche Schädigung; unsinnige, raffinierte Genüsse), oder wenn er aus Mangel an wirtschaftlichem Verfahren nicht ganz erzielt wird. Relativ verschwenderisch ist derjenige Verbrauch, der nicht im angemessenen Verhältnis zur Aufwandsfähigkeit steht, sei es, daß er diese ohne Not mindert, wichtige Zwecke andern hintansetzt oder eine falsche zeitliche Ordnung in der Verzehrung vornimmt, sowie derjenige, bei dem der Zweck in andrer Weise billiger, besser und vollkommener hätte erreicht werden können. Hiernach kann eine K. an einem Ort, zu einer Zeit und für eine Person Verschwendung sein, während sie es unter andern Umständen nicht ist. – Die wissenschaftliche Behandlung der K. hat in jüngster Zeit ihr Augenmerk darauf gerichtet, durch zuverlässige Erhebung die Größe und Richtung der K., d. h. der Ausgaben für die einzelnen Gruppen derselben, festzustellen und ist dabei zu wertvollen Resultaten, namentlich bezüglich des Konsumtionsbudgets der Haushaltungen, der Zu- und Abnahme gewisser Konsumtionsarten in den verschiedenen Klassen der Bevölkerung gelangt. Dabei hat sich eine, wenn auch langsame Zunahme des Verbrauchs wichtiger Nahrungsmittel (Fleisch, Zucker, Baumwolle, Petroleum etc.) ergeben. Vgl. Gruber, Die Haushaltung der arbeitenden Klassen (Jena 1887); Lexis und Bauer, Art. »Konsumtion« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 5 (2. Aufl., das. 1900); Lehr und Frankenstein, Produktion und K. in der Volkswirtschaft (Leipz. 1895); Apelt, Die K. der wichtigsten Kulturländer (Berl. 1899). – In der Medizin bezeichnet K. soviel wie Abmagerung, Abzehrung, Schwindsucht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 436.
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