Brückenprobe

[105] Brückenprobe (bridge-test; essai, d'un pont; prova d'un ponte), die nach vollendeter Aufstellung des Tragwerks und Herstellung der Fahrbahn vor Inbetriebnahme der letzteren vorzunehmende Belastungsprobe (Probebelastung), erstmalige Hauptprüfung, die den für die statische Berechnung gemachten Voraussetzungen möglichst entsprechen, demnach die äußersten Grenzen der Verkehrsbelastung in sich schließen soll.

Diese Erprobung hat nicht den Zweck, den Sachverständigen – bzw. die Aufsicht übende Behörde – zu überzeugen, daß das Bauwerk die ihm zugemuteten Höchstanstrengungen auszuhalten imstande ist; die Möglichkeit eines Mißerfolges kann und muß nach dem heutigen Stand der Brückenbautechnik hierbei vollkommen ausgeschlossen sein. Die Erprobung soll vielmehr einesteils dazu dienen, einen Vergleich der für die Konstruktion rechnerisch bestimmten Elastizitätsverhältnisse mit den wirklich bestehenden Verhältnissen zu ermöglichen, andernteils aber die Güte der Bearbeitung, insbesondere der Verbindungen (Knotenpunkte) nach erfahrungsgemäß bestimmten Normen für das erlaubte Maß der bleibenden Einbiegung festzustellen.

Die Ausführung der Belastungsprobe ist, wenn es sich um eine Eisenbahnbrücke handelt, bei den verschiedenen Bahnverwaltungen je nach den für die statische Berechnung aufgestellten Belastungsnormen und besonderen Bedingnissen eine mehr oder weniger verschiedene. In den wenigsten Fällen wird heute noch hierfür eine ruhende, gleichmäßig verteilte, der Wirkung der Verkehrsbelastung entsprechende Last vorgeschrieben, selbst wenn diese für die statische Berechnung angewendet wurde. Vielmehr wird bei allen Eisenbahnverwaltungen folgender Vorgang eingehalten:

2 oder 3 der schwersten Lokomotiven, bzw. Motorwagen, derart gruppiert, daß die meistbelasteten Achsen möglichst nahe der Mitte der Brückenlänge zu stehen kommen, werden zuerst langsam soweit auf die Brücke gefahren als der größten Anstrengung für die Trägermitte entspricht. Nachdem sie eine bestimmte Zeit (5 Minuten bis mehrere Stunden) in dieser Stellung ruhig verblieben, werden sie zunächst mit mäßiger und sodann mit der größten möglichen, noch zulässigen Geschwindigkeit einigemale über die Brücke hin und zurück bewegt. Damit ist gewöhnlich der Umfang der Belastung für Brücken bis ungefähr 60 m Stützweite erschöpft; jedoch werden auch zuweilen bei sehr langen Brückenfeldern für die ruhende Belastung beladene Güterwagen vor und hinter den Lokomotiven, bzw. Motorwagen angehängt (für die bewegte Belastung nur hinter diesen), oder es wird das ganze Feld mit Lokomotiven besetzt und befahren.

Bei der Belastungsprobe von Straßenbrücken wird für die ruhende Last in der Regel eine gleichmäßig auf die Fahrbahntafel aufgebrachte Nutzlast (Steine, Sand u.s.w.) angeordnet. Für die bewegte Last wird der schwerste zur Verfügung stehende Lastwagen, auch Straßenwalze, verwendet.

Vorhandene seitliche Fußwege können, je nach ihrem Zweck, mit einer gleichmäßigen Last von 200–560 kg für das m2 belegt werden. Bei durchlaufenden (kontinuierlichen) Trägern ist außerdem noch notwendig, die Lasten in solcher Weise gruppiert und über die einzelnen Felder verteilt aufzustellen, daß die größten positiven und negativen Biegungsmomente und Vertikalkräfte hervorgerufen werden.

Während dieser verschiedenen Belastungsarten mißt man die lotrechten und wagrechten Bewegungen (Einbiegungen, Auftriebe, Seitenschwankungen) der Hauptträger und bestimmt hieraus insbesondere die bleibenden vertikalen Einsenkungen. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig, vor Aufbringung einer der erwähnten Belastungen die Auflagerpunkte (Stützpunkte, Stützflächen) der Hauptträger gegen Fixpunkte einzumessen, die abseits der Brücke so angeordnet sein müssen, daß sie durch allenfalls stattfindende Setzungen oder Erschütterungen nicht berührt werden. Die Messung selbst erfolgt mit Hilfe eines Nivellierinstruments, dessen Standpunkt auf dem Boden oder dem Mauerwerk selbst derart zu wählen ist, daß womöglich mit einer Stellung sowohl der außerhalb der Brücke liegende Fixpunkt als die lotrecht über und möglichst nahe den Stützflächen angebrachten Höhenmarken a, Abb. 86, bzw. die auf letzteren[105] stehenden Nivellierlatten b eingemessen werden können. Sollen auch die vertikalen und horizontalen Bewegungen der Hauptträgermitten oder anderer zwischen den Stützen liegender Punkte mit dem Nivellierinstrument gemessen werden, so sind an diesen Stellen ebenfalls Höhenmarken cc, Abb. 86, zur sicheren Aufstellung der Nivellierlatten (mit Rücksicht auf später vorzunehmende Vergleichsmessungen) anzubringen.

Dieses Meßverfahren liefert jedoch selten genaue Ergebnisse, da es in den wenigsten Fällen möglich sein wird, für das Instrument eine geeignete Aufstellung außerhalb der Brücke zu finden; zudem ist die Ablesung der lotrechten und wagrechten Schwankungen der Hauptträger während der rasch bewegten Belastung nur schätzungsweise möglich.

Viel genauer werden die elastischen Schwingungen, wie auch die bleibenden Einbiegungen der Hauptträger direkt gemessen.

Bei geringer Lichthöhe der überspannten Öffnungen, wie auch bei Brücken über kleine Flußläufe werden nach Abb. 87 auf eingerammten Pfählen oder unverrückbaren Lagern zunächst den Hauptträgermitten Holzständer a, lotrecht aufgestellt und gegen Seitenbewegungen quer zur Brücke entsprechend gesichert. An diese Ständer, die mit der Brücke selbst in keiner Berührung stehen dürfen, werden in der Höhe der unteren, bzw. oberen Gurtung, die zur Aufzeichnung der Bewegungen benutzten Messingplättchen b quer zur Längsrichtung der Brücke derart befestigt, daß auf ihnen die lot- und wagerechten Bewegungen gleichzeitig aufgezeichnet werden, u. zw. durch besondere, an den Gurtungen oder an irgend welchen mit diesen verbundenen Teilen befestigte Schreibapparate c. Selbstverständlich können auch die genannten Plättchen an der Eisenkonstruktion, die Schreibapparate aber an den Ständern befestigt sein. Anstatt Ständer aufzustellen hängt man zuweilen auch an der zu beobachtenden Konstruktion entsprechend geformte, steife Holzstäbe d, Abb. 87, auf, die durch Temperaturschwankungen nicht beeinflußt werden. Diese nehmen Teil an den lotrechten Schwankungen der belasteten Konstruktion, so daß an ihren unteren Enden Messungen oder graphische Aufzeichnungen in bequemer Weise direkt ausgeführt werden können.

Schreibapparate der einfachsten Form, Abb. 88, zeichnen Diagramme auf, wie solche beispielsweise in Abb. 89 für eine Brücke von 57 m Spannweite und deren Befahrung mit 3 schwersten Lokomotiven sowohl mit sehr geringer, als auch mit der größten Geschwindigkeit dargestellt sind.

Hierbei ist n der Null- oder Anfangspunkt, – auf den die Spitze des durch eine Spiralfeder nach vorn gedrückten Stahlstifts s, Abb. 88, vor der Belastung eingestellt wird – e der Endpunkt nach der Entlastung. Die Differenz ne zeigt die bleibende Einbiegung; nt ist die gesamte, et die elastische Einbiegung, hh die gesamte Seitenschwankung.

Zu den verbesserten Schreibapparaten dieser Bauart, die einen von der Konstruktion unabhängigen Punkt zur Befestigung der Schreibplatte oder des Schreibstifts bedürfen, gehört der von Ingenieur Askenasy gebaute sog. Deflektionsmesser.

Bei größeren Lichthöhen der Brücken oder bei solchen über tiefen und rasch fließenden Gewässern ist die Aufstellung von Ständern nur mit großen Kosten zu ermöglichen, oft überhaupt nicht zulässig. In diesen Fällen finden die Einsenkungsmesser von Fränkel & Trau (I in Abb. 90) und Klopsch (II in[106] Abb. 90.) vorteilhafte Anwendung. Nur wenn die zu prüfende Konstruktion neben einer bereits vorhandenen liegt, sind die gewöhnlichen, oben besprochenen Schreibapparate zu verwenden, da sodann die bestehende Konstruktion, die mit der neuen selbstverständlich nicht weiter als durch die Steinpfeiler in Verbindung stehen darf, zur Anbringung der Apparate a oder der Plättchen b, Abb. 91, benutzt werden kann. Für die Beobachtung der Tragwand, die zunächst der alten Konstruktion liegt, ist diese Anbringung gewöhnlich ohne weitere Hilfsmittel möglich; dagegen muß für Beobachtung der äußeren Tragwand ein vertikal vollkommen abgesteifter Balken c aus Holz oder Eisen quer zur Längsrichtung der zu beobachtenden Konstruktion angebracht werden, der mit den bestehenden Hauptträgern bei d und e in lotrechtem Sinn unverrückbar so zu verbinden ist, daß er über oder unter den zu beobachtenden Gurtungen der Träger I und II möglichst nahe, aber ohne sie zu berühren, bis zum äußersten Träger I durchgreift.

Auch mittels Drähten a, Abb. 92, die zwischen den Steinpfeilern ausgespannt werden, lassen sich bei Beobachtungen von kurzer Zeitdauer ganz brauchbare Ergebnisse erzielen. Diese Drähte, die in lotrechter Richtung durch ein angehängtes Gewicht b, in wagerechter Richtung aber durch Querdrähte c zu spannen sind, dürfen die Konstruktion nicht berühren. Möglichst leichte Schreibstifte werden an den Längs- oder Querdrähten entsprechend aufgehängt und zeichnen sodann Diagramme wie die gewöhnlichen Schreibapparate. Eine Schwankung der Pfeiler in der Längsrichtung der Brücke muß hierbei selbstverständlich ausgeschlossen sein.

Wie bereits erwähnt, werden in der Regel nur die lotrechten und wagerechten Bewegungen der Hauptträger in der Mitte gemessen. Da dieses Verfahren nur wenig Anhaltspunkte für die Beurteilung der Güte der Ausführung bietet, ja sogar zu Trugschlüssen Veranlassung geben kann, und ein richtiges Bild des Zusammenwirkens der einzelnen Konstruktionsglieder eines Hauptträgers bei den verschiedenen Laststellungen nur erhalten werden könnte, wenn für jede Laststellung zu gleicher Zeit alle Knotenpunkte eingemessen würden, dies aber mit den schon erwähnten Apparaten, unter Anwendung elektrischer Kontaktvorrichtungen, nicht allzu schwer auszuführen wäre, so kann ein solch weitgehendes Verfahren nur empfohlen werden.

Sind die lotrechten und wagerechten Bewegungen bei den verschiedenen oben angegebenen Belastungsarten gefunden, so werden nach Entlastung der Brücke die Höhenmarken über den Stützflächen nochmals gegen den Fixpunkt eingemessen, um allfällige Setzungen des Mauerwerks feststellen und bei der nun zu bestimmenden bleibenden Einbiegung (Differenz der gesamten und elastischen Einbiegung) in Rücksicht ziehen zu können.

Die gefundenen Maße dürfen keinesfalls gewisse Grenzwerte überschreiten, die teils theoretisch, teils praktisch festgestellt sind. Die zulässige Grenze für die elastische Einbiegung läßt sich für jede Konstruktion unter Voraussetzung ihrer zweckmäßigen Anwendung rechnerisch feststellen, wenn der Elastizitätsmodul für das zu verwendende Material hinreichend genau bekannt ist oder bestimmt wurde; dagegen steht die zulässige bleibende Einbiegung erfahrungsgemäß fest und hängt namentlich von der Anzahl der Knotenpunkte, der Trägerhöhe und dem Neigungswinkel der schiefen Zwischenglieder des Trägers ab; ebenso ist auch das zulässige Maß der Seitenschwankung empirisch bestimmt. Gewöhnlich drückt man diese Grenzwerte in Teilen der Stütz- oder Spannweite der Konstruktion aus und nimmt an, daß die bleibenden lotrechten Durchbiegungen in der Trägermitte sowie die elastischen Seitenschwankungen daselbst[107] zwischen 1/5000 und 1/4000 liegen, bzw. 1/10000 der Spannweite betragen dürfen.

In neuerer Zeit bestimmt man neben den Einbiegungsgrößen der Konstruktion auch die Spannungen in den verschiedenen Gliedern und damit insbesondere den Einfluß der steifen Knotenverbindungen, an deren Stelle man sich bei der Rechnung Gelenkverbindungen zu denken pflegt. Man benutzt hierzu die sog. Dehnungszeichner oder Dehnungsmesser, die die Längenänderung des Stabs infolge der Belastung in vergrößertem Maßstab wiedergeben.

Bei Brückenproben von Beton- und Eisenbetontragwerken, wo es sich um verhältnismäßig sehr kleine Durchbiegungen handelt, die in vielen Fällen nur Bruchteile eines Millimeters darstellen, sieht man sich genötigt, eigenartig gebaute Biegungsmesser anzuwenden, die die tatsächlich vorkommende Durchbiegung mittels Hebelübersetzung vergrößert zur Darstellung bringen. Bei allen diesen Apparaten gelangen doppelarmige Hebel zur Anwendung, deren kürzerer Arm mit dem zu messenden Objektpunkte entweder durch direkten Kontakt oder durch ein Zwischenmittel verbunden ist und deren längerer Arm die Lageänderung des Punktes, in der dem Verhältnisse der Hebelarme entsprechenden Vergrößerung anzeigt. Die mit direktem Kontakt arbeitenden Apparate (Fühlhebel) sind vorteilhaft dort anzuwenden, wo sie an festen, bis nahe an den betreffenden Objektpunkt reichenden Gerüsten befestigt werden können. Bei der anderen Gruppe solcher Biegungsmesser wird die Verschiebung des Meßpunktes mittels eines Spanndrahtes auf eine kleine Stahlrolle entweder bloß durch Reibung oder durch eine Zahnstange übertragen, welche Rolle mit einem Zeiger verbunden ist. Zu diesen Instrumenten gehören die Biegungsmesser von Griot, Fentzloff u.v.a.

Das Instrument von Griot ist ganz aus Metall hergestellt und besitzt eine Emailskala von 8 cm Durchmesser, auf der 0∙05 mm ablesbar sind (Abb. 93). Zur Handhabung dieses Biegungsmessers verwendet man gewöhnlichen Eisendraht von 1–2 mm Stärke, den man vorher etwas streckt, damit er gerade wird. Das angehängte Gewicht in Form eines beliebigen Stein- oder Eisenstückes richtet sich nach der Stärke des verwendeten Drahtes und beträgt rund 2 kg. Dieser Draht wird an dem zu beobachtenden Punkt des Betontragwerkes mittels eines eingeschlagenen Nagels oder in irgend einer anderen Art befestigt und das Instrument auf feststehender Unterlage in gewünschter Beobachtunghöhe mit dem Spanndraht so in Berührung gebracht, daß letzterer zwischen die beiden Rollen zu liegen kommt und diese tangiert (Abb. 94 u. Abb. 93). Zu diesem Zwecke drückt man die Rollenfeder beiseite und läßt sie nach Einführung des Drahtes wieder los. Die Kosten eines solchen Apparates belaufen sich auf rund 60 K. Der Biegungsmesser von Fentzloff beruht auf demselben Grundsatze (Abb. 95), nur besitzt er noch eine seitliche Führungsrolle und läßt sich dessen Fußgestell entweder an das Tragwerk oder auf das Beobachtungsgerüste festschrauben. Die Kosten betragen rund 80 K. Alle diese Instrumente haben den großen Vorteil der leichten Handlichkeit, des raschen Auf- und Einstellens, besitzen aber den Nachteil, daß sich in manchen Fällen Beobachtungsfehler einstellen, die in der Längenänderung des Spanndrahtes infolge Sonnenbestrahlung oder infolge zu großer Entfernung zwischen Tragwerk und Standpunkt des Instrumentes bedingt sind und daher falsche Formänderungen des Tragwerkes angeben. Aus diesem Grunde ging das Bestreben dahin, Instrumente zur Anwendung zu bringen, die den Spanndraht mit seinen Fehlern durch ein anderes Material ersetzen.[108]

In neuester Zeit gelangt bei solchen Tragwerken der Biegungsmesser Hermann zur Anwendung (Abb. 96). Dieser Apparat beruht darauf, daß die zu messende Durchbiegung durch einen im betreffenden Punkt a des Objektes mittels des Kugelgelenkes G befestigten, nach Bedarf aus mehreren Teilen zusammengesetzten starren Stab S durch Klemmung des letzteren in der drehbar gelagerten Hülse H zwangläufig auf den kürzeren Arm eines Hebels übertragen wird. Der längere Arm des Hebels ist als Zeiger Z ausgebildet und zeigt das Maß der Verschiebung auf dem entsprechend eingeteilten Kreise K des auf einer festen Stütze b befestigten Biegungsmessers an. Der Stab S ist aus Bambusrohr hergestellt, welches Material für Wärme- und Temperaturschwankungen ziemlich unempfindlich ist. Die Verbindung der einzelnen 1 m langen Stäbe erfolgt mit genau zugearbeiteten Schraubengewinden. Sind mehrere Stäbe erforderlich, so werden sie zur Erzielung einer größeren Widerstandsfähigkeit gegen Luftströmungen am unteren Ende mit einem 2 bis 4 kg schweren Gewichte belastet. Die Hebelübersetzung beträgt 1 : 10 und können dabei Hundertstelmillimeter mit hinreichender Genauigkeit abgelesen werden. Der Preis eines vollständigen Apparates beträgt 160 K.

Zur erstmaligen Hauptprüfung einer Brücke hat die Bahnverwaltung eigene Beilagen vorzubereiten, in die die Ergebnisse und Wahrnehmungen der B. eingetragen werden. In der Regel sind dies 4 Beilagen, deren Inhalt mit den Brückenbüchern I–IV (s. Brückenbuch) übereinstimmt. Handelt es sich um eine der periodischen Belastungsproben, so werden deren Ergebnisse im Brückenbuche V festgehalten.

Zu dem vorstehend Mitgeteilten ist noch zu bemerken, daß die Belastungsprobe nur bei Windstille oder geringer Luftbewegung sowie bei bedecktem Himmel vorgenommen werden soll; insbesondere ist der Einfluß der Sonnenstrahlen ein ganz erheblicher.

