Kollegiālsystem

[265] Kollegiālsystem (Kollegialismus), diejenige Organisation der Behörden, vermöge deren zur Beschlußfassung eine Mehrheit von Mitgliedern erforderlich ist. In diesem Sinne spricht man z. B. von einem Richterkollegium. Das K. empfiehlt sich besonders der bessern Prüfung der Sache wegen für die Organisation der Gerichtsbehörden, daher denn auch für die wichtigern Sachen und namentlich für die Entscheidung von Rechtssachen in höherer Instanz Kollegialgerichte (Landgerichte, Schwurgerichte, Oberlandesgerichte, Reichsgericht) eingerichtet sind im Gegensatz zu den Einzelrichtern (Amtsgericht), die im Interesse einer raschen und weniger kostspieligen Erledigung bei einfachern Sachen vorzuziehen sind (s. Gericht, S. 634). Für die Verwaltung empfiehlt sich der Einheitlichkeit der Exekutive wegen das sogen. bureaukratische System, mit dem Vorbehalt jedoch, daß die Entscheidung auch von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten stets Kollegialbehörden übertragen werden sollten. – In der kirchenrechtlichen Terminologie versteht man unter K. (im Gegensatz zum sogen. Episkopal- und Territorialsystem) diejenige Theorie, welche die Kirche als eine vom Staat verschiedene, durch Vertrag gebildete, selbständige Vereinigung auffaßt, die durch stillschweigenden Willensakt die Ausübung der ihr zukommenden Vereinsgewalt an den Landesherrn übertragen habe. In Deutschland hat diese Theorie dauernde Bedeutung dadurch erlangt, daß sie zum erstenmal die heute zum Gemeingut gewordene Unterscheidung der Kirchenhoheitsrechte und der Kirchengewalt vollzogen hat. S. Kirchenpolitik, S. 50.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 265.
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