[421] Termīten (Unglückshafte, weiße Ameisen, Termitidae, Socialia), Familie der Falschnetzflügler, gesellig lebende Insekten mit länglichem Körper, freiem Kopf, runden Augen, keinen oder zwei Nebenaugen, kurzen, perlschnurartigen Fühlern, aufgetriebenem Kopfschild, kräftigen Mundteilen, schlanken, kräftigen Beinen mit viergliederigen Tarsen und, sofern sie geflügelt sind, mit vier gleich großen, langen und hinfälligen Flügeln. In ihren Gesellschaften finden sich neben den fortpflanzungsfähigen, zeitweilig geflügelten Individuen zwei Formen geschlechtsloser, ungeflügelter, mit verkümmerten männlichen oder weiblichen Geschlechtsorganen, nämlich Soldaten, mit großem, quadratischem Kopf und langen, kräftigen Mandibeln, und Arbeiter, mit kleinem, rundlichem Kopf, verborgenen Mandibeln und wenig entwickeltem Mittelleib. Bei manchen tropischen Arten kommt noch eine dritte Form vor, die Nasuti, deren Kopf in eine nasenartige Spitze ausgezogen ist. Die Arbeiter besorgen den Aufbau der gemeinsamen Behausung und die Pflege der Brut, den Soldaten liegt die Verteidigung der Kolonie ob, den an Individuenzahl weit zurückstehenden geflügelten T. aber die Erhaltung der Art. Die Termitenkönigin ist ein seiner Flügel entledigtes, befruchtetes Weibchen, dessen Hinterleib durch die Anschwellung der eine ungemein große Anzahl von Eiern (bis 80,000) enthaltenden Eierstöcke enorm vergrößert ist. In der Regel findet sich in jeder Kolonie nur eine solche Königin nebst zugehörigem Männchen (König) in einer besonders geräumigen Zelle (Königszelle) tief im Mittelpunkte des Baues; man findet aber auch bis zu 6 Paar in einem Bau und anderseits Baue ohne Geschlechtstiere, die dann wohl in einem besondern Bau untergebracht sind. Neotenische Individuen, die niemals Flügel erhalten, aber fruchtbar sind, finden sich bei einigen Arten häufig und bewohnen einen besondern Teil des Nestes, aber nicht eine gemeinsame Zelle. Die Eier sind walzig, an den Enden abgerundet und von ungleicher Größe. Die Larven sind anfangs stark behaart, haben undeutliche Augen, kürzere Fühler und verwandeln sich durch mehrere Häutungen in die vollkommenen Insekten. Aus gleichen Eiern werden von den T. durch ungleiche Fütterung und Brutpflege der Larven die verschiedenen Formen nach Bedarf herausgebildet. Zu der Zeit, wo sich die geschlechtlichen Individuen in einer Kolonie entwickelt haben, gerät die ganze Bevölkerung in große Unruhe, und die geflügelten Männchen und Weibchen verlassen den Haufen, um sich in der Luft zu begatten und gleich darauf ihre Flügel nahe der Wurzel abzubrechen. Das Flugvermögen der T. ist sehr schwach, sie lassen sich meist vom Winde fortführen. Bei weitem die meisten Tiere gehen bei dem Ausflug zugrunde, nur wenige kehren nach dem Abwerfen der Flügel in ihr Nest zurück oder gründen eine neue Kolonie, in der sie als König und Königin leben. Schwarmzeit, die Anzahl der Schwärme in einem Jahr und die Individuenzahl wechseln nach den klimatischen Verhältnissen. Einige Arten der T. leben unterirdisch oder im Holz alter Baumstämme, andre errichten oft hochstrebende, sehr feste Bauten aus Ton, zerkleinertem Holz, häufiger aus ihrem eignen Kot, der bei holzfressenden Arten nahezu aus reiner Zellulose besteht. In der Gegend von Port Darwin (Südaustralien) findet man stark wie Säulen oder kleine Türme aufsteigende Termitenbaue von 56 m Höhe (s. Tafel »Falschnetzflügler«, Fig. 10, und Tafel »Tierwohnungen II«, Fig. 14); die Fladenbauten im Kimberleydistrikt von 2,54,5 m Höhe sehen aus, als sei die Fortführung des Baues durch Auslagerung immer neuer halbflüssiger Mörtellagen erfolgt, die vor dem Erhärten teilweise überflossen und nun in Lappen über die ältern Lagen herniederhängen. Die Meridian- oder Kompaßnester in Nordqueensland (s. Abbildung) gleichen manchmal hohen, auf die Kante gestellten Platten von unbearbeitetem Sandstein. Der obere Rand oder die Firste des Meridianbaues ist stets der dünnere und entweder nahezu glatt, oder gesägt, oder zu einer Reihe schlanker Zinnen oder Türmchen entwickelt.
