Siebzehnter Gesang.

[86] Arjuna sprach


Doch die nicht achten das Gesetz, doch gläubig Opfer bringen dar,

Auf welchem Boden stehen die? – Güte, Leidenschaft, Finsternis?


Der Erhabene sprach


Dreifach der Menschen Glaube ist, – aus ihrem Wesen wächst er auf,

Drum kann er gut, voll Leidenschaft, oder auch ganz verfinstert sein.

Wie eines jeden Wesen ist, so ist sein Glaube, Bhârata!

Aus Glauben ist der Mensch gemacht – wie er glaubet, so ist er selbst.

Die Götter ehrt der Guten Schar, die Elben Leidenschaftliche,

Gespenster und der Geister Heer ehret das Volk der Finsternis.

Die graus'ge Büßung üben aus, wie das Gesetz sie nicht befiehlt,

Voll Trug und Ichsucht, voll Begier, voll Leidenschaft und voller Trotz;

Ganz sinnlos peinigend die Schar der Elemente in dem Leib,

Und mich auch, der im Leibe weilt, – die sind dämonengleich gesinnt.

Dreifach ist auch der Speise Art, wie einem jeden sie gefällt,

Dreifach Opfer, Buße, Spenden – vernimm nun deren Unterschied.

Was Leben, Sein, Gesundheit, Kraft, Glück und Freude vermehren kann,

Schmackhafte, milde, feste Speise, lieblich, ist den Guten lieb.

Scharf, sauer, salzig, allzu heiß, streng, unmilde, brennender Art, –

Das liebt der Leidenschaftliche, das schafft ihm Krankheit, Weh und Schmerz.

Was abgestanden, unschmackhaft, stinkend und schon verdorben ist,

Überbleibsel und Unreines, das liebt das Volk der Finsternis.[87]

Wo man nach Vorschrift Opfer bringt, nach dem Erfolge nicht begehrt,

Nur denkend: Also ist es Pflicht! – solch Opfer ist der Guten Art.

Doch wo man nach Erfolg begehrt und Heuchelei beim Opfer übt,

Ein solches Opfer ist die Art der Leidenschaftbefangenen.

Ohne Regel, ohne Speisung, ohne Lieder und Opferlohn,

Ohne Glauben – solch ein Opfer nennt man die Art der Finsternis.

Götter, Priester, Lehrer, Weise ehren, Reinheit und Redlichkeit,

Keusches Wesen, Nichtverletzen – dies die Buße des Körpers ist.

Rede, welche nicht erreget, die wahr ist und voll Freundlichkeit,

Übung in dem Veda-Studium – das heißt die Buße mit dem Wort.

Herzensheiterkeit und Milde, Schweigen, Bezähmung seiner selbst,

Reinheit des Wesens – dieses ist des Herzens Buße, wie man sagt.

Solche Buße dreifacher Art, wenn sie im Glauben wird geübt,

Andächtig, ohne Fruchtbegier – die ist der guten Menschen Art.

Doch wenn's geschieht um Ehr' und Ruhm, oder sogar aus Heuchelei,

Das ist schwankend und ohne Halt – das ist die Art der Leidenschaft.

Doch wird mit Pein'gung seiner selbst die Buße töricht ausgeübt,

Oder andern zum Verderben – das ist die Art der Finsternis.

Wenn man spendet nur, weil es Pflicht, und an Vergeltung gar nicht denkt,

Am rechten Ort, zur rechten Zeit – die Spende ist der Guten Art.

Doch tut man es um Gegendienst, oder im Hinblick auf Erfolg,

Oder ungern – das ist die Art der Leidenschaftbefangenen.

Wenn man unwürd'gen Menschen gibt, unpassend auch nach Ort und Zeit,

Unfreundlich, mit Geringschätzung – das ist die Art der Finsternis.

Dreifach ist des Brahman Name: das Om! – das Das! – das Seiende! –

Priester, Veden und Opfer sind von Diesem vormals festgesetzt.

Die Theologen rufen drum zu Anfang immer erst ihr »Om«,

Bei Opfer, Spenden, Büßungen, wenn nach der Regel sie geschehn.

Die nach Erlösung Strebenden, die auf Erfolg nicht gehen aus,

Rufen »das Das!« zu Anbeginn der Opfer, Buß' und Schenkungen.

Von dem Sein und von der Güte braucht man das Wort »das Seiende«1,[88]

Auch bei rühmenswerten Taten wird dieser Ausdruck angewandt.

In Opfer, Buß' und Spenden auch Beständigkeit heißt »Seiendes«,

Und was man tut zu solchem Zweck, erhält denselben Namen auch.

Was ohne Glauben ausgeführt, sei's Opfer, Spende, Buße, Tat,

Das wird »Nichtseiendes«2 genannt, – ist nach dem Tode nichts, noch hier.

1

sat »seiend«, zugleich auch »gut« bedeutend; vgl. oben Gesang 14. V. 5 Anm.

2

asat »nicht seiend«, auch »nicht gut«.

Quelle:
Bhagavadgita: Des Erhabenen Sang. Jena 1959, S. 86-89.
Lizenz:

Buchempfehlung

Reuter, Christian

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

L'Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine

Nachdem Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin auf die Straße gesetzt wird weil er die Miete nicht bezahlt hat, schreibt er eine Karikatur über den kleinbürgerlichen Lebensstil der Wirtin vom »Göldenen Maulaffen«, die einen Studenten vor die Tür setzt, der seine Miete nicht bezahlt.

40 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon