[102] Ägypten. I. Unterägypten. Die erste Eisenbahn wurde von der ägyptischen Regierung auf Anregung und mit Hilfe Englands im Jahre 1852 von Alexandria über Tanta und Benha-el-Asl nach Kairo begonnen und 1856 mit 209 km Länge dem Betriebe übergeben. Im Jahre 1857 wurde die Fortsetzung dieser Bahn über Zagazig durch die Wüste nach Suez (145 km) nebst den Zweigbahnen von Tanta nach Samanud und von Benha-el-Asl nach Zagazig für den Verkehr eröffnet. Dabei blieb es zunächst, bis Ismail Pascha auf den Thron kam (Januar 1863) und den eigentlichen Ausbau des ägyptischen Eisenbahnnetzes begann. Dieser Ausbau mußte notwendigerweise die Forderung erfüllen, daß alle Teile des Nillandes mit der Küste verbunden und die von den bekannten Stromschnellen und Katarakten des Nils unterbrochenen Strecken des Wasserweges durch eine Schienenverbindung ersetzt wurden, damit die Erzeugnisse aus dem Innern des Landes nach Alexandria verfrachtet werden können.
Ein Schienenweg wurde in südlicher Richtung zunächst von Gizeh nach Medinet-el-Fayum, sodann, 1874, bis nach Siut in Oberägypten durchgeführt. Im Jahre 1868 baute man weitere Linien von Damiette über Mansurah nach Kairo und von Kairo über Ismailia längs des Süßwasserkanals nach Suez; die früher durch die Wüste hergestellte Linie nach Suez wurde aufgegeben. Sämtliche Strecken, mit Ausnahme der schmalspurigen Stichbahn Kairo-Suez, sind mit der europäischen Vollspur von 1∙435 m ausgeführt. Alle diese Bahnen waren Staatsbahnen; als Privatbahn wurde nur die 10 km lange Strecke von Alexandrien nach Ramleh, dem Sommeraufenthalte des Vizekönigs und der vornehmen Welt von Alexandrien, hergestellt und betrieben (gegründet 1862, heute verlängert bis Rosette, 70∙8 km). Im Jahre 1897 wurde der nach der Vollendung des Suezkanals zu großer Bedeutung gelangte Mittelmeerhafen Port Said gleichfalls durch eine Schmalspurbahn mit Ismailia 80 km verbunden und dadurch seine Verbindung mit Kairo und Suez hergestellt; gleichzeitig wurde die dem linken Nilufer folgende südliche Verlängerung der Bahn von Kairo bis Keneh und Luxor, 673 km, vollspurig fertiggestellt.
Diese Bahn wurde von einer Privatgesellschaft, der Société anonyme du chemin de fer Keneh-Assuan, fortgesetzt in Kapspur (1∙067 m) nach dem oberen Nil und durchgeführt bis Assuan (213 km) und Schellal (Insel Philae), 220 km, so daß heute die Verbindung Alexandria-Assuan-Schellal mit Übergang auf die Schmalspur in Luxor auf 1101 km vollendet ist; vielleicht wird sie dereinst das nördliche Anfangsglied der Cecil Rhodesschen Kap-Kairo-Bahn werden. Zwischen Assuan (Schellal) und Wadi-Halfa fehlt die Eisenbahnverbindung noch; hier vermitteln Regierungsdampfer und die Schiffe der Hamburg- und Englisch-Amerikanischen Nil-Gesellschaft den Verkehr auf dem Nil stromaufwärts in einer Reise von 21/24 Tagen für die etwa 354 km lange Strecke. Mit Rücksicht auf die wünschenswerte wirtschaftliche Selbständigkeit des Sudan und auf die Eisenbahn von Khartum zum Roten Meer (Port Sudan) scheint man bisher die Ausführung einer Schienenverbindung Assuan-Wadi-Halfa zwischen dem unterägyptischen einerseits, dem oberägyptischen und sudanesischen Bahnnetz anderseits gescheut zu haben.
Den Betrieb der Privatbahn Keneh-Assuan hat inzwischen die Regierung gegen Zahlung einer jährlichen Summe von 23.600 ₤E1 übernommen.
