Allegorīe

[343] Allegorīe (griech.), in der Kunst und Poesie sinnliche Belebung und Darstellung eines abstrakten Begriffs oder eines verwickeltern abstrakten Denkaktes. Die A. entsteht durch die. beseelende oder personifizierende Apperzeption (s. Ästhetische Apperzeptionsformen). Während das Symbol ein andeutender Ersatz für einen oft halb verschlossenen, geheimnisvoll in die Ferne deutenden Vorstellungskomplex ist, ein in verjüngtem Maßstab ausgeführtes Bild für einen halb erkannten, halb geahnten weiten psychischen Inhalt, besteht die A. allein darin, daß das Abstrakte anthropomorphisch beseelt und denkend, redend, handelnd, auch leidend vorgeführt wird. Je mehr konkretes Leben der A. verliehen ist, um so künstlerischer wirkt sie; bleibt sie der sinnlichen Fülle bar, so ist sie frostig, kalt. Durch die Verkoppelung des Abstrakten und Konkreten ist die A. der Fabel und der Parabel vergleichbar, doch sind diese lehrhaft, was die A. in der Regel nicht ist. Als Beispiele der A. mögen angeführt werden: Schillers »Mädchen aus der Fremde«, das die Poesie vergegenwärtigen soll, oder die Darstellung der Gerechtigkeit durch eine Frauengestalt mit Schwert und Wage. Erst seit Lessings »Laokoon«, der das Unkünstlerische dieser Darstellungsart nachwies, trat die A. zurück, ist aber bis auf die Gegenwart für die Kunst, insbes. die plastische, unentbehrlich geblieben, namentlich bei Denkmälern und bei Ausschmückung öffentlicher Gebäude, deren Bestimmung zumeist durch allegorische Figuren kenntlich gemacht wird. Vgl. Winckelmann, Versuch einer A. (1766; hrsg. von Dressel, Leipz. 1866); Blümner, Über den Gebrauch[343] der A. in den bildenden KünstenLaokoon-Studien«, Heft 1, Freib. i. Br. 1881); Frank, Darstellung und Deutung der Allegorien (für Kunsthandwerker etc., Hamb. 1880); Bornemann, Die A. in Kunst, Wissenschaft und Kirche (Freib. i. Br. 1899); »Allegorien und Embleme« (Entwürfe moderner Künstler, Nachbildungen etc., hrsg. von Gerlach, Text von Ilg, Wien 1883–84; neue Folge 1896–1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 343-344.
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