Rolandssäulen

[65] Rolandssäulen heißen Standbilder, die sich in vielen, namentlich mit Magdeburgischem Recht ausgestatteten Städten finden und meist einen geharnischten oder manteltragenden, aber barhäuptigen Mann mit dem Schwert in der Hand darstellen. Neben den bereits im Mittelalter mit solchen Standbildern (Rolanden) ausgestatteten Städten (Bremen, Brandenburg, Halle, Magdeburg, Nordhausen, Stendal, Zerbst) gibt es eine große Zahl, in denen irgend eine Figur erst in neuerer Zeit als »Roland« bezeichnet wird; im ganzen werden ungefähr 150 echte und unechte Rolandsorte gezählt. Seit 300 Jahren sind die verschiedensten Theorien aufgestellt worden, um Namen und Eigenart der R. zu erklären. Während die Rechtshistoriker der Ansicht zuneigten, daß sie als Symbole gewisser städtischer Privilegien errichtet worden seien, erblickten Sagenforscher (Grimm, Platen) darin Nachbildungen alter heidnischer Donarbilder. In Wirklichkeit entsprechen diese Theorien kaum den Tatsachen. In den im 10. Jahrh. gegründeten sächsischen Städten, wie Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, wurden aus Freude an monumentaler Bildnerei Königs standbilder errichtet, die nicht Sinnbilder eines Rechtes waren oder sonst eine Bedeutung hatten. Da sie sich an mehreren hervorragenden[65] Orten fanden, wurden sie vom Volke als Sinnbilder des jenen Orten eignen städtischen Charakters betrachtet und gewannen somit stadtrechtliche Bedeutung, und auch in neugegründeten Städten wurde das Standbild nachgeahmt, wie in Berlin und Hamburg. Die Entstehungsweise der Standbilder ist aus dem Gedächtnis des Volkes geschwunden, sie sind Stadtwahrzeichen geworden. Da aber seit dem 12. Jahrh. bereits alles Schöne und Herrliche in der Welt als Schöpfung Karls d. G. bezeichnet wurde, so wurde auch das Standbild mit der durch die Dichtung (Rolandslied 1131) und die für Geschichte gehaltene Legende (Pseudo-Turpin) verbreiteten Karlssage in Berührung gebracht, und zwar wohl zuerst in Bremen, wo sicher 1366 der Name »Roland« für das Standbild bezeugt ist. In dem großen Streit zwischen Städten und Territorialherren erhalten die R. staatsrechtliche Bedeutung, und im 15. Jahrh. wird aus »Roland« ein Gattungsname; seitdem hat sich Wesentliches an der Auffassung des Volkes nicht geändert. Vgl. Platen, Der Ursprung der Rolande (Dresd. 1903); Sello, Vindiciae Rulandi Bremensis (Brem. 1904, mit Abbildung der wichtigsten R.); Heldmann, Die Rolandsbilder Deutschlands in dreihundertjähriger Forschung (Halle 1904); Hoede, Die sächsischen Rolande (Zerbst 1906); Jostes, R. in Schimpf und Ernst (Dortm. 1906). Sello hat die Literatur über die R. in den »Deutschen Geschichtsblättern« (Bd. 2–4, Gotha 1901–03) kritisch behandelt und die Rolandsorte zusammengestellt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 65-66.
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