Hamburger Schnellbahnen

[107] Hamburger Schnellbahnen.


1. Allgemeines.


Der Staat Hamburg zählte am 1. Januar 1912 auf einem Gebiet von 77 km2 – abzüglich 10 km2 Wasserfläche – rd. 960.000 Einwohner; mit seinen Schwesterstädten ist es schon lange zu den Millionenstädten zu rechnen. Das Gesamtwirtschaftsgebiet ist von Schnellbahnen preußischer und hamburgischer Staatszugehörigkeit eng durchflochten (Abb. 40). Der elektrisch betriebene Hauptstrang der preußischen Linien, die sog. »Stadt- und Vorortbahn«, verläuft neben der Fernbahnstrecke Hamburg-Altona und reicht westlich bis Blankenese, östlich bis Ohlsdorf. Die Hamburger elektrischen Schnellbahnen, die sog. »Hochbahn«, verteilen sich frei über das Gebiet des hamburgischen Staates und erhalten zahlreiche Anschlußlinien in die Außengebiete.

Die Stadt- und Vorortbahn ist aus einer Dampfvollbahn zum elektrischen Betriebe umgewandelt; die Hochbahnlinien sind für den elektrischen Betrieb neu angelegt und haben Kleinbahncharakter.


2. Stadt- und Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf.


Die Vorbereitungen zu ihrer Elektrisierung reichen bis 1894 zurück. Die in den Jahren 1901 und 1902 von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG.) und der später mit ihr verschmolzenen Union-Elektrizitäts-Gesellschaft (UEG.) sowie von Siemens & Halske (S. & H.) eingereichten ersten Entwürfe sahen Gleichstrombetrieb vor. Als aber um diese Zeit Winter-Eichberg mit ihrem Einphasenwechselstrommotor hervortraten, wurde beschlossen, das Ergebnis der damit am 15. August 1903 auf der Berliner Vorortlinie Niederschöneweide-Spindlersfeld (4∙1 km) begonnenen Proben abzuwarten. Die genannten und eine Reihe anderer Firmen erhielten Anfang 1904 den Auftrag, die Linie Blankenese-Ohlsdorf für einphasigen Wechselstrom von 25 Perioden und 6000 Volt Spannung mit Oberleitung auszurüsten. Vom 1. Oktober 1907 ab wurden die Dampfzüge nach und nach zurückgezogen; am 29. Januar 1908 setzte der elektrische Vollbetrieb ein.[107]

Bahnlinie. Die Ausdehnung der als zweigleisige offene Strecke mit kleinstem Halbmesser von 250 m und stärkster Steigung von 1 : 80 angelegten Bahn beträgt 26∙6 km. Sie setzt sich zusammen aus der das verkehrsreiche Stadtgebiet zwischen dem Hauptbahnhof Altona und Barmbeck durchziehenden Stadtstrecke – 13∙7 km – und den Vorortstrecken von Barmbeck nach Ohlsdorf (Hamburger Zentralfriedhof, Krematorium) – 3∙9 km – und von Altona nach Blankenese – 9∙0 km. Die Bahn hat 17 Stationen, deren Entfernungen im Mittel 1∙67 km betragen.

Betriebsmittel. Die Züge sind aus Einheiten von kurz gekuppelten dreiachsigen Wagenpaaren mit beiderseitigen Führerständen nach Abb. 41 zusammengesetzt. Die älteren Wagenpaare der AEG., zurzeit noch die Mehrzahl, haben 3 Winter-Eichberg-Triebmaschinen von je rd. 115 PS.-Stundenleistung in der in der Abbildung angegebenen Verteilung, die mit einer Zahnradübersetzung von 1 : 4∙22 auf die 1 m großen Triebräder einwirken. Die neueren Wagenpaare der AEG. besitzen nur zwei Motoren von je 200 PS. in einem der beiden Drehgestelle der Zugeinheit. Die von den SSW. ausgerüsteten Wagenpaare haben 2 Triebmaschinen, die älteren von je rd. 150 PS., die neueren von je rd. 180 PS.-Stundenleistung, bei einer Zahnradübersetzung von 1 : 3∙65. Das Leergewicht eines betriebsfertigen neueren Paares beträgt 62 bis 63 t gegen 69 bis 71 t bei der älteren Bauart. Der Stromverbrauch beträgt auf das t km nach vorgenommenen Meßfahrten 33 bis 35 Wattstunden, während die Firmen 40∙5 bis 42 Wattstunden gewährleisteten. Das Wagenpaar kostete rd. 106.000 M.

Die vom Fahrdraht durch Bügel oder Scheren abgenommene mittlere Stromspannung von 6000 Volt wird am Wagen durch einen Leistungsumformer auf die Triebmaschinenspannung von 450 oder 720 Volt heruntergeformt und durch die Fahrschienen zur Kraftquelle zurückgeleitet. In den Werkstätten und Wagenschuppen des Betriebsbahnhofs Ohlsdorf kommt aus Sicherheitsgründen Strom von nur 300 Volt zur Verwendung, der von seitlich verlegten Oberleitungsdrähten durch Dickinsonsche Rollen abgenommen wird, deren jedes Wagenpaar zwei – eine für jede Fahrrichtung – trägt. Wird einer dieser Stromabnehmer zwecks Anlage an die Niederspannungsleitung freigemacht, so fallen die Hochspannungsbügel selbsttätig herab und der Leistungstransformator wird ausgeschaltet.

Stromversorgung. Die Fahrleitung ist in Vielfachaufhängung mit einfacher Kette verspannt. Der regelrecht 5∙2 m über Schienenoberkante hängende gerillte Fahrdraht a (Abb. 42 und 43) von 90 mm2 Querschnitt ist an einen stählernen Hilfstragdraht b von 6 mm Durchmesser geklemmt, der wiederum in Abständen von höchstens 6 m an dem 35 mm2 starken verzinkten Stahldrahttrageseil c aufgehängt ist. Im ganzen sind 67 km Einfachgleise überspannt; die Ausrüstung einschließlich Speiseleitungen kostete für das Gleis km rd. 26.000 M.

Die Fahrleitungen werden an 7 Speisepunkten mit 6300 Volt Wechselstrom beschickt, teils direkt aus einpoligen Speiseleitungen, teils aus Transformatoren, deren Primärseiten durch zweipolige Speiseleitungen Wechselstrom von 30.000 Volt erhalten. Die Speiseleitungen werden teils direkt von dem am Nordende[108] des Hauptbahnhofs Altona gelegenen Hauptkraftwerk, teils von einem auf Bahnhof Barmbeck befindlichen Unterwerk beschickt. Die Kosten des Hauptkraftwerkes betrugen rd. 3∙6 Mill. M.

Betrieb. Zurzeit werden die Züge aus Wagenpaaren zusammengesetzt, deren jedes durchschnittlich 122–124 Sitzplätze enthält; die unbesetzten Führerabteile sind den Fahrgästen geöffnet. Die Züge führen die II. und III. Klasse; Raucher sind nicht zugelassen. Die Zugfolge verdichtet sich zwischen Sternschanze und Hasselbrook bis auf 21/2 Minuten, auf den Außenstrecken bis auf 10 Minuten. Um die Aufenthaltsdauer auf dem Kopfbahnhof Altona auf die der Durchgangsstationen – rd. 30 Sekunden – herabzudrücken, wird hier an besonders verkehrsreichen Tagen das Zugpersonal – Wagenführer und Schaffner – gewechselt und dadurch eine Gesamtfahrzeit zwischen den Bahnendpunkten auf 52 Minuten erzielt. Die größte Fahrgeschwindigkeit der Züge beträgt 50 km, die mittlere 36∙3 km. Die mittlere Reisegeschwindigkeit, im Dampfbetrieb 22 km, stieg im elektrischen auf 30∙5 km.

