Wohnungsfürsorge

[420] Wohnungsfürsorge.


I. Allgemeines.


Die Notwendigkeit, im Interesse der Dienstbereitschaft und der Betriebssicherheit für das in der Nähe von Bahn- oder Werkstättenanlagen unterzubringende Personal Wohnungen zu schaffen, besteht, so lange es überhaupt Bahnen gibt. Ein großer Teil des Personals blieb anfänglich auf Mietwohnungen angewiesen, und da machte sich schon bald ein Mißverhältnis zwischen Miete und Einkommen sowie in volkreichen Gegenden das Fehlen von billigen Wohnungen fühlbar. Zuerst behalf man sich mit Lohnerhöhungen bzw. Erhöhung der Wohnungsgelder, ein Mittel, das sich aber auf die Dauer als unzulänglich, ja sogar schädlich erwies. Die Eisenbahnverwaltungen mußten deshalb auf andere Wege zur Abhilfe sinnen und haben sie auch gefunden, indem sie:

1. beim Bau von Kleinwohnungen aus dienstlichen Gründen mehr Häuser bauen als dienstlich erforderlich, und indem sie den Bediensteten zu billigeren Mietpreisen ebenso gute oder zu gleichen Mietpreisen bessere Wohnungen bieten, als sie sonst am Dienstort haben könnten;

2. auch an Orten, wo kein dienstliches Bedürfnis vorliegt, aber die Bediensteten keine oder nur unverhältnismäßig teure Privatwohnungen finden, Kleinwohnungen bauen oder die Mittel zum Bau solcher hergeben (eigentliche W.);

3. den Bediensteten die Beschaffung gesunder und billiger Wohnungen dadurch erleichtern, daß sie ihnen erlauben, außerhalb von Dienstorten mit hohen Mietpreisen auf dem Lande zu wohnen und ihnen freie Fahrt zwischen Wohn- und Dienstort gewähren und die Diensteinteilungen diesen Verhältnissen möglichst anpassen;

4. für das Wohnungsbedürfnis lediger Bediensteter an Orten, wo sie schwer Unterkunft finden, entweder durch den Bau besonderer Häuser (Ledigenheime) oder durch billige Vermietung von Einzelzimmern in bahneigenen Gebäuden sorgen.

In der Vorkriegszeit konnte die W. der Eisenbahnverwaltungen sich die Aufgabe stellen, ihren in teuren und dabei oft mangelhaften Privatwohnungen untergebrachten Bediensteten billigere und höheren Ansprüchen genügende Wohnungen zu schaffen, also die Wohngelegenheiten zu verbessern. Aber schon während der letzten Jahre des Weltkrieges und vollends nach dessen Abschluß mußten sie sich infolge der wirtschaftlichen Notlage – auch die Siegerstaaten nicht ausgenommen – darauf beschränken, die Wohngelegenheiten zu vermehren, d.h. trotz der riesigen Verteuerung der Baukosten und der Unzulänglichkeit der vorhandenen Geldmittel ihnen nach Tunlichkeit zwar bescheidene, aber immerhin behagliche und vor allem gesunde Wohnungen zu verschaffen. Die Verwaltungen übernehmen damit freiwillig Verpflichtungen nicht nur ihrem Personal, sondern auch der Gesamtheit der Bevölkerung gegenüber, insofern durch Neubeschaffung von Wohnungen die bisher von Eisenbahnbediensteten innegehabten Wohnungen für Außenstehende frei werden und damit der allgemeinen Wohnungsnot gesteuert wird.

Unter dem augenblicklichen Druck der nach Beendigung der Feindseligkeiten in Massen zurückströmenden Wohnungslosen mußte man zunächst zu Behelf- oder Notwohnungen seine Zuflucht nehmen. Sie waren jedoch häufig ungesund, unwohnlich und überhaupt unzureichend. Man kam deshalb von dieser Art der Wohnungsbeschaffung bald ab und wieder auf Dauerwohnungen zurück, die infolge der geringeren Unterhaltungskosten auf die Dauer mindestens ebenso wirtschaftlich und in jeder anderen Beziehung den Notwohnungen weit überlegen sind.


II. Statistisches.


Während vor dem Weltkrieg die W. in der Hauptsache auf die im Arbeiterverhältnis stehenden Bediensteten sich beschränkte, machte sich schon im Verlauf des Krieges die Notwendigkeit geltend, sie auch auf die mittleren und sogar die höheren Beamten auszudehnen. Allen voran betätigten sich die Deutschen Eisenbahnverwaltungen auf dem Gebiete der W. Bis zur Übernahme der deutschen Länderbahnen durch das Reich (1. April 1920) hatte jede Verwaltung ihren besonderen Haushalt und damit ihre besondere W. Was von ihnen bis zu diesem Zeitpunkt und was von da ab von den vereinigten Reichsbahnen geleistet wurde, ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich. Hiernach standen, unter Hinzurechnung der in der Tabelle nicht aufgeführten Direktionen Oldenburg und Schwerin (mit einem derzeitigen Stand von rd. 17.000 Bediensteten und 2670 Wohnungen), am 1. Januar 1922 der Deutschen [421] Reichseisenbahnverwaltung 154.036 Wohnungen zur Verfügung.


Leistungen der deutschen Eisenbahnverwaltungen vom Jahre 1895 bis 1. Jänner 1922.


Wohnungsfürsorge

Es kamen somit auf 100 männliche Eisenbahnbedienstete 14∙36 Wohnungen und, sofern man annimmt, daß 12% keinen eigenen Haushalt führen, auf 100 Bedienstete mit eigenem Haushalt 16∙31 Wohnungen.


