Scheel, Frau Emilie

[233] *Scheel, Frau Emilie, Kloster Haina, Regierungsbezirk Kassel. Im Jahre 1852 in Sontra, einem kleinen Städtchen in Kurhessen, als Tochter des dortigen Bürgermeisters Friedrich Quentin geboren, hatte sie die stürmische und vielbewegte Zeit ihres Landes mitzumachen, unter der auch die Stellung ihres Vaters in Mitleidenschaft gezogen wurde. Schliesslich erhielt er eine einflussreiche Stellung als Domänenverwalter in Kloster Haina. Hier verlebte Emilie schöne Jugendjahre. Ihr Vater unterrichtete sie allein und sie erlernte Latein und Griechisch, welches wohl die Veranlassung wurde, dass sie die antiken klassischen Versmasse spielend zu behandeln versteht. Im Jahre 1874 reichte sie dem Arzt der Anstalt, dem Doktor Otto Scheel ihre Hand. Jetzt kamen Jahre grosser Wirtschaftlichkeit, in welchen ihre Studien, sogar das Klavierspiel, untergingen in dem Ehrgeiz, die beste Hausfrau zu werden. Viel Leid und Kummer brachte auch ihr das Leben, und sie selbst wurde auf ein dreijähriges Krankenlager geworfen, an welchem sie erduldete an Qualen und Schmerzen, was nur ein Weib erleiden kann. Als sie nach drei Jahren wieder so weit war, um zeitweise ausser Bett sich aufhalten zu können, war sie zum unheilbaren Krüppel geworden, und trostlos gähnte die beschäftigungslose Zukunft ihr entgegen. Durch Aufmunterung guter Freunde begann sie ihr kleines Talent auszubilden, und hatte bald Erfolg zu verzeichnen. Jetzt ist ihr die Poesie das einzige Trostmittel in ihrer Krankheit. Bei Ausübung dieser kleinen Begabung vergisst sie alle Not und Kummer des Lebens und steigt auf in die Gefilde der Glückseligkeit. Ihr einsames Krankenzimmer bevölkert sich mit den Gestalten ihrer Phantasie und sie führt ein glückliches Traumleben, das sie die wirkliche Misere des Lebens vergessen lässt. E. Sch. liess kleinere Aufsätze in einem Schweizer Blatte erscheinen, dann Gedichte in dem »Deutschen Dichterheim« und im »Hessenland«, in welchem auch ein Märchen, »Was der Apfelbaum zu erzählen weiss«, erschien.

‒ Am Edderstrand. Ein Sang aus dem Kattenland. 12. (208) Kassel 1896, M. Brunnemann. n 2.–; geb. m. Goldschn. n 3.–

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 2. Berlin, 1898., S. 233.
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