Fahrpreise. Zur Ausgabe gelangen Einzelfahrkarten, Monatskarten III. und II. Klasse, Arbeiterwochen-, Militär- und Schülerkarten. Auf der »Stadtstrecke« Altona-Barmbeck – 13∙7 km – betragen die Fahrpreise in der III. und II. Klasse bis zur dritten auf die Einsteigehaltestelle folgenden Station 10 und 15 Pf.; darüber hinaus 20 und 30 Pf. Für die Außenstrecken gelten die Sätze des normalen Kilometertarifs, im Übergang von der Stadtstrecke zu einer Außenstrecke werden die Fahrpreise durch Anstoß gebildet. Die Monatskarten kosten ausschließlich Fahrkartensteuer im Bereich der Stadtstrecke für die III. und II. Klasse bis zu 5∙5 km 3∙3 und 5∙0 M., bis 9∙6 km 5∙3 und 8∙0 M., darüber 7∙3 und 11∙0 M. Auf den Außenstrecken gilt der normale Zeitkartentarif; im Übergang von Stadt- zu Außenstrecke werden die normalen Zeitkartenfahrpreise erhoben, soweit sich nicht durch Anstoß geringere Beträge ergeben. Monatsnebenkarten sind auf die Hälfte ermäßigt. Für Arbeiterwochen-, Militär- und Schülerkarten gelten die normalen Sätze.

Verkehr. Die Stadtbahn erfreut sich beim Publikum großer Beliebtheit. Der Verkehr betrug in den Jahren 1908/09 bis 1911/12: 36∙9, 47∙5, 57∙3 und 65∙6 Millionen Fahrgäste. Die dauernde Verkehrssteigerung wird durch die »Stadtflucht« der Großstädter mächtig gefördert, die ihre Wohnstätten aus dem Geschäftsviertel in die auch als Ausflugsziel sehr beliebten Landhaussiedelungen zwischen Blankenese und Altona und in die neuen stark bevölkerten nördlichen Stadtgegenden Hamburgs verlegen. An Sonn- und Feiertagen werden die großartigen Friedhofsanlagen in Ohlsdorf viel besucht.

Die Stadt- und Vorortbahn wird zurzeit durch die vollspurige Hauptbahn von Ohlsdorf nach Poppenbüttel – Alstertalbahn – erweitert; vgl. Abb. 40. Sie wird von der Terraingesellschaft der Alstertalbahn unter Aufsicht und weitestgehender Einflußnahme des preußischen Staates erbaut und teils elektrisch, teils mit Dampf betrieben. Zu ihrer Vollendung und Ausrüstung sind 2∙183 Mill. M. bereitgestellt, wovon 1/2 Million M. durch Aktienbegebung aufzubringen sind. Den Rest stellt[109] die Terraingesellschaft als nicht rückzahlbaren unverzinslichen Zuschuß zu den Baukosten zur Verfügung.


