Sonntag

[611] Sonntag (Dies Solis), der Tag der Sonne (althochd. Sunnentac, altnord. Sunnudaga, engl. Sunday, niederländ. Zondag, schwed. Söndag, dän. Sondag), in der Kirche der erste Tag der Woche und als Tag des Herrn (dies dominicus oder dominica, woraus das franz. dimanche, das ital. domenica, das spanische und portug. domingo gebildet worden ist) zugleich der wöchentliche Ruhe- und Feiertag der Christen. Wiewohl sich im Neuen Testament kein bestimmtes Gebot für denselben findet (doch vgl. 1. Kor. 16,2; Offenb. 1,10; Apostelgesch. 20,7), ward er schon im nachapostolischen Zeitalter als Auferstehungstag Christi neben dem jüdischen Sabbat gefeiert, und zwar als Freudentag. Mit dem Aufgeben der Heilighaltung des Sabbats trug man viele der auf diesen bezüglichen Anschauungen auf den S. über; doch datieren Verbote nicht ganz dringender Tagesgeschäfte an Sonntagen erst aus der Zeit Konstantins d. Gr. (33 1), und Kaiser Leo III. (717–741) untersagte endlich jegliche Arbeit an diesem Tage. Die Reformatoren wollten den S., ohne Berufung auf ein göttliches Gebot, bloß der Zweckmäßigkeit wegen beobachtet wissen. Dagegen hat sich auf reformiertem Gebiet, besonders in England, Schottland und Nordamerika, die strengste Form der Sonntagsfeier erhalten, und erst in neuester Zeit machen sich Bestrebungen geltend, diese Art der Sonntagsfeier zu beseitigen. In Frankreich ist seit der großen Revolution der Unterschied zwischen Sonn- und Wochentagen tatsächlich aufgehoben worden. Auch in Italien sind alle auf Nichtbeobachtung der Feiertage gesetzten Strafen gesetzlich beseitigt. Die neuere Gesetzgebung in Deutschland ist von dem durch die Humanität gebotenen Gesichtspunkt ausgegangen, daß der Staat alle offiziellen Amtshandlungen am S. zu untersagen, bei seinen eignen Unternehmungen die Sonntagsarbeit zu vermeiden oder tunlichst einzuschränken und die Tagelöhner, Dienstboten, Fabrikarbeiter etc. gegen die Forderungen ihrer Herren vor Sonntagsarbeit zu schützen hat. Wer den gegen die Störung der Feier der Sonn- und Festtage erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis 60 Mk. oder Hast bis zu 14 Tagen bestraft (Reichsstrafgesetzbuch, § 366, Ziffer 1). Weiteres s. Sonntagsruhe.

Die jetzt noch gewöhnlichen Namen der Sonntage kommen teils von den Festen her, denen sie folgen, teils von den Anfangsworten der alten lateinischen Kirchengesänge oder Kollekten, die meistens aus den Psalmen entlehnt waren. Unsre Kalendersonntage sind: 1) ein S. nach Neujahr, der jedoch nur in solchen Jahren eintritt, in denen Neujahr auf einen der vier letzten Wochentage fällt; 2) zwei bis sechs Sonntage[611] nach Epiphania (s. d.); 3) die Sonntage Septuagesimä, Sexagesimä und Estomihi (Ps. 71,3); 4) die Fastensonntage Invokavit (Ps. 91, 15), Reminiszere (Ps. 25,6), Okuli (Ps. 25,15), Lätare (Jes. 66,10), Judika (Ps. 43,1) und der Palmsonntag (s. d.); 5) sechs Sonntage nach Ostern: Quasimodogeniti (1. Petr. 2,2), Misericordias Domini (Ps. 23,6, oder 89,2), Jubilate (Ps. 66,1), Kantate (Ps. 96,1), Rogate (Matth. 7,7) und Exaudi (Ps. 27,7); 6) die Trinitatissonntage, deren Anzahl von dem frühern oder spätern Eintritt des Osterfestes abhängt und höchstens 27 beträgt; 7) die vier Adventsonntage (s. Advent); 8) ein S. nach Weihnachten, der nur dann eintritt, wenn das Weihnachtsfest nicht auf den Sonnabend oder S. fällt. Vgl. Literatur beim Artikel »Kirchenjahr«; ferner: Zahn, Geschichte des Sonntags, vornehmlich in der alten Kirche (Hannov. 1878); Grimelund, Geschichte des Sonntags (Gütersloh 1889); Haberland, Die Feier der Sonn- und Festtage nach preußisch-deutschem Recht (Königsb. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 611-612.
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