III. Finanzierung.


Von den verschiedenen Wegen zur Vermehrung der Wohngelegenheiten – Bau bahneigener Wohnungen, Ankauf und Ausbau vorhandener Gebäude und Förderungen gemeinnütziger Bauvereinigungen – scheinen die meisten Eisenbahnverwaltungen neuerdings dem letzteren den Vorzug zu geben. Verschiedene Gründe sprachen früher dagegen, heute aber noch mehr und dringlichere dafür. Die Unterstützung gemeinnütziger Bauunternehmungen befreit diese von den meist verteuernd wirkenden Vorschriften über den Bau und die Vergebung staatlicher Bauten und gibt die Möglichkeit, den Eisenbahnerwohnungen die Überteuerungsbeihilfe aus allgemeinen Landes- und Gemeindemitteln, die den bahneigenen Wohnungen versagt bleiben, zu erwirken. Vor allem aber bietet sie den Vorteil, daß sie geringeren Kapitalaufwand erfordert als der verwaltungsseitige Wohnungsbau sowie den weiteren, daß die bei den bahneigenen Wohnungen erhebliche Mittel und Personalaufwand erfordernden Unterhaltungskosten und Verwaltungsarbeit von diesen Bauvereinigungen getragen werden.

Als gemeinnützige Bauvereinigungen kommen in Betracht: genossenschaftliche Vereinigungen und Gesellschaften m.b.H., sowie Gemeinden. Die deutsche Reichseisenbahnverwaltung hat in ihren »Richtlinien« vom Jahr 1921 besonders über die finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Bauunternehmungen Grundsätze aufgestellt, die nachstehend im Auszug angeführt werden mögen.


1. Baugenossenschaften.


Allgemeine Bedingungen für die Unterstützung von Baugenossenschaften sind vor allem:

a) Der durch die Satzungen bestimmte Zweck der Genossenschaft muß ausschließlich darauf gerichtet sein, minderbemittelten Familien gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern preiswert zu verschaffen.

b) Die Satzung muß die an die Mitglieder zu verteilende Dividende auf höchstens 4% ihrer Anteile beschränken, sie darf im Falle der Auflösung den Mitgliedern nicht mehr als den Nennwert ihrer Anteile zusichern und hat den Rest des Genossenschaftsvermögens für gemeinnützige Zwecke zu bestimmen.

c) Die Genossenschaft muß lebens- und leistungsfähig sein. Der Gesamtbetrag der Geschäftsanteile einer Genossenschaft soll mindestens 30.000 M. und der Einzelgeschäftsanteil mindestens 300 M., in der Regel aber 500 M. betragen. Der Genossenschaftsanteil ist spätestens beim Beziehen der zugeteilten Wohnungen voll einzuzahlen. Sie sollen im allgemeinen mindestens aus 100 Mitgliedern bestehen. Wenn sie ausschließlich aus Eisenbahnpersonal bestehen, sollen sie in der Regel mindestens 50 Mitglieder haben. Der Gesamtbetrag der Geschäftsanteile kann dann entsprechend herabgesetzt werden.


Die österreichischen Bundesbahnen haben in dem Zeitraum von 1914 bis 1. Januar 1922 an Dienstwohnungen neugeschaffen 190, an Mietwohnungen 3174 und hierfür im ganzen 472 Mill. K verausgabt, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, daß im Frühjahr 1919 durch den Friedensvertrag von St. Germain das Bahnnetz der österreichischen Verwaltung um etwa 2/3 seines Umfangs vermindert wurde. Bis dahin besaß die österreichische Staatsbahn bei einem Personalstand von 225.607 (jetzt 90.000) etwa 26.000 Dienst-(Natural-)Wohnungen und 4400 Mietwohnungen mit einem Anlagekapital von 33 Mill. K. Bei der österreichischen Südbahngesellschaft setzte eine intensivere Tätigkeit der W. erst nach 1919 ein. Für das Personal der österreichisch gebliebenen Linien wurden seither beschafft an Dauerwohnungen (nur Mietwohnungen) etwa 750, an sog. Halbdauerwohnungen etwa 210 und daneben eine beträchtliche Zahl von Notwohnungen (wintersicher ausgestattete Kastenwagen).


In Fortsetzung dieser Tätigkeit wurde 1922 ein groß angelegtes Programm für Herstellung von Wohnungen für Bundesbahnangestellte aufgestellt, das zur Durchführung eine Aufwendung von rd. 4 Milliarden erfordert. Auf Grund dieses Programms sollen fertiggestellt werden: 909 Wohnungen, 66 Unterkünfte, Übernachtungsgelegenheiten mit 168 Betten und 32 Behelfswohnungen, ferner neugebaut 445 Wohnungen, Übernachtungsgelegenheiten u.s.w. in 9 Stationen.

Im Jahre 1911 gründeten die Südbahnbediensteten eine Bau- und Wohnungsgenossenschaft als registrierte Genossenschaft m. b. H., die bezweckt, ihren Mitgliedern in den an den österreichischen Linien der Südbahngesellschaft gelegenen Stationsorten billige und gesunde Wohnungen (Kleinwohnungen) durch Bau oder Ankauf von Wohnhäusern zu beschaffen und für ihre Mitglieder Ledigenheime zu errichten. Die bisherige Tätigkeit dieser Genossenschaft war sehr ersprießlich. Die Genossenschaft hatte vor und während des Krieges an Baukosten 10% aufzubringen, mit 50% wurde das Grundstück belastet und für 40% garantierte der Staat. Die Bahnverwaltung blieb dabei ganz aus dem Spiel.

