Wurfbewegung

[771] Wurfbewegung, Bewegung eines Körpers, der, nachdem ihm auf irgendeine Weise eine Geschwindigkeit (»Anfangsgeschwindigkeit«) erteilt worden ist, der Einwirkung der Schwerkraft überlassen wird. Wird ein Körper in vertikaler Richtung aufwärts geworfen, d. h. wird ihm durch einen Stoß eine nach oben gerichtete Anfangsgeschwindigkeit erteilt, so wirkt, sobald er seinen Ausgangspunkt verlassen, die Schwerkraft auf ihn, die seine aufwärts gerichtete Geschwindigkeit in jeder Sekunde um 9,8 m gleichförmig verzögert, bis dieselbe völlig aufgezehrt oder Null geworden ist; in diesem Augenblick hat er seinen höchsten Punkt erreicht, von dem er nun nach den Gesetzen des freien Falles (s. Fall) zu seinem Ausgangspunkt wieder herabfällt. Da sich beim Herabfallen seine Geschwindigkeit ganz in derselben Weise vergrößert, wie sie sich beim Steigen vermindert hatte, so braucht er zum Herabfallen ebensolange Zeit wie zum Steigen, passiert jeden Punkt seiner Bahn nach abwärts mit der nämlichen Geschwindigkeit, mit der er ihn vorher nach aufwärts passierte, und langt unten an mit derselben Geschwindigkeit, mit der er emporgeschleudert worden. Die höchste Höhe, die er erreicht, ist demnach gleich der Höhe, von der er herabfallen muß, um eine seiner Anfangsgeschwindigkeit gleiche Endgeschwindigkeit zu erlangen; die Steighöhe des aufwärts geworfenen Körpers wird also den Fallgesetzen zufolge (s. Fall) gefunden, indem man das Quadrat der Anfangsgeschwindigkeit durch die doppelte Beschleunigung der Schwere (9,8 m) dividiert. Wirst man einen Körper in schiefer Richtung (A G, Fig. 1) aufwärts, so würde er, wenn die Schwere nicht wirkte, sich vermöge der Trägheit in gerader Linie mit der ihm beim Wurf erteilten Geschwindigkeit fortbewegen, in gleichen Zeiten die gleichen Wegstrecken A B, B C, C D etc. durchmessend. Die Schwere aber zieht ihn unausgesetzt von dieser geradlinigen Bahn nach abwärts und bewirkt, daß er nach den Zeitabschnitten 1, 2, 3, 4... um die Strecken B b, Cc, Dd, Ee..., die sich verhalten wie die Quadrate der Zeiten (s. Fall), also wie 1, 4, 9, 16..., unter jene Linie hinabgesunken ist, so daß die krumme Linie A b c d e f g die wirkliche Flugbahn des geworfenen Körpers darstellt. Eine solche krumme Linie, deren einzelne Punkte gefunden werden, wenn man von den Punkten einer geraden Linie (A G) aus parallele Strecken (B b, C c, D d...) aufträgt, die sich verhalten wie die Quadrate der von dem Anfangspunkt A gemessenen zugehörigen Strecken (A B, A C, A D...) der geraden Linie, wird Parabel genannt. Bei einem schräg aufwärts geworfenen Körper besteht die Wurflinie aus einem aufsteigenden (A d) und einem absteigenden (d g) Parabelast, die einander gleich sind und in gleichen Zeiten durchlaufen werden.

Fig. 1. Schiefer Wurf.
Fig. 1. Schiefer Wurf.

Die Wurfweite, d. h. die Entfernung A g, in welcher der geworfene Stein oder das Geschoß das Niveau des Ausgangspunktes wieder trifft, ist für ein und dieselbe Anfangsgeschwindigkeit am größten, wenn der Körper unter einem Winkel von 45° in die Höhe geworfen wird. Wird ein Körper in wagerechter Richtung geworfen, so beschreibt er den absteigenden Ast einer Parabel (A f', Fig. 2), der um so flacher ist, je größer die Anfangsgeschwindigkeit war. Ein und dasselbe Ziel kann von einem Geschoß sowohl bei Steil-als bei Flachwurf, also auf zwei verschiedene Weisen, getroffen werden (Kanonen und Mörser, Strahl beim Feuerlöschen). Bei dieser Darstellung der Gesetze der W. wurde vorausgesetzt, daß auf den geworfenen Körper kein Hindernis einwirke. In der Atmosphäre aber ist jeder geworfene Körper dem Widerstande der Luft ausgesetzt und wird dadurch von der rein parabelförmigen in eine etwas andre Bahn abgelenkt, deren Bestimmung Aufgabe der Ballistik (s. d.) ist.

Fig. 2. Horizontaler Wurf.
Fig. 2. Horizontaler Wurf.
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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 771.
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