Spinnenseide

[748] Spinnenseide, von Spinnen gelieferte Seide. Die Fäden der Kreuzspinne sind 901nal seiner als Maulbeerspinnerseide, die die Radnetze umgürtenden Fäden, die Spann- und Fangseile, besonders aber die Fäden der Eiersäckchen sind sehr viel stärker als die innern Netzfäden; immerhin sind die Fäden der Eiersäcke noch fünfmal seiner als die Fäden des Seidenkokons. Die Zucht der mit Fliegen und zerschnittenen Regenwürmern leicht zu fütternden Spinnen macht wegen ihrer Unverträglichkeit große Schwierigkeiten, und man braucht zwölfmal soviel Spinnen als Seidenraupen, um dieselbe Seidenmenge zu erzielen. Für 1/2 kg Spinnenseide sind 28,000 Eiersäcke erforderlich. So stellt sich die S. teurer als die Seide des Seidenspinners, und überdies hat sie weniger Glanz als letztere. Die Netze der großen gelben Waldspinne (Nephila [748] clavipes) auf Jamaika sind stark genug, um kleine Vögel festzuhalten; beachtenswert sind auch die Gespinste von N. plumipes in Südcarolina, Epeira socialis in Paraguay und Nephilengys malabarensis, die von China über Indien und Borneo bis zu den afrikanischen Küsten verbreitet ist. Sehr feste Fäden einer heimischen Spinne in der chinesischen Provinz Jünnan werden in dem Gewebe der sogen. Seide des Ostmeeres (Tong-hey-huan-tse) mit versponnen. Auf ostafrikanischen Inseln benutzen die Eingebornen seit alten Zeiten Spinnenfäden zu kleinen Webereien und als feste Nähseide, und von der Goldspinne (Halabe, Fulihala, Nephila madagascariensis, s. Goldspinne) auf Mauritius kann man leicht eine goldfarbene Seide gewinnen. Wenn die Spinnen ihre Eier abgelegt haben und eine viel größere Menge Spinnstoff erzeugen als gewöhnlich, kann man von einem Tier in 10 Tagen 1900 m, in 27 Tagen 4000 m Seide gewinnen. In Antananarivo hat die Gewerbeschule die planmäßige Einrichtung einer Spinnenseidenindustrie übernommen. Sollte die S. sich wider alles Erwarten nicht zur Herstellung von Geweben eignen, so würde sie bei ihrer Festigkeit und Elastizität immer noch mannigfache technische Verwendung finden. Der Faden besitzt bei Belastung eine Dehnbarkeit von über 12,5 Proz. seiner Länge bei einer Temperatur von 17°, und ein aus zwölf Spinnfäden hergestellter Zwirn ist ebenso widerstandsfähig wie ein aus sechs Seidenwurmkokonfäden hergestellter, obwohl die Durchmesser sich wie 0,065:0,315 verhalten. Dünne Seile aus Spinnenfäden würden bei geringem Gewicht große Tragkraft besitzen und z. B. ein ausgezeichnetes Material für Luftballonnetze bilden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 748-749.
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