Jetzt geschieht die Aufbringung der Baukosten in der Weise, daß zum Baukapital 1% die Südbahngesellschaft und 1% die Mitglieder (Bediensteten) durch Erwerbung von Geschäftsanteilen beitragen, wogegen 98% der Bundes-Wohn- und Siedlungsfond übernimmt. Der Südbahngesellschaft obliegt die Verzinsung von 25% des verlorenen Baukapitals, die Verzinsung der erübrigenden 75% fällt dem Fond zu.

Zwischen dem Fond und der Südbahngesellschaft wird in jedem Fall ein Bürgschaftsvertrag abgeschlossen.[422] Die Veräußerung eines Objekts ist nur mit Zustimmung beider Teile zulässig, wobei diesen das Kaufvorrecht gewahrt ist. Anspruch auf Wohnungen in auf solche Art erbauten Häusern haben nur Mitglieder, deren Geschäftsanteile, wie schon bemerkt wurde, verzinst werden.


Die ungarischen Staatsbahnen haben bis jetzt ihrem rund 80.000 Köpfe zählenden Personal im ganzen etwa 6000 Mietwohnungen zur Verfügung gestellt, die größtenteils durch ein Pensionsinstitut finanziert und gebaut wurden.

Die niederländischen Staatsbahnen haben zurzeit bei einem Personalstand von 48.712 Köpfen 2956 Dienstwohnungen und 1695 Mietwohnungen (darunter 258 Notwohnungen). Bis zu Anfang des Krieges war in Holland Wohnungsnot gänzlich unbekannt. Der Wohnungsbau beschränkte sich deshalb für die Eisenbahnverwaltung auf Dienstwohnungen. Seit 1915 bis heute sind dann gebaut worden: 47 Dienstwohnungen mit einem Kostenaufwand von 332.172 fl., ferner gebaut und gekauft 760 Mietwohnungen (worunter 258 Notwohnungen) mit einem Kostenaufwand von 1,390.201∙50 fl.

Durch Baugenossenschaften wurden bis zum 1. Januar 1921 gebaut und der Verwaltung zur Verfügung gestellt 928 Wohnungen; der Staat und die Gemeinden bezahlen hierfür einen jährlichen sog. »Krisebeitrag« (75% davon der Staat, 25% die Gemeinde).

Bei den schweizerischen Bundesbahnen belief sich am 1. Januar 1922 der Bestand an Dienstwohnungen (einschließlich Wärterhäuser) und Mietwohnungen auf 1888 bzw. 536. Die finanziellen Aufwendungen der Schweizer Bundesbahnen hierfür betrugen rund 32 Mill. Fr. In den Jahren 1915–1921 wurden erstellt: 29 Dienstwohnungen mit 710.620 Fr. und 144 Mietwohnungen mit 3,008.870 Fr. Baukosten. Für die nächste Zeit ist vorgesehen der Bau von 19 Dienstwohnungen mit 425.830 Fr. und von 32 Mietwohnungen mit 1,117.400 Fr. Baukosten.

Als zweckmäßigstes Mittel zur Ausgestaltung der W. bezeichnet die Verwaltung der Schweizer Bundesbahnen die finanzielle Unterstützung des privaten und genossenschaftlichen Wohnungsbaues durch Gewährung von Hypothekardarlehen. Bis zum 1. Januar 1922 wurden 1067 Wohnungen mit solchen Mitteln hergestellt und hierfür ebenso viele Darlehen im Gesamtbetrag von 22,936.000 Fr. an Beamte und Beamtengenossenschaften gewährt. Eine Abtretung von bahneigenem Bauland findet grundsätzlich nicht statt. Zur Milderung der Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt hat eine tarifarische Maßnahme der Schweizer Bundesbahnen von jeher, ganz besonders aber in den Zeiten der Wohnungsnot, beigetragen: der Streckenabonnementstarif (mit 4 Serien), durch den die Möglichkeit geboten wird, alle in einem gewissen Umkreis vom Arbeitsort vorhandenen Wohngelegenheiten auszunutzen. Die belangreichen Vergünstigungen, die dieser Tarif dem allgemeinen Verkehr bietet, erfahren für die Beamten und Arbeiter der Bahnverwaltung noch eine Steigerung insofern, als sie bei sämtlichen Serien nur 1/5 der tarifmäßigen Taxe zu bezahlen haben. – Bei den deutschen und österreichischen Bahnen wird dem Personal, das die Erlaubnis erhalten hat, außerhalb des Dienstortes zu wohnen, freie Fahrt zwischen Wohn- und Dienstort gewährt.


2. Gesellschaften m. b. H.


Der Gesellschaft m.b.H. muß im allgemeinen als der zeitgemäßeren und leistungsfähigeren Form des gemeinnützigen Bauunternehmens der Vorzug gegeben werden. Bei ihr sind die Nachteile ausgeschaltet, die sich so oft hemmend und verteuernd geltend machen: Übertriebene Hoffnungen der Genossen bei mangelndem Willen zur Selbsthilfe und Mitarbeit, Mangel an Erfahrung und Sachkenntnis, Widerstand gegen eine dem wirklichen neuzeitlichen Wert der Wohnungen entsprechende Festsetzung der Mieten.

