Tennyson

[413] Tennyson (spr. ténniß'n), 1) Alfred, engl. Dichter, geb. 6. Aug. 1809 zu Somerby in Lincolnshire als vierter Sohn eines Geistlichen, gest. 6. Okt. 1892 in Aldworth, studierte in Cambridge und gab bereits 1827 anonym mit seinem Bruder Charles die »Poems by two brothers«, dann 1830 die Sammlung »Poems, chiefly lyrical« und 1833 einen zweiten Band Gedichte heraus, die aber alle wenig Beifall fanden. Erst mit den zwei Bänden »Poems« (1842), die zum Teil Überarbeitungen früherer Poesien, zum Teil Neues enthielten, hatte T. Erfolg, darunter besonders mit »Morte d'Arthur«, »Godiva« (deutsch von Feldmann, 2. Aufl., Hamb. 1872), »The May Queen«, »The gardener's daughter«, »Locksley Hall« (deutsch von Freiligrath). Schon hier ergreift T. durch die Tiefe der Gedanken, besticht er durch die Feinheit der Form. Auch erweist er sich durch die innere Auffassung wie durch die äußere Gestaltung als durchaus nationaler Dichter. Tennysons nächstes Werk: »The princess, a medley« (1847), das reizende lyrische Bestandteile hat, ist halb realistisch, halb phantastisch gehalten. 1850 gab er wohl sein bedeutendstes Gedicht, die Totenklage: »In memoriam« (deutsch von Waldmüller, 5. Aufl., Dresd. 1896; von Feis, Straßb. 1898), heraus, das, dem Andenken an einen verstorbenen Freund (Arthur Hallam, den Sohn des Historikers) gewidmet, das Seelenleben des Dichters entfaltet. Stürmischen Beifall erweckte der inzwischen (1850) zum Poet laureate ernannte Dichter mit der gewaltigen Gelegenheitsdichtung »Charge of the light brigade« (Dezember 1854) dank ihrer patriotischen Begeisterung und vollendeten Kunst. Es folgte die berühmte Liebesdichtung »Maud« (1855; deutsch von F. W. Weber, 3. Aufl., Paderb. 1900). Mit den »Idylls of the king« (1859; deutsch von Feldmann, 3. Aufl., Dresd. 1896), einem auf den sagenhaften Britenkönig Artur bezüglichen Romanzenzyklus, schuf T. sein Hauptwerk. Es fand mehrfache Ergänzungen durch die Bände: »The Holy Grail« (1869), »Gareth and Lynette« und »The last tournament« (1872), »Balin and Balan« (1885). Als Ganzes eine tiefsinnige Allegorie vom Kampf der Seele mit den Sinnen zeichnet sich diese vornehme Dichtung durch eine Fülle von Einzelschönheiten aus. Zwischen das Erscheinen der Artur-Idyllen fällt die ergreifende Schifferdichtung »Enoch Arden« (1864; deutsch von Strodtmann, s. unten, von Feldmann, Eichholz, F. W. Weber, R. Waldmüller, 40. Aufl., Dresd. 1897, u. a.). Später versuchte er sich mit wechselndem Erfolg im Drama mit »Queen Mary« (1875) und »Harold« (1876; deutsch vom Grafen Wickenburg, Hamb. 1880), »The Falcon« (1879), »The Cup« (1881), »The promise of May« (1882) und »Becket« (1884). Weitere Veröffentlichungen Tennysons sind: »The lover's tale« (1879), »Ballads, and other poems« (1880), »Tiresias« (1885), »Locksley Hall, sixty years after« (1886; deutsch von Esmarch, Gotha 1888; von Feis, Hamb. 1888) und »Demeter, and other poems« (1889), darunter das berühmte »Crossing the bar«. Tennysons poetische Begabung ist vorwiegend lyrisch; das epische Feld erkämpft er sich, wenn auch erfolgreich; im Drama versagt er. In seiner Lyrik glänzt er vor allem als vollendeter Formkünstler, erwärmt aber auch durch die Innigkeit, sei es der stimmungsvollen Landschafts- oder Seelenschilderung. Er erreicht diese Stimmungskraft in eng nationaler Beschränkung. Er ist nur Engländer, als solcher aber echt und groß. 1884 wurde er zum Peer ernannt. Die letzte Gesamtausgabe: »The works of Alfred Lord T., Poet Laureate«, erschien 1897 in 12 Bänden; »Dramatic works« zuletzt 1898 in 5 Bänden. Ausgewählte Dichtungen von T. in deutscher Übersetzung gaben Freiligrath (in den »Englischen Gedichten aus neuerer Zeit«, Stuttg. 1846), Hertzberg (Dessau 1854) und Strodtmann (Hildburgh. 1867; dann in Meyers Volksbüchern) heraus. Letztere Ausgabe enthält auch das Gedicht »Enoch Arden«. Biographische und kritische Schriften über T. veröffentlichten Van Dyke (1890 u. ö.), Napier (1892), Walters (1893), Gwynn (1899), Brooke (1900), Sneath (1900), A. Lang (1901), Waugh (1902), Lyall (1902), der Franzose Ragey (Par. u. Lyon 1899) u. a. Die grundlegende und vielfach abschließende Biographie ist: »Alfred Lord T. A memoir by his son« (1897, 2 Bde.; neue Ausg. in 1 Bd. 1905). Von deutschen Werken sind zu nennen: Köppel, Lord T. (Berl. 1899); Th. A. Fischer, Leben und Werke A. Lord Tennysons (Gotha 1898) und Tennysonstudien (Leipz. 1904); Dyboski, Tennysons Sprache und Stil (Wien 1907). Vgl. Luce, Handbook to the works of Alfred Lord T. (Lond. 1895); Rawnsley, Memories of the Tennysons (das. 1900).

2) Lord Hallam, ältester Sohn des vorigen, geb. 11. Aug. 1852, war 1899 bis Juli 1902 Gouverneur von Südaustralien und 9. Jan. 1903 bis 21. Jan. 1904 Generalgouverneur des australischen Commonwealth. Er schrieb ein zweibändiges Werk über seinen Vater (s. oben).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 413.
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