Diese Nester sind dunkelaschgrau und selten höher als 22,5 m, ihre Längsachse fällt stets mit der Mittags- und nahezu mit der Kompaßlinie zusammen, wahrscheinlich zum Schutz der größern Oberfläche vor der heißen Mittagssonne. Die T. nähren sich von allerlei abgestorbenen Pflanzenstoffen, namentlich auch von Holz. Viele Arten sind ein Schrecknis der heißen Länder; sie dringen scharenweise in die menschlichen Wohnungen und zerstören namentlich Holzwerk, indem sie es im Innern völlig zerfressen, die äußere Oberfläche aber verschonen, so daß scheinbar unversehrte Gegenstände bei geringer Erschütterung zusammenbrechen. Wie bei den Ameisen hat man auch bei den T. auf Java Pilzzüchter entdeckt, die Pilzgärten anlegen und die blumenkohlähnlichen Fruchtstände verzehren. Die T. führen ihre Arbeiten nur nachts aus und unternehmen auch weite Wanderungen; ihre ärgsten Feinde sind die Ameisen, die förmlich gegen sie zu Felde ziehen. Auch der Ameisenfresser frißt T. Sie leben in allen heißern Ländern, bis 40° nördl. und südl. Breite, in Südeuropa, in Frankreich bis Rochelle (s. unten), leben zwei Arten und in Nordamerika eine, besonders zahlreich sind sie vertreten in Afrika, Amerika und Australien. Fossile Arten finden sich im Tertiär. Man kennt etwa 370[421] lebende Arten. Die kriegerische Termite (Termes bellicosus Smeathm., T. fatale L.), 1,8 cm lang, 6,5 bis 8 cm breit, ist dunkelbraun, mit heller geringelten Fühlern, am Mund, an den Beinen und am Bauch rostgelb, mit gelblichen, undurchsichtigen Flügeln, im größten Teil des tropischen Afrika heimisch, baut hohe, unebene, mit vielen Hervorragungen versehene Erdhügel, die sich allmählich abrunden und mit dichter Vegetation bedecken. Die Umgebung der Hügel besteht in einem Tonwall von 1547 cm Stärke und enthält Zellen, Höhlungen und Wege. Die schreckliche Termite (T. dirus Klug., s. Tafel »Falschnetzflügler«, Fig. 9 a-d) lebt in Brasilien in Erdlöchern und unter Steinen von den Wurzeln verfaulender Bäume. Die lichtscheue Termite (T. lucifugus Rossi), 9 mm lang, 20 mm breit, ist schwarz, am Mund, an der Schienenspitze und den Tarsen gelblich, mit gerunzelten, rauchigen, schwärzlich gerandeten Flügeln, findet sich überall in Südeuropa, ist in Frankreich bis Rochefort und Rochelle vorgedrungen und hat in letzterer Stadt an den Holzpfählen, auf denen diese erbaut ist, arge Verwüstungen angerichtet. Eine größere braune Art (Calotermes flavicollis Fab.) in Südeuropa richtet bisweilen an Ölbäumen großen Schaden an. Manche T. werden in den heißen Ländern von den Eingebornen gegessen. Vgl. Hagen, Monographie der T. (in »Linnaea entomologica«, Bd. 10, 12 u. 14); Lespès, Recherches sur l'organisation et les mœurs du Termite lucifuge (in den »Annales des sciences naturelles«, Serie 4, Bd. 5).
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