Die Baugesellschaft bietet auch für die Verwaltung den Vorteil, die Vergebung der Wohnungen selbst zu regeln und dabei dienstlichen Bedürfnissen besser Rechnung zu tragen. In der Gesellschaft m.b.H. wird sich die Reichseisenbahnverwaltung mit anderen an der Wohnungsbautätigkeit an dem betreffenden Ort mit interessierten Kreisen als Gesellschafter zusammenschließen. Besonderer Wert muß auf die führende Mitbeteiligung der Gemeindeverwaltung gelegt werden. Ihr fällt ohnehin die örtliche W. in erster Linie zu. Die Verhandlungen wegen Gewährung der Gemeindedarlehen werden bei ihrer Mitbeteiligung wesentlich vereinfacht und erleichtert. Durch Zeichnung entsprechender Stammanteile ist der Reichseisenbahnverwaltung ein ausreichender Einfluß im Aufsichtsrat und in der Generalversammlung zu sichern. Zunächst ist jedoch dieser neue Weg mit Vorsicht zu betreten, bis in den einzelnen Bezirken Erfahrungen gewonnen sind.

Eine zweckmäßige Ergänzung eines solchen Vorgehens in der Wohnungsbeschaffung kann die Gründung von Mieter- oder Pachtgenossenschaften bilden. Diese aus Angehörigen der Eisenbahnverwaltung zusammengesetzte Genossenschaft übernimmt die von der Gesellschaft m.b.H. fertiggestellten Eisenbahnerwohnungen in Pacht, vermietet, unterhält und verwaltet sie.


3. Wohnungsbauten von Gemeinden (Gemeindeverbänden).


Für die Mietwohnungsbauten, die Gemeinden (Gemeindeverbände) für Eisenbahnpersonal errichten, können Oberteuerungsdarlehen wie bei genossenschaftlichen Bauunternehmungen geleistet werden.


4. Verzinsliche (Ertrags-)Darlehen an gemeinnützige Bauunternehmungen.


a) Höhe des Darlehens. Das Darlehen darf 90% des Ertragswerts, der nach Fertigstellung der Bauten festgesetzt wird, nicht übersteigen. Der Ertragswert wird ermittelt aus der Kapitalisierung der Nettomiete mit den Zins- und Tilgungssätzen des[423] aufgenommenen und eigenen Baukapitals. Die Nettomiete ergibt sich aus der Bruttomiete nach Abzug der Verwaltungs- und Unterhaltungskosten (zurzeit anzunehmen mit etwa 25% der Bruttomiete).

Dem Eisenbahn-Ertragsdarlehen hat eine anderweitig aufzunehmende erststellige Hypothek bis zur Grenze der Mündelsicherheit (= 50–60% des Ertragswertes) voranzugehen. Anzustreben ist, daß eine erststellige Hypothek bis zu 70% anderweitig aufgebracht wird, wenn sie zu angemessenem Zinsfuß erhältlich ist. Tilgung der ersten Hypothek ist wünschenswert, muß jedoch nicht zur Bedingung gemacht werden (ausgenommen bei Bestellung eines Erbbaurechtes, wo Tilgung verlangt werden muß). Als Geldgeber erster Hypotheken werden die Arbeiterpensionskassen in Anspruch genommen werden können, insbesondere dann, wenn die zu beleihenden Wohnungen ganz oder teilweise Arbeitern vorbehalten werden.

b) Zinssatz und Tilgung. Die Eisenbahn-(Ertrags-)Darlehen müssen verzinst und unter Zuwachs der ersparten Zinsen getilgt werden. Wenn die Reichseisenbahnverwaltung zu dem gleichen Unternehmen Überteuerungsdarlehen zahlt, bleibt die Höhe des Zinsfußes und des Tilgungssatzes finanziell von untergeordneter Bedeutung. Je höher die Annuitätenlast, desto geringer wird der Ertragswert und desto höher der von der Reichseisenbahnverwaltung zu leistende Überteuerungszuschuß sein. Die finanzielle Inanspruchnahme im ganzen wird etwa die gleiche bleiben, ob der Zins- und Tilgungssatz erhöht wird oder nicht. Der Wunsch, möglichst lange ein Recht an den Wohnungen zu haben, könnte dazu anregen, den niederen Zinsfuß und Tilgungssatz beizubehalten, wie er als Wohlfahrtsmaßnahme bei den meisten Eisenbahnverwaltungen seither üblich war.

c) Wesentliche Punkte der besonderen Bedingungen:

1. Die Genossenschaft (Gesellschaft u.s.w.) hat sich mit mindestens 10% am Ertragswert des Bauunternehmens zu beteiligen.

2. Die zu beleihenden Wohnungen müssen die Bestimmung erhalten, dauernd im Eigentum der Genossenschaft u.s.w. zu bleiben. Es ist zu bedingen, daß die Wohnungen möglichst dauernd oder doch während der Dauer der Ertragshypothek, mindestens aber auf die Dauer von 20 Jahren ausschließlich an Personal der Reichseisenbahnverwaltung vermietet werden. Empfehlenswert ist im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei Durchführung durch Versetzungen der Reichseisenbahnverwaltung das Recht zu sichern, die Personen zu bezeichnen, an die die Wohnungen zu vermieten sind.

3. Die Genossenschaft (Gesellschaft) hat den Bau unter Einhaltung des von der Reichseisenbahnverwaltung genehmigten Entwurfes und Kostenanschlages unter Verwendung guten Materials sorgfältig und dauerhaft auszuführen und sich bei Änderungen und Abweichungen zuvor der Zustimmung der Reichseisenbahnverwaltung zu versichern. Sie hat die fertigen Gebäude stets in gutem Zustand zu unterhalten, ausreichend gegen Feuer versichert zu halten, der Reichseisenbahnverwaltung die jederzeitige Besichtigung des Gebäudes sowie Einsicht in die Verwaltung und die Bücher der Genossenschaft zu gestatten, der Reichseisenbahnverwaltung jährlich Rechnungsnachweise vorzulegen und die Satzungsbestimmungen, die die Gemeinnützigkeit des Unternehmens festlegen, nicht zu ändern.

4. Ob und unter welchen Bedingungen für den Schuldner eine Kündigung vorzusehen ist, bleibt den Abmachungen im einzelnen Falle überlassen. Die eisenbahnseitige Kündigung oder bei minderwichtigen Einzelheiten eine Vertragsstrafe muß aber für die Verletzung der in vorstehenden Ziffern 2 und 3 genannten Bedingungen vorgesehen werden. Zur Rückzahlung fällig ohne Kündigung ist das Darlehen zu erklären, wenn das verpfändete Grundstück verkauft oder die Darlehen nehmende Vereinigung aufgelöst wird.

5. Für den Verkauf ist die Zustimmung der Reichseisenbahnverwaltung vorzuschreiben.

6. Der Reichseisenbahnverwaltung ist ein Vorkaufsrecht einzuräumen.

d) Sicherheiten. Als Sicherheit für Kapital, Zins, Rückzahlung, Vertragsstrafen und Erfüllungen der Vertragsverpflichtungen ist eine Hypothek im Grundbuch eintragen zu lassen.

e) Gemeinden scheiden als Empfänger verzinslicher Eisenbahndarlehen aus.


5. Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung.


Die Leistungen der Reichseisenbahnverwaltung zu den Überteuerungskosten sind freiwillige. Auf sie können die Bestimmungen der Verordnung für die Landes- und Gemeindedarlehen nicht ohneweiters Anwendung finden, wenigstens insoweit nicht, als sie nicht ausdrücklich zur Herabminderung der Landes- und Gemeindedarlehen gewährt sind. Die Darlehen sind im allgemeinen als gewöhnliche Darlehen der Reichseisenbahnverwaltung anzusehen und zu behandeln. Sie müssen hypothekarisch den Vorrang vor dem Landes- und Gemeindedarlehen erhalten. Grundsätzlich sind Darlehen zu den Überteuerungskosten nur dann zuzusichern, wenn die Landes- und Gemeindedarlehen gewährt sind. Es muß darauf hingewirkt werden, daß sich die Länder mit den Höchstsätzen der Verordnung der Reichsregierung vom 19. Februar 1921 beteiligen und daß die Gemeinden mindestens die Hälfte der durch den Ertragswert und das Landesdarlehen nicht gedeckten Gesamtherstellungskosten als Beihilfe leisten, sobald ihnen aus den Erträgnissen der zu erwartenden Mietsteuer besondere öffentliche Mittel für diesen Zweck zur Verfügung stehen. Unbeschadet des Grundsatzes, daß Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung nur neben den Landes- und Gemeindedarlehen gegeben werden sollen, können solche auch gewährt werden, wenn ein Bauvorhaben durch eine andere Finanzierung, sei es aus Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge oder auch durch anderweitige Mittel, ausreichend gesichert erscheint. In solchen Fällen soll der Arbeitgeberzuschuß keineswegs höher bemessen werden, als wenn die Landes- und Gemeindebeihilfen in der sonst üblichen Höhe gewährt worden wären. Eine hiervon abweichende Festsetzung kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen und auf besonderen Antrag genehmigt werden.

In beschränktem Umfange dürfen Überteuerungsdarlehen auch zum Bau von Eigenwohnungen gegeben werden. Besondere Bedingungen hierfür sind:

1. Die Eigenwohnungen sollen möglichst auf die Dauer von 50 Jahren Beamten, Angestellten und Arbeitern vorbehalten bleiben.

2. Die Wohnungsinhaber müssen sich zur Verminderung der Eisenbahn-Überteuerungsdarlehen in erheblicherem Maße an der Abbürdung der Überteuerungskosten beteiligen, als dies am gleichen Orte für Zuschußmietwohnungen gefordert wird.[424]

3. Überteuerungsdarlehen sollen in der Regel nur gewährt werden, wenn die Eigenheime entweder kraft eines Erbbaurechtes an Grundstücken einer gemeinnützigen oder öffentlichen rechtlichen Körperschaft oder als Heimstätten nach Maßgabe der Bestimmungen des Reichsheimstättengesetzes vom 10. Mai 1920 (RGB. S. 963) ausgegeben werden, oder ein Vor-, Ankaufs- oder Wiederkaufsrecht zu gunsten einer öffentlich-rechtlichen oder gemeinnützigen Stelle vereinbart und die Erfüllung der Verpflichtung durch eine Eintragung im Grundbuche geführt wird.

4. Scheidet der Eigentümer oder Erbbauberechtigte eines mit Arbeitgeberzuschüssen errichteten Eigenheimes aus dem Eisenbahndienste aus, so kann ihm die Verpflichtung zur sofortigen Zurückzahlung des Arbeitgeberzuschusses auferlegt werden, sofern er nicht vor Ablauf der in Ziffer 1 festgesetzten Frist einen anderen Angehörigen der Reichseisenbahnverwaltung bei sich aufnimmt. Diese Verpflichtung obliegt nicht bei Pensionierung oder Ableben mit Hinterlassung einer Witwe mit Kindern.

5. Der Besitz eines Eigenheimes darf kein Hinderungsgrund für eine Versetzung sein. Eine dahingehende Erklärung muß vor der Darlehenshingabe abgegeben werden.

Ferner können zum Neubau von Mietwohnungen, die Angehörigen der Eisenbahnverwaltung zugute kommen, in besonderen Ausnahmefällen Überteuerungsdarlehen gegeben werden, wenn die Bauten durch Einzelpersonen errichtet werden. Diese Einzelpersonen müssen für die ordnungsmäßige Durchführung der Bauvorhaben und für die Einhaltung der Darlehensbedingungen Gewähr bieten.

Die nach vorstehenden Grundsätzen bemessenen Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung sollen möglichst nach folgenden Grundsätzen hypothekarisch sichergestellt werden:

1. Im Range dürfen nur Ertragshypotheken bis zu 90% des Ertragswertes vorangehen.

2. a) Die Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung sind unverzinslich. Alle fünf Jahre, wenn nicht schon früher Anlaß dazu gegeben ist, sind die Mieten zu prüfen und erforderlichenfalls neu festzusetzen. Verbleibt aus den Mieterhöhungen nach Abzug etwa erhöhter Lasten ein Überschuß, so ist er zur Tilgung des Eisenbahnüberteuerungsdarlehens zu verwenden. Nach 20 Jahren wird der Ertragswert der Gebäude endgültig festgesetzt. Der Unterschied zwischen dem endgültig festgesetzten Ertragswert und dem Gesamtherstellungsaufwand ist entsprechend den Bestimmungen der Verordnung des Reichsrates vom 10. Januar 1920 und der letzten Verordnung vom 19. Februar 1921 zu löschen. Der verbleibende Rest des Überteuerungsdarlehens der Reichseisenbahnverwaltung ist mit einem jährlichen gleichbleibenden Betrag von 5% dieses Restes zu tilgen. Außerdem kann die Tilgung auch in der Weise vereinbart werden, daß nach 20 Jahren die rentierlich gewordenen Überteuerungsdarlehen mit 4% zu verzinsen und mit 1% unter Zuwachs der ersparten Zinsen zu tilgen sind, oder

b) das Eisenbahnüberteuerungsdarlehen ist wie das Ertragsdarlehen zu verzinsen und zu tilgen. Befreiung von der Verzinsungs- und Tilgungspflicht wird solange und insoweit gewährt, als ihre Erfüllung nicht aus einem angemessenen Mieterträgnis möglich ist und die Finanzlage der Genossenschaft Nachsicht erfordert (badisches Verfahren), oder

c) die sämtlichen Ertragshypotheken müssen tilgbar sein. Das Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung ist unverzinslich. Es ist in nachstehender Weise zu tilgen: Verbleiben bei den in angemessenen. Zeitabschnitten festgesetzten. Neumieten nach Abzug etwa erhöhter. Lasten Überschüsse, so sind sie zur Tilgung der Überteuerungsdarlehen der Reichseisenbahnverwaltung zu verwenden. Nach Tilgung der Ertragshypotheken ist das Eisenbahnüberteuerungsdarlehen mit dem Betrag der abgelaufenen regelmäßigen Annuitäten der gesamten Ertragshypotheken zu tilgen (sächsisches Verfahren).

3. Es ist anzustreben, daß die den Trägern des Beihilfeverfahrens in der Verordnung der Reichsregierung vom 19. Februar 1921 vorbehaltenen Befugnisse für die erstmalige Festsetzung der Herstellungskosten nach Fertigstellung und für die Festsetzung des Ertragswerts und der Mieten, sowohl die einmaligen wie die periodischen der Reichseisenbahnverwaltung als öffentlicher Behörde übertragen werden.


6. Mieten für Genossenschafts- u.s.w. Wohnungen.


Die Grundlage für die Berechnung des Ertragswertes bilden die Mieten. Die Mieter neuerrichteter Genossenschaftswohnungen müssen sich durch Bereitwilligkeit zu erhöhten Mieten für ihren Teil an der Abbürdung der Überteuerungskosten beteiligen, wenn die Reichseisenbahnverwaltung für ihre Wohnungen die hohen finanziellen Opfer bringen soll. Die doppelte Friedensmiete für gleichartige und gleichwertige Wohnungen an demselben Ort wird für die Miethöhe sog. Zuschußwohnungen zurzeit die unterste Grenze zu bilden haben.


7. Erbbaurechtsbestellung.


Im Besitz der Reichseisenbahnverwaltung befindliches Baugelände, insbesondere in der Nähe von Bahnanlagen, soll im allgemeinen den Baugenossenschaften (Gesellschaften) nicht in Eigentum, sondern in Erbbaurecht überlassen werden. Das Erbbaurecht darf nur mit tilgbaren Hypotheken belastet werden. Die Dauer des Erbbaurechtes soll mit der Tilgungszeit für die Ertragshypotheken zusammenfallen. Rückübertragungsrecht nach Erlöschen des Erbbaurechtes ist vorzusehen. Desgleichen Heimfallanspruch bei Nichterfüllung von Vertragsbedingungen. Wenn von diesen Rechten Gebrauch gemacht wird, hat die Entschädigung für Bauwerke und Anlagen 2/3 des gemeinen Wertes zu betragen. Auf die Entschädigung sind die nicht zurückbezahlten Überteuerungszuschüsse in Anrechnung zu bringen, soweit der festgesetzte Entschädigungsbetrag höher als der endgültig festgesetzte Ertragswert ist. Der Erbbauzins ist mit 3% der Selbstkosten der Reichseisenbahnverwaltung zu berechnen. In die Selbstkosten sind Aufschließungskosten einzurechnen.


8. Entwurf und Planbearbeitung. Bauführung und Bauaufsicht bei Genossenschafts- und Gesellschaftsbauten durch die Reichseisenbahnverwaltung.


Bei allen Wohnungsbauvorhaben, für die eisenbahnseitige Finanzbeteiligung erbeten wird, ist zu verlangen, daß die Reichseisenbahnverwaltung bei der Entwurfsgestaltung entscheidend mitzuwirken hat. Die Planbearbeitung und Bauaufsicht wird bei Bauvorhaben, die ausschließlich oder überwiegend dem Eisenbahnpersonal zu statten kommen sollen, möglichst für die Reichseisenbahnverwaltung zu bedingen sein, wenn das erforderliche technische Personal zur Verfügung steht. Das Interesse der Reichseisenbahnverwaltung an der Erbauung dauerhafter und den besonderen Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten[425] des Eisenbahnpersonales Rechnung tragenden Wohnungen rechtfertigt es, daß die Reichseisenbahnverwaltung für die Planbearbeitung, Bauführung und Bauaufsicht nur eine mäßige Vergütung in Ansatz bringt; umsomehr als es für die Reichseisenbahnverwaltung wirtschaftlicher ist, einen Teil der Überteuerungskosten durch Ausnutzung vorhandener Erfahrungen, Normalpläne und Arbeitskräfte abzubürden als durch Kapital. Als Entschädigung sind bis auf weiteres 30% der nach den einschlägigen Gebührenordnungen für Privatarchitekten jeweils sich berechnenden Gebühren anzusetzen. In diesen Vergütungen sind auch alle Vervielfältigungen der Pläne, Kostenanschläge u.s.w. mit inbegriffen. Wird die Planbearbeitung und Bauaufsicht nicht von der Reichseisenbahnverwaltung ausgeführt, so sind Kosten für die Prüfung der Entwürfe, für die Bauberatung und für die Überwachung der Arbeiten nicht in Rechnung zu stellen.


Der Ankauf vorhandener Wohngebäude ist mit Rücksicht auf die obenerwähnte, aus innen- und außenpolitischen Gründen gebotene Wirtschaftlichkeit des Eisenbahnhaushalts sehr zu empfehlen, da er billiger ist als Neubau. Der wohnungspolitische Gesichtspunkt jedoch spricht dagegen, da durch ihn (Ankauf vorhandener Gebäude) die Wohngelegenheiten der Allgemeinheit nicht vermehrt werden. Diese beiden Gesichtspunkte sind von Fall zu Fall gegeneinander abzuwägen.

Der Ein- und Ausbau vorhandener bahneigener Gebäude: Durch Verkleinern bestehender Wohnungen, Einbau in nicht oder nicht voll benutzte Betriebsgebäude, insbesondere von Dachgeschossen oder Aufbau von Geschossen, lassen sich häufig mit verhältnismäßig geringen Mitteln neue Wohnungen gewinnen. Barackenwohnungen sollten womöglich nur da errichtet werden, wo einem plötzlichen Ansturm von Wohnungsuchenden begegnet werden muß und ausreichende Gelegenheit zur Herstellung von Not- und Dauerwohnungen durch Ein- und Ausbauten in bestehenden Gebäuden nicht vorhanden ist.

Eigentliche Ledigenheime in den Ausmaßen, wie sie z.B. bei der österreichischen Verwaltung da und dort erstellt wurden, waren schon bei den deutschen Länderbahnen höchst selten. Nur auf ganz großen Bahnhöfen, inbesondere abgelegenen Güter- und Verschiebebahnhöfen, wurden den unverheirateten Arbeitern sog. Unterkunftsräume, d.h. mit einfachsten Möbeln ausgerüstete Wohn- und Schlafstätten, gegen angemessene Miete zur Verfügung gestellt. Reinigung, Beleuchtung und Heizung übernahm die Verwaltung, auch völlige Beköstigung wurde ihnen zu mäßigen Preisen geboten. Diese Einrichtungen waren und sind noch heute bei den Bediensteten beliebt und bieten daneben der Verwaltung den Vorteil, daß sie bei plötzlich auftretendem Bedürfnis einen Stamm geschulter Arbeiter zur Hand hat. Da solche Unterkunftshäuser verhältnismäßig einfach gebaut werden können, sollte von deren Erstellung in jetziger Zeit, wo nur irgend angängig, Gebrauch gemacht werden. Ist nur die Unterbringung einer kleinen Zahl lediger Bediensteter zu besorgen und sind Familienwohnhäuser in erreichbarer Nähe der Arbeitsstelle schon vorhanden, so werden die Unterkunftsräume wohl noch besser und billiger in solchen (womöglich im Dachstock, mit besonderem Zugang) untergebracht.

Die Errichtung von Badehäusern, Waschanstalten, Kindergärten u. dgl. wird heute wohl nur noch in ganz großen Siedlungen in Frage kommen und selten mehr aus Staatsmitteln allein bestritten werden können.


IV. Allgemeine Anordnung der Wohnungsbauten. Vergebung der Wohnungen.


Sowohl die Bauvereinigungen als die einzelnen Bediensteten neigen offenbar mehr dem Bau von Eigenwohnungen zu. Bei allen Anerkennungen des Werts eines Eigenheims für den Bewohner können doch die Eisenbahnverwaltungen diesen Bestrebungen aus fiskalischen Gründen im allgemeinen keine Förderung angedeihen lassen, denn die Grundsätze über die Personalverwendung und Beförderung stehen dem Ansässigmachen der Bediensteten entgegen, sie erfordern vielmehr eine gewisse Beweglichkeit und Freizügigkeit des Personals. Die Wohnungsfürsorge der Verwaltungen muß also hauptsächlich auf Beschaffung von Mietwohnungen gerichtet sein und auf Beschränkung der Eigenwohnungen auf die Fälle, wo nicht mit einer Versetzung an andere Dienstorte zu rechnen ist.