II. Oberägypten und Sudan. Die Sudan-Staatsbahn Wadi-Halfa-Khartum dient zur Verlängerung des unterägyptischen Eisenbahnnetzes nach dem Süden, und bezweckt die Ablenkung des Sudanhandels nach dem Nildelta von Kairo. Ohne ihre Durchführung bis nach Khartum wäre England die Vernichtung des Mahdistenreiches schwerlich gelungen; erst durch diese Bahn ist die englische Herrschaft in Oberägypten und im Sudan endgültig sichergestellt worden.
Im Jahre 1875 begann Ismael Pascha den Bau der Stichbahn von Wadi-Halfa, am 2. Katarakt nach Metameh im Tal des 6. Katarakts, die die Nutzbarmachung des Niltals von Wadi-Halfa bis El-Debbé nahe bei Dongola gestattet. Dazu kam eine Eisenbahn durch die Steppe von Bayonda zur Vermeidung des Flußknies bei Abu-Hammed. Diese Arbeiten wurden auf etwa 200 km Länge hergestellt, bis ihnen Geldmangel und die mahdistischen Unruhen zunächst ein Ziel setzten. Sie wurden erst wieder aufgenommen, als die Engländer sich in Ägypten niederließen, bis der Fall Khartums und der Tod Gordons 1885 neuerdings den Abbruch der Arbeiten zur Folge hatte.
Erst als England 1896 entschieden an die Unterdrückung der vom Mahdi angestifteten Unruhen herantrat, wurden die Arbeiten, wesentlich aus strategischen Rücksichten, wieder begonnen, indem man den Vormarsch Kitcheners und seine Verbindung mit Alexandrien, die für die Verpflegung seiner Truppen unentbehrlich war, sichern wollte.[102] Man verzichtete einstweilen auf die von Ismael Pascha begonnene Bahn und legte den Schienenweg von Wadi-Halfa im bequemsten ebenen Gelände, quer durch die Nubische Wüste auf Abu-Hammed und folgte von hier dem Nil aufwärts über Berber bis Khartum, dem Zusammenfluß des Weißen und Blauen Nils, dem einstigen Mittelpunkt des Mahdismus. Von Berber wurde später die längst geplante Schienenverbindung in nordöstlicher Richtung mit dem Hafenplatz Port Sudan an der Küste des Roten Meeres hergestellt.
Ende des Jahres 1896 begann der Bau der Bahn zur Umgehung der Nilkatarakte, von Offizieren der britischen Armee geleitet, von englischen Soldaten in Kapspur (1∙067 m) ausgeführt. Ende 1899 zog Kitchener als Sieger von Omdurman in Khartum ein; am 4. Jan. 1900 wurde die Bahn, 917 km lang, nach wenig mehr als 3 Jahren Bauzeit, dem Betrieb übergeben.
Von besonderer Bedeutung war bei der Bauausführung die Überschreitung des Atbaraflusses nächst dem Blauen Nil, des größten Nebenflusses des Weißen Nils, durch die Bahn. Der Atbara trocknet an der Obergangsstelle oft ganz aus, hat jedoch in der Regenzeit eine Breite von 340 m. Die Brücke besteht aus sieben Öffnungen, überspannt durch Fachwerksträger von je 44∙8 m Stützweite auf Pfeilern, die aus je zwei gegeneinander verstrebten Betonzylindern mit eiserner Ummantelung gebildet sind. Die von den Pencoyd-Eisenwerken bei Philadelphia übernommene Herstellung der eisernen Überbauten dieser Brücke erregte seinerzeit berechtigtes Aufsehen, weil das amerikanische Werk bei seiner Ausführungsart (mit der in Nordamerika üblichen Gelenkverbindung in den Knotenpunkten) nicht nur die Preise aller englischen Brückenbauanstalten erheblich unterbot, sondern auch, was in diesem Falle von besonderer Bedeutung war, eine Lieferzeit von nur 42 Tagen für das ganze Bauwerk verlangte, die es auch einhielt. Zwischen der ersten telegraphischen Anfrage beim Werk am 7. Januar 1899 und der Vollendung der ganzen Atbarabrücke am 19. August lagen nur 81/2 Monate. Der Zusammenbau mußte ohne festes Gerüst erfolgen, wobei die amerikanischen Monteure lediglich auf die Hilfe von eingeborenen Arbeitern angewiesen waren (Zeitschr. d. Österr. Ingen, u. Archit-Vereins vom 23. Febr. 1900, S. 117 u. f.).