3. Die Hochbahn und Untergrundbahn.


Geschichte. Bereits 1893, da Hamburg erst 580.000 Einwohner zählte, arbeitete der Oberingenieur F. Andreas Meyer einen Entwurf für eine vom preußischen Staate zu betreibende Vorortringbahn mit Abzweigung nach Ohlsdorf aus. Anfangs 1894 folgten Konzessionsgesuche für eine Hoch- und Untergrundbahn von Dr.-Ing. C. O. Gleim in Verbindung mit Siemens & Halske (S. & H.) und von Fr. Th. Avé-Lallemant für die AEG. Die beiden Firmen einigten sich dann zu gemeinsamem Vorgehen, demzufolge Gleim und Avé-Lallemant einen neuen gemeinsamen Entwurf einreichten. Etwa gleichzeitig trat Eugen Langen mit dem Entwurf für eine – damals zweischienige – Schwebebahn hervor, der aber von der Senats- und Bürgerschaftskommission für das Verkehrswesen abgelehnt wurde. Da sich die Kommission im weiteren dafür aussprach, die Schnellbahn unabhängig vom preußischen Staatsbahnnetz zu erbauen, wurde 1899 von der Elektrizitäts-A. G. vormals Schuckert & Co. in Nürnberg ein Plan für eine Standschnellbahn,[110] gleichzeitig von der Kontinentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Nürnberg ein neuer Schwebebahnentwurf vorgelegt. S. & H. und die AEG. beschlossen darauf, ihre Pläne unter eigenem Namen weiter zu verfolgen und erklärten sich im März 1899 bereit, sie auf eigene Rechnung durchzuführen. Ein neuer Wettbewerber entstand in der Union-Elektrizitätsgesellschaft in Verbindung mit der Straßeneisenbahngesellschaft in Hamburg, die ein Unterstraßenbahnnetz nach Bostoner Muster anzulegen wünschten. Auf Veranlassung des Senats einigten sie sich jedoch mit S. & H. und der AEG. zu einer neuen Gruppe, die Ende 1900 ein Angebot einreichte. Drei Jahre später schied die Straßenbahngesellschaft aus dem Interessenverbande aus, nachdem die UEG. in der AEG. aufgegangen war. Nebenher lief der Kampf zwischen den Anhängern der Standbahn und der Schwebebahn weiter, der schließlich damit endete, daß ein von dem Oberingenieur Petersen für die Kontinentale Gesellschaft ausgearbeiteter Schwebebahnentwurf am 30. Januar 1904 von der Bürgerschaft mit 90 gegen 41 Stimmen endgültig abgelehnt wurde. Ein abgeänderter Entwurf der Firmengruppe S. & H. und AEG. wurde angenommen, in dem eine Ringlinie von 17∙48 km und 3 Zweiglinien nach Ohlsdorf von 5∙38 km, nach Rothenburgsort von 3∙23 km und nach Eimsbüttel von 1∙76 km Ausdehnung vorgesehen waren. 1905 wurde mit den Firmen ein Bauvertrag geschlossen, in dem die Bausumme auf rd. 41∙5 Mill. M. festgelegt war, die sich durch Nachverträge auf rd. 42∙8 Mill. M. erhöhte. Die Nachträge beziehen sich auf Erweiterungen und Haltestellen; für die Ausdehnung der Eimsbütteler Zweiglinie auf 2∙66 km sind weitere 2∙5 Mill. M. vorgesehen. Dazu kommen noch rd. 5∙4 Mill. M. vom Staate zu tragende Kosten für Straßenänderungen und Nebenarbeiten sowie die Grunderwerbskosten. Am 1. Juli 1906 wurde mit dem Bau begonnen, am 3. Februar 1908 den Gesellschaften auf Grund öffentlicher Ausschreibung die Genehmigung zum Betriebe der Bahn auf 40 Jahre erteilt und am 25. Januar 1909 der Betriebsvertrag unter der Bedingung abgeschlossen, daß die Betriebsübernehmer eine besondere Gesellschaft mit einem Aktienkapital von mindestens 15 Mill. M. zu gründen haben, die auf ihre Kosten die Betriebseinrichtungen – Kraftwerk, Stromleitungen, Betriebswerkstätten und Wagenschuppen, Betriebsmittel und Sicherungsanlagen – beschafft. Nach Ablauf der Konzession gehen die unbeweglichen Betriebseinrichtungen und Betriebsgebäude, die Krafterzeugungsstätten nebst den sonstigen Betriebsstätten und Leitungen unentgeltlich in den Besitz des hamburgischen Staates über. Der Betriebsvertrag regelt die Fahrpreise, die Staatsabgaben u.a.m. Die Begründung der Betriebsgesellschaft erfolgte am 27. Mai 1911 unter der Firma »Hamburger Hochbahn-Aktiengesellschaft«. Am 1. März 1912 wurde die erste Teilstrecke der Ringlinie vom Rathausmarkt nach Barmbeck in Betrieb genommen, die am 10. Mai bis Kellinghusenstraße, am 25. Mai bis Millerntor, am 29. Juni 1912 auf den vollen Ring (17∙48 km) ausgedehnt wurde.

Um die endgültige Entwurfsbearbeitung, die von den älteren Bearbeitungen vielfach abwich, hat sich der Bauleiter der Hochbahn und jetzige Direktor der Betriebsgesellschaft, W. Stein, besonders verdient gemacht. Die endgültige Gestaltung des Liniennetzes ist in Abb. 44 gezeigt.