Bei der gewöhnlichen Anordnung der Brücken mit zwei Fachwerksträgern wird – selbst für den Fall, daß beide Träger nach außen frei liegen – immer eine Gurtung durch die Plattform im Schatten sein. Ist der Träger voll beschienen, so erfährt er eine gleichmäßige Ausdehnung nach allen Richtungen, vorausgesetzt, daß durch Anbringung einer beweglichen Auflagerkonstruktion an dem einen Ende eine Längenausdehnung ermöglicht ist. Hierbei werden alle Punkte des Trägers, die in der geraden Verbindungslinie seiner beiden Stützpunkte liegen, ihre Höhenlage unverändert beibehalten. Ist jedoch die[109] obere Gurtung eines Trägers (I in Abb. 97) beschattet, die untere aber beschienen, so wird sich nur letztere entsprechend der Temperaturzunahme ausdehnen und der Träger eine Krümmung nach unten erleiden. Noch auffallender ist es, wenn nur die obere Gurtung von der Sonne getroffen wird (s. Träger II, Abb. 98); in diesem Fall wird der Träger eine Krümmung nach oben erleiden und sich bei längerer Beobachtung mit seiner Belastung heben, anstatt, wie erwartet, einsenken. Dieser Einfluß der Temperatur ist von Bender in Amerika und Professor Mohr als sehr bedeutend nachgewiesen worden; nach den Erfahrungen der Genannten können die beobachteten Temperaturunterschiede zwischen Ober- und Untergurt bis 20° C betragen, wobei ein Träger mit einfachem Ausfüllungssystem und beweglichem Ende bei 10 m Stützweite höchstens 3 mm, bei 100 m Weite höchstens 30 mm Durchbiegung, bzw. Überhöhung erleidet. Selbst plötzlich auftretende kältere oder wärmere Windströmungen sind im stande, kleine lotrechte Bewegungen in einem Träger hervorzubringen. Hiernach empfiehlt es sich, Messungen, die längere Zeit beanspruchen, ganz zu unterlassen, jedenfalls nur bei bedecktem Himmel und ruhiger Luft vorzunehmen.

Während und nach vollzogener Belastung werden alle Konstruktionsteile und Verbindungen einer eingehenden Besichtigung unterzogen, um allenfalls sichtbare Mängel in der Ausführung, ungewöhnliche Spannungszustände oder Lockerungen sofort in dem über den ganzen Gang der Erprobung aufzustellenden Protokoll verzeichnen und eine sofortige Abstellung dieser Mängel veranlassen zu können.

Der amtlichen Probebelastung wohnt ein amtliches Fachorgan, der Bessteller, bzw. ein Vertreter der vergebenden Verwaltung und der Unternehmer oder dessen Vertreter bei, die alle das vorerwähnte Protokoll unterzeichnen. Die Kosten der Probebelastung trägt gewöhnlich der Besteller, manchmal der Unternehmer, je nach dem bei der Vergebung aufgestellten Übereinkommen. Wurden bei Besichtigung der Konstruktion keine Mängel gefunden, oder sind die gefundenen beseitigt worden, was nötigenfalls durch eine zweite Probebelastung nachzuweisen ist, so steht der vollen Inbetriebsetzung der über die Brücke führenden Fahrbahn nichts mehr im Weg. Die Abrechnung mit dem Unternehmer erfolgt dann gewöhnlich sofort; jedoch wird eine bereits bei Vergebung der Lieferung zu leistende Sicherstellung von 5–10% der ganzen Akkord-, bzw. der Voranschlagssumme gewöhnlich 1 Jahr, in manchen Fällen (Eisenbetontragwerke) bis 3 Jahre zurückbehalten. Nach Ablauf dieser Zeit findet die zweite (End-) Untersuchung statt, die, wie vorher, in einer Besichtigung der Konstruktionsteile sowie des Anstrichs besteht. Bei günstigem Ausfall wird die Gewährsumme freigegeben und damit der Lieferant jeder weiteren rechtlichen Haftbarkeit enthoben.

Nowak.

Abb. 86.
Abb. 86.
Abb. 87.
Abb. 87.
Abb. 88.
Abb. 88.
Abb. 89.
Abb. 89.
Abb. 90.
Abb. 90.
Abb. 91.
Abb. 91.
Abb. 92.
Abb. 92.
Abb. 93. Biegungsmesser System Griot.
Abb. 93. Biegungsmesser System Griot.
Abb. 94.
Abb. 94.
Abb. 95. Biegungsmesser »System Fentzloff«.
Abb. 95. Biegungsmesser »System Fentzloff«.
Abb. 96. »System Hermann«.
Abb. 96. »System Hermann«.
Abb. 97.
Abb. 97.
Abb. 98.
Abb. 98.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 105-110.
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