Das Anlagekapital der ganzen Militärbahn betrug 1 Mill. ₤, d. s. nur 22.200 M./km.
In der Folge diente die Bahn Wadi-Halfa-Khartum auch wesentlich dem Zweck des Wiederaufbaus der Stadt Khartum, die, an der Vereinigung des Weißen mit dem Blauen Nil gelegen, sich alsbald zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des neu erschlossenen Sudangebietes entwickelte.
Die Bahn Wadi-Halfa-Dongola. Gleichzeitig mit dem Bahnbau nach Khartum war die ältere Stichbahn Ismael Paschas wieder in Stand gesetzt und von Wadi-Halfa bis El-Dibbé bei Dongola durchgeführt worden; sie erleichterte vom Jahre 1896 ab die militärischen Unternehmungen gegen die Mahdisten von Dongola und verbindet Ägypten mit dem Gebiete von Dar für, das England durch den englischfranzösischen Vertrag vom 21. März 1899 zuerkannt ist. Zur Umgehung des 4. Nilkataraktes wurde noch die Bahn von Abu-Hammed in südwestlicher Richtung nach Merove gebaut.
Die Bahn Port Sudan-Berber vom Nil zum Roten Meer. Der Weg von Alexandria nach Khartum2, 2372 km lang, ist für den Wassertransport zu ausgedehnt und wird wegen des erforderlichen fünfmaligen Umladens der Waren zu kostspielig. So kostete eine Tonne Kohlen, bei einem Preise von 2730 Franken in Alexandria, in Khartum 9095 Franken. Auf Grund dieser Erwägung beschloß man, Khartum über Berber mit dem Roten Meere durch eine Eisenbahn zu verbinden. Sie dient für England gleichzeitig dem Zweck, eine Umgehung des leicht zu bedrohenden Suezkanals zu ermöglichen. Die Bahn Atbara-Port Sudan, 532 km lang, mit Kapspur, wurde in 15 Monaten gebaut, im August 1904 begonnen und am 26. Jan. 1906 dem Verkehr übergeben. Der Bau kostete 28,610.000 M., d. s. rund 53.800 M./km. Die Bahn, die an ihrem östlichen Ende beträchtliche Geländeschwierigkeiten zu überwinden hatte, durchschneidet eine wasserlose Wüste und verbindet in ziemlich gerader Linie den Hafen Port Sudan (Marsa Scheich Barut) mit dem Punkte in der Nähe der Stadt Berber, wo der Atbarafluß von Südosten her in den Nil mündet. Während des Baues bot die Versorgung der Arbeiter mit Trinkwasser, das in Suakin aus dem Seewasser durch Maschinen gewonnen werden mußte, besondere Schwierigkeiten. Die Bahn ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung und ihre Wirkung unter anderem, daß in Khartum die Kohle jetzt nur noch 45∙50 Franken kostet.
Der neue Hafen Port Sudan am Roten Meere wurde Anfang April 1909 in Betrieb genommen, die Station in der Stadt Sudan-Hafen für den Personen- und Güterverkehr am 20. März[103] 1909 eröffnet. Hierdurch wird ein neues, bequem zugängliches Einfahrtstor zu dem reichen Hinterlande des Ägyptischen Sudan geöffnet. Die Tiefe des natürlichen Hafenbeckens wechselt zwischen 9 und 25 m. Den Schutz der Reede bilden Korallenriffe, die an einzelnen Stellen durch aufgebaute Dämme erhöht sind. Zum Entlöschen der Schiffe sind rund 900 m Ufermauern hergestellt, mit einer Wassertiefe von 9 m an ihrem Fuße. Für den Hafendienst sind elektrisch betriebene Krane und ein 60 t-Schwimmkran vorhanden; für Ausbesserungsarbeiten stehen eine kleine Werkstatt und ein Schiffsaufzug zur Verfügung.
Der Verkehr der ägyptischen Sudanbahn Port Sudan-Berber hat in den letzen Jahren betragen:
Beförderte | Vieh | Gütertonnen | |
Personen | (privat) | ||
1906 | 247.125 | 31.425 | 64.442 |
1907 | 342.126 | 35.856 | 101.606 |
Die Betriebsergebnisse waren folgende:
Einnahmen | Betriebsausgaben | |
1906 | 235.669 ₤E | 161.469 ₤E |
1907 | 298.557 ₤E | 213.354 ₤E |
Betriebsziffer | Überschuß | |
1906 | 68∙5% | 74.200 ₤E |
1907 | 71∙5% | 85.203 ₤E |
Die Bahn von Berber nach dem Roten Meer hat anscheinend bis jetzt der Nillinie keinen wesentlichen Abbruch getan. Sowohl der Personen- als auch der Post- und Güterverkehr gehen nach wie vor über Wadi-Halfa, während die Linie Berber-Sudan in der Hauptsache Regierungsgüter und Gummi befördert.
Zur weiteren Erschließung des Sudan wurde ferner im Winter 1906/07 mit dem Bau einer Bahn längs des Blauen Nils von Wad-Médani flußaufwärts südlich nach Roseires und Gambela begonnen, die hier an die dereinst fortzusetzende Linie von Djibuti über Harrar und Addis-Abeba (in Abessinien) nach Gambela anschließen soll. Diese Bahn würde unter Umständen mit einer künftigen Verlängerung der Ugandabahn zusammentreffen. Gestützt auf diese Eisenbahn, will man demnächst in der Provinz Ghézireh Bewässerungsanlagen herstellen.
Geplant und gebaut wird sodann südlich von Khartum seit November 1906 eine Bahn von El-Dueim am Nil in südwestlicher Richtung über Sennar nach El-Obeid, der Hauptstadt von Khordofan, mit der Absicht einer Fortführung nach Westen, um die Provinz Khordofan dem Handel und Verkehr zu erschließen, die Besitznahme von Darfur zu erleichtern und schließlich mit dieser Bahn als »Pilgerbahn« das Gebiet des Tschadsees zu erreichen.
Bei El-Obeid trifft die Bahn den Mittelpunkt des Gummihandels von Khordofan, eine der Hauptquellen des Wohlstandes für den englischägyptischen Sudan.
Um der Stadt Khartum unmittelbare Schienenverbindung zu verschaffen und den Vorbau der Eisenbahn in den Sennar- und Khordofan-Bezirk südlich von Khartum zu ermöglichen, wozu der Bau einer großen Brücke über den Weißen Nil bei Goz Abu Goma (Kosti) gehört, ist es zunächst erforderlich, bei Halfaya-Khartum, woselbst sich der Blaue in den Weißen Nil ergießt (s. Abb. 123), eine große Brücke über den Blauen Nil auszuführen. Der letztere Strom führt bei weitem die größere Wassermasse. Die Brücke umfaßt 7 Stromspannungen von je 66∙6 m, mit 4 Flutöffnungen von 12 bis 24 m, am nördlichen Ende ist eine mit elektrischem Antrieb versehene Hubbrücke von 34∙06 m Spannweite angeordnet. Der Fluß hat hier eine Gesamtbreite mit 518 m. Die Brücke soll später 2 Gleise mit Kapspur überführen, von denen vorerst nur eines angelegt wird; an Stelle des zweiten wird eine 6∙4 m breite Fahrstraße überführt. Die Strompfeiler bestehen aus je zwei Stahlzylindern von 4∙88 m unterem Durchmesser, die bis auf 18∙3 m unter Niedrigwasser des Nils hinabgeführt sind.
Bei Goz Abu Goma wechselt die Nilbreite von 536 m bei Niedrigwasser bis zu 4∙8 km bei Hochwasser; die Brücke besteht aus 9 Spannungen mit festem Oberbau und einer Öffnung von 74∙8 m Weite mit einer Drehbrücke, die mit Hand betrieben werden soll.
Diese beiden Brückenbauten sind die umfangreichsten Bauausführungen ihrer Art in Afrika.
Der Brückenbau bei Khartum ist im Oktober 1910 vollendet worden, während der Bahnbau von Khartum bis Goz Abu Goma 309 km oberhalb Omdurman, gleichzeitig mit dem dortigen Brückenbau über den Weißen Nil als ein Glied der großen Kap-Kairo-Bahn voraussichtlich im Jahre 1911 beendet werden wird. Die Strecke von Khartum über Wad-Medani nach Sennar ist am 1. Nov. 1910 dem Betrieb übergeben worden. Die Bahn wendet sich bei Sennar, das gegenwärtig als der südliche Endpunkt des nördlichen Teils der Kap-Kairo-Bahn zu betrachten ist, scharf nach[104] Westen; die Bahn nach Goz Abu Goma wird besonders den reichen Gummibezirk von Khordofan erschließen.
Von weiteren Eisenbahnen, die im Sudan zur Ausführung gelangen sollen, sind (nach der Rede Lord Cromers bei der feierlichen Eröffnung der Sudanbahn am 27. Januar 1906) noch zu erwähnen eine Fortführung der Bahn Port Sudan-Berber in südöstlicher Richtung entlang dem Atbaraflusse nach Kassala und eine Linie auf dem linken Ufer des Weißen Nils von Khartum in südlicher Richtung nach Goz Abu Goma.
In Ä. bestehen neben den Staatsbahnen zahlreiche Privatbahnen, über die aus dem Jahre 1904 einige statistische Angaben vorliegen3.
Es betrug die Länge 2327 km, die Menge der beförderten Güter 3,529.559 t; die Anzahl der Reisenden belief sich auf 17,725.000 und wurde eine Gesamteinnahme von 1,188.000 ₤E aus dem Personenverkehr erzielt. Der Personenverkehr hat sich stetig weiterentwickelt, während der Güterverkehr noch Schwankungen ausgesetzt ist, die durch das zeitweilige Versagen der Zufuhrstraße des Nils herbeigeführt werden.
Der systematische Ausbau des Eisenbahnnetzes hat zweifellos zu der glänzenden Entwicklung der Einnahmen Ä., die sich von 10∙237 Millionen ₤E im Jahre 1890 stetig auf 152 Millionen ₤E im Jahre 1906 hoben, wesentlich beigetragen. Auch die zahlreichen Kleinbahnen sind von großer Bedeutung als Verbindungsmittel zwischen den Provinzmittelpunkten und dem flachen Lande.
Über das Staatsbahnsystem in Ä. spricht sich Lord Cromer nach seinen Erfahrungen dahin aus, daß er zwar persönlich Anhänger des Privatbahnsystems sei, es aber doch für bedenklich halte, die Staatsbahnen Ä. in Privatbahnen umzuwandeln. Denn wenn auch ein Privatunternehmer den Betrieb mehr nach kaufmännischen Grundsätzen gestalten und dadurch die Ertragsfähigkeit steigern könne, so bezweifle er doch, daß dies der Allgemeinheit zugute kommen werde. Nach seiner Ansicht ist das Privatbahnsystem nur dann der Allgemeinheit nützlich, wenn die Bahnen den Wettbewerb anderer Bahnen zu fürchten und danach ihr Verhalten zu regeln haben.
Gegen die Staatsschuldenkommission wurden seinerzeit scharfe Vorwürfe erhoben, weil ihre Sparsamkeit die schlechte Beschaffenheit der ägyptischen Staatsbahnen verursacht habe. Es werde vieler Jahre bedürfen, um das Versäumte nachzuholen, wenn auch die Regierung nach Zustimmung der Mächte zum englischfranzösischen Abkommen von 1904 der Eisenbahnverwaltung einen Kredit von 3 Millionen ₤E bewilligt habe. Im Jahre 1905 wurde das gesamte ägyptische Eisenbahnwesen einem Eisenbahnministerium unterstellt.
Die Staatsbahnen. Das Staatsbahnnetz bestand am 31. Dezember 1909 aus 2358 km Bahnen, von denen 2136 km vollspurig und 222 km schmalspurig (mit Kapspur 1∙067 m) waren; letztere die Strecke Luxor-Assuan-Schellal, deren Umbau in europäische Vollspur inzwischen übrigens wegen der Materialversendungen für die gewaltigen Dammbauten von Esneh und Assuan bereits in Erwägung gezogen wurde. Zu den Staatsbahnen sind zu rechnen die oberägyptischen vollspurigen Nebenbahnen mit 512 km und die schmalspurigen nach den westlichen Oasen führenden Bahnen mit 193 km, so daß der Gesamtumfang des Staatsbahnnetzes sich für 1909 auf 3063 km stellt. Von den vollspurigen Bahnen waren 532 km doppelgleisig. Infolge des finanziellen und wirtschaftlichen Niedergangs hat das Jahr 1908 für die Bahnen recht schlecht abgeschlossen. Die Einnahmen und Ausgaben stellten sich wie folgt:
1906 | |
Roheinnahme in ₤E | 3,257.600 |
Betriebsausgabe | 1,839.543 |
Betriebsziffer | 561/2% |
Reineinnahme | 1,418.057 |
1907 | |
Roheinnahme in ₤E | 3,565.040 |
Betriebsausgabe | 1,953.197 |
Betriebsziffer | 54∙8% |
Reineinnahme | 1,611.843 |
Anlagekapital | 24,359.399 |
1908 | |
Roheinnahme in ₤E | 3,435.451 |
Betriebsausgabe | 2,082.231 |
Betriebsziffer | 60∙61% |
Reineinnahme | 1,353.220 |
Anlagekapital | 25,093.298 |
1909 | |
Roheinnahme in ₤E | 3,258.000 |
Betriebsausgabe | 1,975.000 |
Betriebsziffer | 60∙62% |
Reineinnahme | 1,283.000 |
Anlagekapital | 25.293.000 |
1910 | |
Roheinnahme in ₤E | 3,401.000 |
Betriebsausgabe | 1,955.000 |
Betriebsziffer | 57∙48% |
Reineinnahme | 1,446.000 |
Anlagekapital | 25,679.000 |
Das Anlagekapital wurde im Jahre 1907 mit 6∙61%, 1908 mit 5∙39%, 1909 mit 5∙07%[105] 1910 mit 5∙64% verzinst, in den Jahren von 1902 bis 1906 mit mehr als 5 bis 611%. Die Lage der Bahnen war daher wirtschaftlich andauernd immerhin recht günstig. Die Anlagekosten der Bahnen betrugen durchschnittlich f. d. km rund 224.000 M.
Befördert wurden im Jahre:
Personen | Güter | |
1907 | 26,082.627 | 6,747.449 t |
1908 | 25,851.661 | 5,775.198 t |
1909 | 25,306.000 | 5,181.000 t |
1910 | 25,711.000 | 5,508.000 t |
Die Länge der ägyptischen Kleinbahnen betrug Ende 19101228 km und wurden auf diesen im selben Jahre nahezu 9,000.000 Personen befördert. Nachstehend sind die Gesamteinnahmen und Betriebsziffern der einzelnen Unternehmungen angeführt:
Gesamteinnahmen | Betriebsziffer | |
Egyptian | ||
Delta Light | 200.750 ₤E | 58∙ % |
Helouan | 54.500 ₤E | 67∙50% |
Basse Égypte | 33.810 ₤E | 49∙80% |
Fayoum | 24.868 ₤E | 67∙75% |
Literatur: M. P. Arminjon, Étude sur les Voies de communication en Égypte. Revue économique internationale 1910. Reports by his Mayesty's Agent and Consul-General of Egypt and Soudan in 1910. (1911. Nr. 1) London.
Baltzer.
1 | 1 ₤E, ägyptisches Pfund = 20∙75 M. = 24∙90 K. | ||||||||
2 |
| ||||||||
3 | Vgl.: Die Eisenbahnen Afrikas. Denkschrift, dem Deutschen Reichstag im Jahre 1907 vorgelegt. S. 135. |
Buchempfehlung
In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro