Braunschweigische Eisenbahnen

[1] Braunschweigische Eisenbahnen. Die im Herzogtum Braunschweig gelegenen Eisenbahnen umfassen Linien der ehemaligen braunschweigischen Eisenbahngesellschaft – seit 1884 preußische Staatsbahnen, – ferner Stücke der Privatbahnlinien Halberstadt-Blankenburg, der braunschweigischen Landeseisenbahn und der Braunschweig-Schöninger Eisenbahn.

1. Braunschweigische Eisenbahngesellschaft. Das Herzogtum Braunschweig war der erste Staat Deutschlands, der eine Eisenbahn auf eigene Kosten erbaute und in Betrieb nahm. Der braunschweigische Finanzdirektor August von Amsberg trat schon 1824 für den Plan einer Schienenverbindung der Städte Braunschweig und Hannover mit den Seestädten Hamburg und Bremen ein. Wenn auch die Regierung von Braunschweig zur Verwirklichung dieses Plans alles Wohlwollen betätigte, so scheiterte doch das Unternehmen schon an den vielfachen Bedenken und Vorurteilen, die man den Eisenbahnen damals noch entgegenbrachte. Erst 10 Jahre später wurde der Gedanke wieder aufgenommen, und trat die braunschweigische Regierung mit der hannoverischen in Verhandlungen. Ihr Ergebnis war der Vertrag vom 30. April 1834 – der erste deutsche Staatsvertrag über Anlegung von Eisenbahnen – wonach Hannover für den Fall der Herstellung von Eisenbahnen zwischen den Städten Hannover, Bremen und Harburg die Anschlüsse von Braunschweig aus gestattete. Allein die hannoverische Regierung zögerte, ihre Zusicherung einzuhalten, da man dem Wettbewerb infolge der Einbeziehung Braunschweigs in das hannoverische Netz fürchtete.

Nun faßte Amsberg den Plan, zunächst im eigenen Lande eine Eisenbahn, u. zw. auf Staatskosten, zu bauen, und dann die Fortsetzungen, u. zw. zuerst nach dem Harz, in Angriff zu nehmen. Die Regierung war alsbald gewonnen, und als die Landstände das für die Erbauung der Bahn notwendige Kapital bewilligt hatten, konnte mit der Ausführung im Sommer 1837 begonnen werden. Die Arbeiten wurden derart gefördert, daß die Bahn bis Wolfenbüttel (11∙75 km) schon am 30. November 1838 betriebsfähig war. Die ganze Bahn war vorläufig nur für den Personenverkehr bestimmt und auch der Maschinen- und Wagenpark bestand zunächst nur aus 3 in England beschafften Dampfwagen und 12 Personenwagen, von denen nur einer in England, die übrigen in Braunschweig gebaut waren. Der Güterverkehr wurde erst später eröffnet.

Im Februar und April 1841 kamen Staatsverträge mit Preußen und Hannover zu stände, wonach nunmehr die Verbindung Braunschweigs mit Magdeburg und Hannover durch Erbauung der Bahnen von Wolfenbüttel nach Oschersleben (53∙90 km) und von Braunschweig nach Hannover, d.h. Braunschweig bis Landesgrenze bei Vechelde (18∙58 km) sichergestellt wurde. Mit Eröffnung dieser Linien am 10. Juli 1843 und 19. Mai 1844, war eine große Verkehrstraße zwischen dem Westen und Osten Deutschlands geschaffen. Allmählich wurde das Netz erweitert. Zunächst wurde am 5. August 1856 die Bahn von Börssum nach Kreiensen (60∙54 km) dem Betrieb übergeben und der Anschluß an die Hannover-Kassel-Frankfurter Bahn erreicht. Nachdem die Strecke Jerxheim-Helmstedt (23∙20 km) am 20. Juli 1858 eröffnet war, trat, abgesehen von der Herstellung der Zweigbahn Büddenstedt-Trendelbusch (4∙22 km), bis 1864 ein Stillstand in dem Weiterausbau ein. Erst am 10. Oktober 1865 konnte die Strecke Kreiensen-Holzminden (46∙66 km) dem Betrieb übergeben werden; als am 1. Juli 1868 auch die Strecke Jerxheim-Börssum (23∙20 km) vollendet wurde, war damit über die Strecke Oschersleben-Holzminden eine neue Verbindung zwischen Berlin-Magdeburg und der westfälischen Eisenbahn geschaffen1.

