Dialōg

[863] Dialōg (griech.), Unterredung, Gespräch, gegenseitige mündliche Mitteilung verschiedener, auch einander widerstreitender Ansichten über einen Gegenstand; auch ein Schriftwerk oder Teil desselben in der Form einer solchen Unterredung. Der D. eignet sich vorzüglich zur Untersuchung des Wesens von Begriffen und einzelnen Gegenständen durch das Interesse, das die der dramatischen Handlung ähnliche fortschreitende Bewegung der Erörterung gewährt. Damit dies Interesse nicht gestört werde, muß der Darsteller jede Ansicht in ihrer ganzen Kraft und naturgemäß durch die Personen, die den D. führen, entwickeln und seine Ansicht als ein notwendiges Ergebnis aus dem Gespräch selbst hervorgehen lassen. Der Stil des Dialogs muß die Natürlichkeit, die Kürze und die lebhaften Wendungen eines gebildeten Gesprächs nachahmen, ohne sich, sei es in die Zerrissenheit unablässig sich durchkreuzender Fragen und Antworten, sei es in die Breite ausgedehnter Reden, zu verirren. Man unterscheidet den poetischen D. vom prosaischen. Der poetische D. wird zum dramatischen, wenn er die Darstellung einer Handlung begleitet. Zum prosaischen D. rechnet man zuvörderst die theoretische Gesprächsform, deren Gegenstand eine wissenschaftliche Erörterung ist; hierhin gehört insbes. der philosophische D. Der konversatorische D. bezweckt bloß Unterhaltung für den Augenblick und gesellige Mitteilung. Der Charakterdialog geht aus auf die Schilderung und Veranschaulichung von Personen. Den philosophischen D. bearbeiteten von den Neuern unter den Deutschen LessingErnst und Falk«), M. MendelssohnPhädon«), Engel, Herder, Klinger, Jacobi, Schelling (»Clara, oder der Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt«), Solger, FriesJulius und Evagoras«), Melchior Meyr (»Emilie. Drei Gespräche über Wahrheit, Güte und Schönheit«, »Gespräche mit einem Grobian«) u. a. Im komischen und satirischen D. ahmte Wieland den Satiriker Lukianos glücklich nach. Unter den Italienern haben sich in dieser Form Petrarca (in seinem Buch »De vera sapientia«), Machiavelli, Gelli, Algarotti und Gasp. Gozzi ausgezeichnet; bei den Franzosen Malebranche, Fénelon und Fontenelle, die den Lukianos nachahmten. Unter den Engländern folgten George Berkeley und Rich. Hurd dem Platon, James Harris dem Cicero. In der dramatischen Poesie ist der D. dem Monolog (s.d.) entgegengestellt; im Singspiel bildet er[863] den Gegensatz von Gesangstücken, also die Redepartien. Vgl. R. Hirzel, Der Dialog. Ein literarhistorischer Versuch (Leipz. 1895, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 863-864.
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