Bahnlinie. Die mit der Vollspur und durchweg zweigleisig ausgeführte Bahn hat[111] insgesamt 35 Haltestellen; 23 auf der Ringlinie und 12 auf den Zweigen. Die kleinste Haltestellenentfernung beträgt 462 m, die größte 2238 m, die mittlere auf der Ringbahn 760 m, für das ganze Bahnnetz rd. 821 m. Bei der durchschnittenen Natur des Geländes verläuft die Bahn in bunter Folge teils im Tunnel mit gerader oder gewölbter Decke (Abb. 45 u. 48), auf steinernen und eisernen Viadukten in Straßen von 30 bis 37 m Breite, über Brücken, auf Dämmen und in Einschnitten. Der tiefste Punkt liegt 4∙1 m, der höchste 21∙75 m über Hamburger Normal-Null; der Höhenunterschied beträgt also 17∙65 m. Nichtsdestoweniger sind die Steigungen nicht ungünstig, mit Ausnahme zweier Steilrampen von 1 : 20∙7 zwischen Rathausmarkt und Rödingsmarkt (Abb. 46), und von 1 : 22∙7 auf der Zweigstrecke nach Rothenburgsort. Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt 71 m.

Die Haltestellen auf der östlichen Seite des Netzes zwischen Landungsbrücken und Dehnhaide haben Außenbahnsteige, alle anderen Mittelbahnsteige von einer Länge, die ausreicht, um Züge von 5 Wagen abzufertigen. Besondere Formen zeigt die für Richtungsbetrieb eingerichtete viergleisige Haltestelle Hauptbahnhof (Abb. 47 und Abb. 48), deren Mittelbahnsteige durch Quergänge über den Gleisen miteinander und durch einen Personentunnel mit dem Hauptbahnhof der preußischen Staatsbahn verbunden sind sowie die Haltestelle Sternschanze, von der Treppen zur gleichnamigen Staatsbahnstation führen. Aus Abb. 45 ist das Profil des lichten Raumes und der Fahrzeugumgrenzungen zu ersehen.

Betriebsmittel. Die erwähnten steilen Rampen nötigten dazu, die Züge ausschließlich aus Triebwagen zusammenzusetzen, deren Leergewicht 24 t beträgt. Sie haben 2 Drehgestelle mit 0∙8 m großen Rädern, sind für Vielfachsteuerung ausgerüstet und besitzen 2 Wendepolmotoren von je 100 PS., mit denen eine Anfahrbeschleunigung von 0∙67 m Sek. erreicht wird.

Alle wichtigen Abmessungen, Aufbau und Raumverteilung der Wagen sind aus Abb. 49 zu ersehen. Da einige Haltestellen in Krümmungen bis zu 180 m angelegt sind, ist der Wagenboden 25 cm über der Bahnsteigoberkante und so angeordnet, daß der Wagenkasten den Bahnsteig übergreift. Jeder Triebwagen hat 35 Sitzplätze und 70 Stehplätze. Die Hälfte der Wagen führt die III. Klasse; die übrigen sind aus Abteilungen III. und II. Klasse zusammengesetzt (Abb. 49); Raucher sind nicht zugelassen.

Stromversorgung. Der Betriebsstrom wird einer außerhalb der Gleise verlaufenden dritten Schiene entnommen, die nach amerikanischer Art vom Stromabnehmer auf der Unterkante befahren wird, im übrigen mit Holz umhüllt ist. Die Speisepunkte befinden sich am Ringe und werden teils direkt von dem auf dem Gelände des Betriebsbahnhofs bei Barmbeck befindlichen Hauptkraftwerk,[112] teils von Unterwerken in der Nähe der Haltestellen Kellinghusenstraße und Hauptbahnhof beschickt, die vom Kraftwerk mittels dreier Kabel von je 500 mm2 Querschnitt bezogenen hochgespannten Drehstrom von 6000 Volt auf die Betriebsspannung von 800 Volt Gleichstrom umformen, der an die Stromschienenbezirke abgegeben wird.

Zugsicherung. Die Sicherung der Züge erfolgt mittels eines sechsfeldrigen Blocksystems Siemens & Halskescher Bauart, bei dem die Mitwirkung des Wärters noch weiter als bisher eingeschränkt ist.

Betrieb. Der Hochbahnring wird mit Zügen von 2 bis 4 Wagen befahren; die Umfahrzeit beträgt bei einem mittleren Stationsaufenthalt der Züge von 15 Sek. 39 bis 40 Min. 1912 beliefen sich die Betriebsleistungen auf rd. 1∙8 Mill., 1913 auf 2∙9 Mill. Zug km.

Fahrpreise und Abgaben. Zur Ausgabe gelangen gewöhnliche Einzelfahrkarten, Früh- und Wochenkarten, ferner Jahres- und Vierteljahrszeitkarten. Während der ersten 5 Jahre betragen laut Betriebsvertrag die Fahrpreise in der III. und II. Klasse bis zur fünften auf die Einsteigehaltestelle folgenden Station 10 und 15 Pf.; bis zur zehnten Station 15 und 20 Pf.; darüber hinaus für das ganze Netz 20 und 30 Pf. Bis 7 Uhr morgens werden an Werktagen für die III. Klasse Frühkarten zu 10 Pf. und eintägige Rückfahrkarten zu 20 Pf. ohne Beschränkung der Entfernung ausgegeben. Daneben kommen Wochenkarten III. Klasse zum Preise vom 55 Pf. für 6 Fahrten und von 1∙1 M. für 6 Hin- und Rückfahrten zur Ausgabe. Für Jahreszeitkarten sind in der III. und II. Klasse bis zur achten Haltestelle 80 und 110 M., für jede weitere Haltestelle 5 oder 7 M. mehr, für das ganze Bahnnetz 150 und 200 M. zu entrichten. Außerdem werden Vierteljahrszeitkarten zu folgenden Sätzen ausgegeben:


Hamburger Schnellbahnen

Die ermäßigten Preise für das zweite, dritte und vierte Vierteljahr kommen nur den Inhabern von Karten vorhergehender Vierteljahre zu gute.

Von dem Erlös aus Einzelkarten zu 10, 15, 20 und 30 Pf. sind 1, 3, 6, bzw. 9 Pf., aus Zeitkarten 10 v. H. an den hamburgischen Staat abzuführen. Frühverkehrs- und sonstige zu ermäßigten Preisen ausgegebene Fahrkarten sind abgabefrei. Ferner ist der Staat unter bestimmten Bedingungen noch am Gewinn des Unternehmens beteiligt.

Verkehr. Im Jahre 1912 wurden 23∙7 Mill., 1913 39 Mill. Personen auf Einzel- und Wochenkarten befördert. Erlöst wurden im Jahre 1912 aus Einzel- und Wochenkarten rd. 2,998.000 M., aus Zeitkarten rd. 82.000 M., aus sonstigen Quellen rund 13.000 M., zusammen 3,093.000 M. Für das Jahr 1913 stellten sich die Einnahmezahlen auf rd. 4,958.000, 230.000 und 74.000 M., zusammen auf 5,262.000 M. Die Staatsabgaben beliefen sich 1912 auf rd. 481.000 M., 1913 auf rd. 824.000 M. Die Betriebskosten betrugen 1912 1,642.000 M. und 1913 2,787.000 M.


4. Erweiterungen des Hochbahnnetzes.


Das hamburgische Schnellbahnunternehmen soll durch verschiedene Ergänzungslinien, darunter eine Freihafenbahn (Abb. 40 u. 44) erweitert werden.

In Ausführung begriffen ist ferner eine Linie von Barmbeck nach Wohldorf, die einen Teil der lediglich dem Personenverkehr dienenden, 28∙3 km langen Walddörfer Bahn bildet. Diese Bahn, die sich von Volksdorf bis Wohldorf unmittelbar neben die bestehende elektrische normalspurige Kleinbahn Alt-Rahlstedt-Wohldorf legt und einen Zweig von Volksdorf nach Schmalenbeck und Groß-Hansdorf schickt, soll die landschaftlich bevorzugten nördlichen hamburgischen Enklaven ohne Umsteigeverkehr an das Hochbahnnetz anschließen und der Bebauung zugänglich machen. Die Betriebsgesellschaft der H. wird die Bahn gegen Erstattung der Unkosten betreiben; der aus dem Kraftwerk in Barmbeck – über ein neues Unterwerk in Farmsen – zu liefernde Strom wird der Gesellschaft vom Staate mit 6 Pf. für die Kilowattstunde vergütet. Für die Züge wird eine Fahrgeschwindigkeit bis zu 60 km/Std. zugelassen. Die Kosten der Walddörfer Bahn sind auf 20∙5 Mill. M. veranschlagt.

Weiter sollen die Landgemeinden Groß- und Klein-Borstel, Fuhlsbüttel und Langenhorn eine dreigleisige elektrische Schnellbahn von 7∙8 km Ausdehnung erhalten, die am[113] »Ochsenzoll« endigt. Die westlichen beiden Gleise dienen dem Personenverkehr – der in Ohlsdorf direkt auf die Hochbahn übergeleitet wird –, das dritte dient dem Güterverkehr im Anschluß an den preußischen Staatsbahnhof Ohlsdorf. Der Betrieb dürfte gleichfalls der bestehenden Gesellschaft übertragen werden, bezüglich der Personenzüge zu den Bedingungen des Abkommens über die Walddörfer Bahn, bezüglich der Güterzüge auf eigene Rechnung gegen eine Abgabe von 20% des Rohertrages; die Betriebsmittel für den Güterverkehr beschafft die Gesellschaft. Wie bei der Walddörfer Bahn, soll ein Teil der Baukosten auf den Grundbesitz umgelegt werden, der beim Verkauf von baureifem Gelände in dem von der Bahn erschlossenen Gebiet mit einer Steuer von 0∙5 M. für 1 m2 belastet wird. Die Baukosten der dreigleisigen Bahn einschließlich der Güterbahnhöfe, des Betriebsbahnhofs beim Ochsenzoll und einschließlich der elektrischen Ausrüstung, Signale und Betriebsmittel werden sich auf 7∙16 Mill. M. belaufen, ungerechnet die Kosten für die technischen Vorarbeiten und den Grunderwerb. Während auf den Personengleisen die gleichen Triebwagen wie auf der Hochbahn verkehren, die den Strom von einer dritten Schiene abnehmen, sollen die Güterzüge im Oberleitungsbetrieb durch elektrische Lokomotiven befördert werden. Vorläufig werden für den Personenverkehr die Zwischenhaltestellen Fuhlsbüttel und Langenhorn-Mitte, für den Güterverkehr die Stationen Langenhorn-Mitte und Ochsenzoll angelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Bahn späterhin vom Ochsenzoll nach den preußischen Dörfern Garstedt, Tangstedt und Wakendorf fortgesetzt wird. Eine Seitenlinie von Eppendorf nach Groß-Borstel soll gleich falls bis Langenhorn und zum Ochsenzoll gebaut werden.

Kemmann.

Abb. 40. Gesamtübersicht der Hamburger Schnellbahnen.
Abb. 40. Gesamtübersicht der Hamburger Schnellbahnen.
Abb. 41. Wagenpaar der Stadt- und Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf.
Abb. 41. Wagenpaar der Stadt- und Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf.
Abb. 42, Abb. 43. Fahrleitung der Stadt- und Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf.
Abb. 42, Abb. 43. Fahrleitung der Stadt- und Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf.
Abb. 44. Lageplan der Hamburger Hochbahn.
Abb. 44. Lageplan der Hamburger Hochbahn.
Abb. 45. Hochbahntunnel mit gerader Decke.
Abb. 45. Hochbahntunnel mit gerader Decke.
Abb. 46. Hochbahnstrecke zwischen Rödingsmarkt und Hauptbahnhof.
Abb. 46. Hochbahnstrecke zwischen Rödingsmarkt und Hauptbahnhof.
Abb. 47. Hochbahnhaltestelle Hauptbahnhof.
Abb. 47. Hochbahnhaltestelle Hauptbahnhof.
Abb. 48. Querschnitt der Hochbahnhaltestelle Hauptbahnhof. (Schnitt A B der Abb. 8.)
Abb. 48. Querschnitt der Hochbahnhaltestelle Hauptbahnhof. (Schnitt A B der Abb. 8.)
Abb. 49. Triebwagen der Hochbahn.
Abb. 49. Triebwagen der Hochbahn.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 107-114.
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