Im Jahre 1870 wurden die im Betrieb stehenden Linien an die Darmstädter Bank verkauft, u. zw. unter glänzenden finanziellen Bedingungen, indem dem Land Braunschweig nicht nur eine Kaufsumme von 11 Mill. Talern; sondern überdies für die Zeit von 64 Jahren (bis 1932)[1] noch der Genuß von jährlich 875.000 Talern gesichert war. Die Darmstädter Bank trat die Bahnen an eine Privatgesellschaft ab, die unter der Firma »Braunschweigische Eisenbahngesellschaft« 1871 ins Leben gerufen wurde. In der Zeit der Privatverwaltung erfuhr das Netz keine nennenswerte Ausdehnung, da die Gesellschaft zunächst mit den Wirkungen der finanziellen Krise von 1873 und 1874 zu kämpfen hatte und außerdem in allen finanziellen Unternehmungen an die Zustimmung der Bergisch-Märkischen und Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn gebunden war, die die gesamten Aktien der braunschweigischen Eisenbahngesellschaft an sich gebracht hatten. Es gelangten zur Eröffnung: die Linien Seesen-Gittelde (Landesgrenze) am 1. September 1871 (15∙42 km), Braunschweig-Königslutter am 1. Juli 1872 (23 km), Königslutter-Helmstedt am 15. September desselben Jahres (16 km), ferner Neuekrug-Langelsheim am 15. September 1877 (9∙81 km), Salzderhelden-Einbeck am 10. September 1879 (4∙21 km), Langelsheim-Goslar (7 km) und Goslar-Grauhof (6 km) am 1. März 1883. Außerdem hatte die braunschweigische Eisenbahngesellschaft die preußische Staatsbahnstrecke Vienenburg-Goslar und die Ilmebahn in Betrieb. Als in den Jahren 1880 und 1882 die Bergisch-Märkische und Berlin-Potsdam-Magdeburger Bahn verstaatlicht wurden, ging ihr Besitz an Aktien der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft auf den preußischen Staat über; später wurden die Bahnen dem Netz der preußischen Staatsbahnen einverleibt (Staatsvertrag zwischen Preußen und Braunschweig vom 27. und 30. Juni 1884, Vertrag mit der braunschweigischen Eisenbahngesellschaft vom 31. Dezember 1884 und 3. Januar 1885, Gesetz vom 23. Februar 1885). Am 1. April 1885 übergab die Direktion der braunschweigischen Eisenbahngesellschaft die Verwaltung und den Besitz des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens an die vom preußischen Staat eingesetzte Behörde, die »königliche Direktion der braunschweigischen Eisenbahn«.

Der preußische Staat gewährte den Inhabern der Aktien (36 Mill. M.) bis zum Eintritt der Liquidation eine feste jährliche Rente von 1½% des Nennbetrages, also von 9 M. für die Aktie von 600 M. und übernahm die Prioritätsschuld (13 Mill. M.), sowie die 5%ige Rentenschuld von 50,187.699 M. Nachdem die kgl. Direktion der braunschweigischen Bahnen die Aufgabe der Überleitung in die neuen Verhältnisse erfüllt hatte, wurde sie mit 1. April 1886 aufgehoben und der größte Teil des Netzes dem Eisenbahndirektionsbezirk Magdeburg, der Rest der kgl. Eisenbahndirektion Hannover unterstellt. Die preußische Staatsregierung hat sich den Ausbau der B. in weitem Umfange angelegen sein lassen. Die preußischen Staatsbahnen im Herzogtum Braunschweig haben zurzeit einen Umfang von rund 433 km, darunter 342 km Hauptbahnen.

2. Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn mit dem Sitz der Gesellschaft und Direktion in Blankenburg (Harz), ist infolge des Staatsvertrages zwischen Braunschweig und Preußen vom 19. November 1869 von der braunschweigischen Regierung unterm 16. April 1870 und von der preußischen Regierung am 8. Juli 1870 für die Strecke Halberstadt-Blankenburg (18∙87 km) konzessioniert worden. Am 29. Juli 1870 wurde mit dem Bau bei Blankenburg begonnen und die Bahn am 31. März 1873 dem Betrieb über geben. Von dieser Bahn liegt nur das Stück Blankenburg bis Börnecke auf braunschweigischem Gebiet (4∙14 km), während der Teil Halberstadt-Börnecke zu dem preußischen Regierungsbezirk Magdeburg gehört (14∙73 km). Im Jahre 1875 schritt die Gesellschaft auf Grund einer Konzession vom 30. Oktober 1874 an die Herstellung einer Bahn von Blankenburg nach den Harzer Werken zu Rübeland und Zerge (3∙46 km). Diese auf braunschweigischem Boden gelegene Eisenbahn, die fast ausschließlich für die Beförderung der Hüttenerzeugnisse diente, wurde am 24. Juli 1875 er öffnet. In den Jahren 1884 und 1885 hat die braunschweigische Regierung den weiteren Ausbau der Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn in der Richtung nach Tanne in den Harz durch finanzielle Unterstützung ermöglicht und es wurden die Linien Blankenburg-Hüttenplatz (3∙4 km), Hüttenplatz-Rübeland (10∙10 km), Rübeland-Elbingerde (3∙90 km), Elbingerde-Rothehütte (6∙35 km) und Rothehütte-Tanne (6∙80 km) unterm 20. Dezember 1884 und 20. April 1885 konzessioniert. Die Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn ist eine normalspurige Nebenbahn und bietet besonders in der Strecke Blankenburg-Tanne insofern ein hervorragendes Interesse, als hier zum ersten Mal für eine gleichzeitig dem Personen- und Güterverkehr dienende Bahn die Abtsche Zahnstange zur Anwendung gekommen ist, u. zw. abwechselnd mit Strecken von geringerer Steigung, auf denen Adhäsionsbetrieb stattfindet. Die Länge der Halberstadt-Blankenburger Bahn beträgt zur zeit rund 87 km.

3. Braunschweigische Landeseisenbahn, Privateisenbahngesellschaft, die in besonderer[2] Berücksichtigung der örtlichen Interessen 1885 gebildet worden ist und ihren Sitz in Braunschweig hat. Mit Konzession der preußischen und braunschweigischen Staatsregierung vom 6. April 1885, bzw. 16. Februar desselben Jahres wurde der braunschweigischen Landeseisenbahngesellschaft die Bewilligung zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn untergeordneter Bedeutung mit normaler Spurweite für die Linien von Braunschweig über Derneburg nach Seesen und von Wolfenbüttel über Fümmelse zu einem am Hohenweg gelegenen Anschlußpunkt an die erstere Strecke erteilt, die braunschweigische Regierung hatte eine Beihilfe von 10.000 M. für das km dem Unternehmen zugesichert. Die Strecke Braunschweig-Seesen wurde stückweise (vom 18. Juli 1886 bis 1. Mai 1889) dem Betrieb übergeben.

Die Länge der braunschweigischen Landeseisenbahn beträgt zurzeit 108 km. Davon liegen rund 79 km auf preußischem, der Rest auf braunschweigischem Gebiet.

4. Braunschweig-Schöninger Eisenbahn. Die Strecken dieser Bahn, die von einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Braunschweig verwaltet wird, im Umfange von rund 69 km liegen bis auf rund 2 km auf herzoglich braunschweigischem Gebiete.

Quaatz.

1

v. Mühlenfels im Archiv für Eisenbahnwesen. 1889, S. 42 ff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 1-3.
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