[228] Ruder (Steuerruder), Vorrichtung zum Lenken (Steuern) des Schiffes, bestehend aus einem hölzernen oder eisernen Blatt, das in vertikaler Ebene drehbar am Hinterende des Schiffes befestigt ist. Man unterscheidet am R. das Ruderblatt, unter Wasser, und den Ruderhals mit dem Ruderkopf, die, wasserdicht im Hennegatt oder im Ruderkoker durch die Schiffswand geführt, in den innern Schiffsraum hineinragen. Das R. wird meist mit Fingerlingen in Scheren oder Augbolzen aufgehängt, die am Achtersteven oder Rudersteven angebracht sind. Am Ruderkopf greift die Ruderpinne an, ein hölzerner oder eiserner einarmiger Hebel, oder das Ruderjoch, ein eiserner zweiarmiger Hebel. Während die Pinne mit dem Ruderblatt in einer Ebene liegt, steht das Ruderjoch querschiffs. Durch Drehung der Pinne oder des Joches wird das R. um einen Winkel gegen den Längsplan des Schiffes geneigt. Das Schiff wird dadurch gezwungen, von seiner bisherigen Fahrtrichtung nach der Seite zu drehen, nach der das Ruderblatt gedreht wurde. Größere Schiffe führen meist ein Balanceruder, dessen Drehachse (Ruderspindel) die Fläche des Ruderblattes ungefähr in dem Verhältnis von 1: 2 teilt, so daß ein Drittel der Fläche des Blattes vor der Drehachse liegt. Das Balanceruder bedarf weniger Kraft zum Drehen als ein ebenso großes gewöhnliches R. Ein- und Dreischraubenschiffe haben das R. meist hinter der Schraube an einem zweiten Steven, dem Rudersteven. Doppelschraubendampfer, Raddampfer, Reaktionsdampfer und Segelschiffe haben das R. stets am Hintersteven. Außer dem Heckruder kommen auf Torpedobooten und Fährdampfern (vorn und hinten gleichgebauten Doppelendern) noch Bugruder vorn unter dem Bug oder am Vorsteven vor, zur Vergrößerung der Steuerfähigkeit. Die Drehfähigkeit eines Schiffes hängt ab von der Größe des Ruderwinkels (zum Längsplan des Schiffes), von dem Wasserdruck auf das R. und vom Trägheitsmoment des Schiffes um seine senkrechte Drehachse. Als Maximalruderwinkel rechnet man mit Rücksicht auf die Festigkeit der Ruderverbände 35 bis höchstens 42°. Die günstigste Größe der Ruderfläche ist abhängig von der Größe der eingetauchten Längsschiffsfläche und von der Geschwindigkeit des Schiffes; sie beträgt 1/30 bis 1/70 der eingetauchten Schiffsfläche. Tatsächlich steuert jedes Schiff um so besser, je größer seine Ruderfläche ist; aber mit Rücksicht auf die Kraft, die zum Drehen des Ruders erforderlich ist, beschränkt man die Ruderfläche je nach dem Zwecke des Schiffes auf das zulässige Mindestmaß. Nur bei Booten und kleinen Schiffen wird das R. mit der Pinne durch Handkraft gedreht; bei Handelsschiffen mittlerer Größe findet man noch Ruderräder für Handbetrieb, die ein Steuerreep drehen, das durch Flaschenzüge mit der Pinne verbunden ist. Bei allen Kriegsschiffen bis zum Torpedoboot sowie bei allen größern Handelsdampfern wird die Arbeit zum Drehen des Ruders von Dampfmaschinen (Dampfruder oder Dampfsteuer), hydraulischen oder elektrischen Rudermaschinen geleistet. Diese Maschinen drehen Trommeln, auf denen sich das Ruderreep oder die Ruderkette auf- und abwickelt und so die Pinne dreht, oder sie wirken auf Stangenleitungen mit Schraubenspindeln und Schneckenrädern, die auf einem Zahnkranz laufen. Die Steuereinrichtungen moderner Kriegsschiffe sind sehr verschiedenartig und sehr kompliziert, man bevorzugt dabei unbedingt zwangsläufige Bewegungsmechanismen; jedes Kriegsschiff erhält an verschiedenen Stellen, auf der vordern und hintern Kommandobrücke, in den Kommandotürmen und unter dem Panzerdeck, Handsteuerräder für den Rudersmann, die durch Kammradgestänge oder Telemotoren die Rudermaschinen oder Ruderzwischenmaschinen in der gewünschten Drehrichtung in Betrieb setzen oder stoppen. Besondere Drehvorrichtungen für das R. sind: die Liedemannsche Steuereinrichtung (mit Reep), die Harfieldsche (mit Schneckenrad und Segment), die Kettenradsteuereinrichtung, die Schraubenspindelsteuerung, die Egellsche Rudermaschine. Hydraulische Ruderbremsen bremsen bei nicht zwangsläufigen Rudermaschinen die Stöße des Ruders großer Schiffe in bewegter See; das Notruder (Notsteuervorrichtung) soll das R. ersetzen, wenn es unbrauchbar geworden ist; je nach Größe und Bauart der Schiffe und nach den verfügbaren Bordmitteln bereitet man solche Notruder aus Trossen, Spieren, Rahen, Gerüsten, Flößen, Baljen, Säcken etc. Vgl. Ruderkommando. Im Binnenland bezeichnet man mit R. die »Riemen« (s. d.). In der Jägersprache versteht man unter R. die Füße der Schwimmvögel.
Brockhaus-1911: Ruder · Hydraulisches Ruder
Lueger-1904: Ruder [2] · Ruder [1]
Meyers-1905: Aus dem Ruder laufen