Territorialsystem

[427] Territorialsystem, diejenige kirchenrechtliche Theorie, die das Kirchenregiment als einen begrifflichen Bestandteil der Staatsgewalt auffaßt. Als erste auf dem Boden des Naturrechts entstandene theoretische Begründung des landesherrlichen Kirchenregiments hat das T. zwar die prinzipielle Verschiedenheit von Staat und Religionsgemeinschaft anerkannt, das Gewissensgebiet dieser überlassend und nur die rechtliche Leitung der Kirche dem Staate vorbehaltend. Aber indem es eben den gesamten Inhalt des landesherrlichen Kirchenregiments als Bestandteil dieser Staatshoheit auffaßt und aus ihr ableitet, hat es in seinen Konsequenzen die Selbständigkeit des kirchlichen Rechtslebens vernichtet, die Zerstörung der Konsistorialverfassung und ihre Ersetzung durch rein staatliche Organe veranlaßt und endlich den sinnwidrigen Zustand eines evangelischen Kirchenregiments katholischer Landesherren entstehen lassen. Obgleich in der Theorie bald durch ein neues, das sogen. Kollegialsystem (s. d.), abgelöst, hat das T. doch die geschichtliche Entwickelung bis in den Anfang des 18. Jahrh. hinein ausschließlich beherrscht und wirkt, wenn auch im ganzen überwunden, in einzelnen Resten noch in die Gegenwart hinein. Vertreter des Territorialsystems sind Pufendorf insbes. in der Schrift »De habitu religionis ad vitam civilem« (Brem. 1687), Thomasius, J. H. Böhmer, in England Hobbes u. a. Vgl. O. Mejer, Die Grundlagen des lutherischen Kirchenregiments (Rostock 1864); Sohm, Kirchenrecht, Bd. 1 (Leipz. 1892); Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands (das. 1893). S. Kirchenpolitik, S. 50. – T. heißt auch ein Wehrsystem, das die Heeresorganisation an die Landeseinteilung anschließt, wo also die einzelnen Truppenteile sich aus den Wehrpflichtigen bestimmter Landesbezirke ergänzen und diese auch Landwehr- oder Landsturmformationen[427] aufstellen. Ein solches System war die Kantonverfassung (s. d.) Preußens.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 427-428.
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