Tiger [1]

[594] Tiger, 1) im gemeinen Leben größere Raubthiere aus dem Katzengeschlecht, welche gefleckt od. gestreift sind; 2) (Tigrides), bei den Naturforschern diejenigen Arten aus dem Geschlechte der Katzen, welche gestreift sind, wie der gemeine T., die wilde Katze u. die Hauskatze; 3) Gemeiner T. (Königstiger, Bengalischer T., Felis tigris L.), wird bei 9 Fuß lang, ohne den 3 Fuß langen schwarz geringelten Schwanz; ist schlanker als der Löwe, hat kürzeres Haar, rothgelb u. über den Körper gehen unregelmäßige, schwarze, zugespitzte wellenförmige Querstreifen. Der T. findet sich nur in Südasien, bes. in den heißeren Gegenden (Bengalen, den ostindischen Inseln), geht auch bis in die Tatarei, China, nach Persien u. dem Aralsee hinaus. In Chinasoll es weißliche T. mit schwarzen u. geraden Streifen u. in Persien u. am Kaspischen See kleinere, auch weißliche u. minder grimmige, in China aber graugestreifte, auch zugleich ungestreifte geben. Der T. ist das furchtbarste u. grausamste aller Raubthiere, schlägt mit seinen Tatzen 5 Zoll tiefe Wunden, würgt mehr als er braucht, fängt seinen Raub, bes. größere Thiere[594] (Pferde, Ochsen, Hirsche etc.), durch einen Sprung auf den Hals, wo er die edleren Theile zerbeißt u. das Blut aussaugt, ist den Menschen sehr gefährlich, obgleich er sich oft durch eine Kleinigkeit leicht erschrecken läßt, hat in Ostindien öfters schon ganze Gegenden entvölkert, kämpft mit Löwen u. Elephanten, unterliegt nicht selten den Riesenschlangen, welche ihn jedoch wohl erwürgen, aber nicht verschlingen können, ist schneller als ein Pferd u. trägt im vollen Laufe Menschen, Pferde, Hirsche fort. Er wirst jährlich 3–4 Junge, welche aber gewöhnlich nicht alle aufkommen u. welche der Vater oft auffrißt, läßt sich nur schwer zähmen u. bleibt auch gezähmt gefährlich. Man sucht ihm in regelmäßigen Tigerjagden beizukommen, welche ein Hauptvergnügen der vornehmen Indier u. der Europäer sind. Es ziehen dabei mehre hundert Menschen aus, großentheils beritten, wo möglich auf Elephanten sitzend, die zu Fuß in ganzen Pelotons, um sich gemeinsam zu schützen. Man sucht den T. in hohem Riedgrase (Dschungeln) od. in Büschen an Ufern der Flüsse durch große Doggen auf. Schlagen die Hunde an, so wird sogleich ein halber Mond od. auch ein Kreis um den T. gebildet; treiben ihn die Hunde hervor, so feuern die Jäger mit Büchsen von großem Kaliber von ihren Elephanten herab auf ihn. Ist er aber nicht aus seinem Versteck zu jagen, so wird dasselbe in Brand gesteckt, wo er dann hervorkommen muß. Schwache u. kleine T. entfliehen gewöhnlich, stärkere nehmen den Jäger an, indem sie mit mächtigem Sprunge auf den nächsten sich ihnen bietenden Menschen setzen, die Pferde u. Menschen zerreißen u. hierbei gewöhnlich getödtet werden. Das schnellste Pferd wird von ihm ereilt u. niedergerissen. Elephanten scheuen sie mehr u. gehen nur im Nothfalle auch gegen sie los. Auch Kämpfe von gezähmten u. dazu bes. abgerichteten Elephanten mit T-n hat man in Indien; doch muß hierbei der Kopf u. der Rüssel der Elephanten durch Panzer geschützt sein. Dennoch nimmt es ein starker T. mit drei bis vier Elephanten auf, u. diese tödten ihn, indem sie ihn mit den Rüsseln schlagen u. endlich mit den Füßen zerstoßen. Daß er mit dem Nashorn in Freundschaft lebe, ist eine bloße Sage. Die Wunden, welche der T. durch Biß u. durch Kratzen macht, sind sehr gefährlich, u. die Eingeborenen halten sie für unheilbar. Das Fleisch des T-s wird gegessen, schmeckt aber schlecht, sein Fell gibt gute Pferdedecken. Einige Volksstämme, so die Sumatraer, halten ihn heilig u. glauben, daß die Seelen ihrer Fürsten in T. fahren. Ihn zu tödten gilt daher bei manchen Indiern für Verbrechen. 4) Amerikanischer T., so v.w. Jaguar, s.d.; 5) Höhlentiger, T. spelaeus, ein den bengalischen an Größe übertreffender T., nur versteinert in der Höhle von Kirkdale in England gefunden; 6) jedes gefleckt gezeichnete Thier, wie z.B. Katzen, Pferde, Hunde, Tauben etc.; 7) so v.w. Tigerporzellane, s.u. Porzellanschnecke.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 594-595.
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