Bezüchtigung

[715] Bezüchtigung (Beschuldigung, Criminalrecht), die Behauptung, daß Jemand etwas Unrechtes gethan habe, unter Umständen, welche die Quelle, aus der die B. fließt, doch nicht als eine ganz reine, verdachtlose erscheinen lassen. Die B. geht hauptsächlich von Mitschuldigen od. von dem beschädigten Theile aus; a) von einem Mitschuldigen gethan, wirkt sie nach der Beweistheorie des gemeinen Inquisitionsprocesses nur dann als Indicium, wenn sie ohne Suggestion (s.d.), unter genauer Angabe der Umstände, nicht aus einem erwiesenen Haß, od. in der Absicht, den eigenen Zustand zu erleichtern, ohne Widerruf u. gegen eine Person geschieht, zu der man sich der bezüchtigten That versehen kann; b) von dem durch die That Beleidigten od. Beschädigten (Damnisicaten, s.d.) bewirkt, erscheint die B. offenbar gewichtiger, doch soll sie nach der peinlichen Gerichtsordnung ebenfalls nur eine Anzeige (s. Indicien) bilden, wenn sie mit Gründen unterstützt u. von dem Damnisicaten beschworen od. durch seinen von ihm vorausgesehenen Tod bestätigt ist. Nach den Grundsätzen des neueren Criminalprocesses, nach welchen lediglich die moralische Überzeugung entscheidet, hat der Richter bei B-en alle Umstände, welche Verdacht gegen die Wahrheit der Anschuldigung erregen könnten, sorgfältig zu erwägen u. darnach das Gewicht, welches er auf dieselben legen will, zu bemessen, ohne dabei an weitere Bedingungen hinsichtlich der Beweiskraft gebunden zu sein.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 715.
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