[478] Salomon und Markolf, mittelalterliche Sage von König Salomon und seinem Widersacher, hervorgegangen aus altjüdischen Überlieferungen von Salomon und dem Dämonenfürsten Aschmedai. Es sind zwei verschiedene Traditionen zu unterscheiden. Nach der einen mißt sich der Dämon mit Salomons Weisheit im Redestreit. Ihr entstammen schon im 9. Jahrh. die angelsächsischen Gedichte von Salomon und Saturn (vgl. A. v. Vincenti, Die altenglischen Dialoge von Salomon und Saturn, Leipz. 1904). In Deutschland, wo solche Gespräche zuerst im 10. Jahrh. von Notker erwähnt werden, und in Frankreich hat Salomons Gegner den Namen Marcolfus, Morolf, Marcoul, den man auf den jüdischen Dämonennamen Marcolis (entstanden aus Mercurius) zurückführt. Von diesen Gesprächen, in denen Markolf die weisen Sprüche seines Gegners mit Trivialitäten und Zynismen übertrumpft, wurde eine lateinische Prosa in Handschriften und Drucken weit verbreitet; aus ihr flossen in Deutschland im 14. Jahrh. ein Gedicht in mittelfränkischer Mundart (gedruckt inv. d. Hagens »Deutschen Gedichten des Mittelalters«, Bd. 1, Berl. 1808), im 15. Jahrh. eine gereimte Übertragung von dem Bayern Gregor Hayden (gedruckt in dem »Narrenbuch«, hrsg. von Bobertag in Kürschners »Deutscher National-Literatur«), verschiedene dramatische Bearbeitungen[478] und eine Prosaübersetzung, die bis ins 19. Jahrh. als Volksbuch gedruckt wurde. Auch ins Dänische und Polnische wurde der lateinische Text übersetzt; im italienischen Volksbuch »Bertoldo« (s. d.) wurde er frei ausgestaltet. Eine einseitige Wendung ins Sexuelle hat das Gespräch in dem altfranzösischen Gedicht »Salemon et Marcoul« erhalten (Ausgabe bei Crapelet »Proverbes et dictons populaires«, Par. 1831). Die zweite Tradition ist eine romanhafte Entführungsgeschichte. Zugrunde liegt der biblische Bericht von der Tochter des Pharao, die Salomon zum Abfall von Gott veranlaßte (1. Könige, Kap. 3), und eine jüdische Sage, nach welcher der Dämon Aschmedai eine Zeitlang Salomons Gestalt annahm und sich seines Thrones und seiner Frauen bemächtigte, während der König als Bettler umherirrte. Die romanhafte Ausgestaltung erfolgte in Byzanz, wo der Dämon, der Salomons Gattin raubt, den Namen Kentauros erhielt und zu Salomons Bruder gemacht wurde. Diese byzantinische Sage lebt noch jetzt in russischen Volksliedern von Salomon und Kitovras fort, während sie in Deutschland im Ausgang des 12. Jahrh. von einem Spielmann zu einem strophischen Epos verarbeitet wurde, das erzählt, wie dem König Salman seine heidnische Gemahlin Salme einmal von dem Heidenkönig Fore, ein zweites Mal von König Princian entführt, beidemal aber durch seinen listigen Bruder Morolf wiedergewonnen wird (kritisch herausgegeben mit einer Untersuchung über die Sage von F. Vogt: »Salman und Morolf«, Halle 1880); vgl. auch Tardel, Untersuchungen zur mittelhochdeutschen Spielmannspoesie (Schwer. 1894).