Für den Bau bahneigener Wohnungen, u. zw. bezüglich der Wahl des Bauplatzes, der technischen Ausführung der Gebäude und Verteilung der Wohnungen an die Wohnungsuchenden, stellen die Verwaltungen gleichfalls Richtlinien auf. Diese decken sich in technischer, wirtschaftlicher und hygienischer Hinsicht mit denen, die auch sonst für den Bau von Kleinwohnungen auf Grund der gemachten Erfahrungen allgemein anerkannt sind. Die besonderen Verhältnisse der Eisenbahn bedingen nur die Forderung, daß das Baugelände möglichst in der Nähe der Dienststelle gelegen ist und daß im Besitz der Eisenbahn befindliches Gelände für die Bebauung mit Wohngebäuden nur dann in Betracht kommt, wenn es für Erweiterung von Betriebsanlagen voraussichtlich ausscheidet. Die Verwaltungen sind bestrebt, die beim Bau bahneigener Wohnungen befolgten Grundsätze nach Möglichkeit auch[426] bei dem Bau der von ihnen unterstützten Bauvereinigungen und Bediensteten durchzusetzen (vgl. Bedingungen für Gewährung von Darlehen in den Richtlinien des deutschen Reichsverkehrsministeriums).


Bei einzelnen deutschen Länderbahnen, so insbesondere in Württemberg, wurden die Bediensteten in den Fragen des Baues, der Verteilung und der Verwaltung ihrer Wohnungen zur Mitwirkung herangezogen. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Betriebsrätegesetzes verdichtete sich dann schließlich diese Mitwirkung zu einer förmlichen Organisation1 mit einem Hauptwohnungsausschuß – als Berufungsinstanz – am Sitz der Generaldirektion und Unterausschüssen am Sitz der Bezirksstellen, der Werkstätten und der größeren Bahnhöfe. Diesen Unterausschüssen (Bezirks- oder Ortswohnungsausschüsse) wurde die Aufgabe zugewiesen, die Verwaltung in Angelegenheiten des Wohnungswesens der Beamten- und Arbeiterschaft durch Rat zu unterstützen, Anträge, Anregungen und Beschwerden des Personals, die sich auf solche Angelegenheiten beziehen, entgegenzunehmen und wenn sie für begründet gehalten werden, bei der Verwaltung zu vertreten sowie Streitigkeiten, die sich aus den Wohnungsverhältnissen des Personals ergeben, auf Antrag eines der Beteiligten oder der Verwaltung im Verhandlungswege zu schlichten. Die Zahl der Mitglieder war ursprünglich durchschnittlich 6, den Vorsitz führte der Vorstand der zuständigen Dienststelle. Im Verlauf des weiteren Ausbaues des Betriebsrätegesetzes und nach Hinzutreten des Beamtenrätegesetzes wurde allmählich die Zahl der Mitglieder vermehrt und der Vorsitz einem aus der Mitte der örtlichen Beamten- oder Arbeitervertretung gewählten Mitglied übertragen, die Funktionen der Dienststelle bzw. deren Vorstand auf Auskunfterteilung und Ausführung der von dem jeweiligen Ausschuß gefaßten Beschlüsse beschränkt.


Diese einzelstaatliche Entwicklung hat sich, da sie einer glatten Geschäftsabwicklung hinderlich, nicht bewährt und, sie erfuhr dann auch bald von Reichs wegen eine Änderung in der Richtung, daß die Zahl der Mitglieder verringert und die Zuständigkeit der Dienststellen wieder gestärkt wurde.

Die Vergebung der bahneigenen Mietwohnungen an die Bediensteten und die Festsetzung des Mietpreises wird im Benehmen mit den Ausschüssen vorgenommen. Bei der Zuweisung der Wohnungen entscheidet nach den Bestimmungen des R.V.M. der Amtsvorstand, jedoch nach Anhörung des Ausschusses, u. zw. nach dem Grundsatz, daß zu berücksichtigen ist: In erster Linie die Bedürftigkeit, d.h. die Höhe des Gesamteinkommens und die Familienverhältnisse, in zweiter Linie das Dienstalter und die Zeit der Vormerkung. Die Mietpreise (für Dienst- und Mietwohnungen) werden im Bereich der deutschen Reichsbahnen so bemessen, daß sie ein wenig (etwa 1/6) unter den ortsüblichen Mieten gleichwertiger Wohnungen bleiben – bei den schweizerischen Bundesbahnen wird für die Dienstwohnungen nur die Hälfte von der Miete für eine gleichartige bahneigene Mietwohnung berechnet und diese ist etwa 1/5 geringer als die ortsübliche. Für das Mietverhältnis gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts und die besonderen Bestimmungen der Dienstwohnungsvorschriften.

Soweit möglich und namentlich in ländlichen Bezirken wird an den Mieter auch Gartenland verpachtet, wofür je nach Lage des Falls die Miete entweder besonders berechnet oder in den Mietzins der Wohnungen eingerechnet wird.


V. Technische Anlage der Wohnungen.


Die technische Ausführung der Kleinwohnungen ist zwar schon in dem Abschnitt »Arbeiterwohnungen« (Bd. 1, S. 218 ff.) eingehend behandelt, indessen haben die im Kriege und in den Nachkriegsjahren gewonnenen Erfahrungen gelehrt, gerade der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der technischen Ausführung besonders erhöhte Beachtung zuzuwenden, da ja die sparsame Ausführung der einzelnen Bauobjekte die Beschaffung einer größeren Zahl von Wohngelegenheiten ermöglicht. Diesbezüglich ist folgendes zu beachten:

Bei der Wahl des Geländes ist zwar selbstredend Bedacht zu nehmen auf eine günstige Lage der Wohnhäuser zur Dienststelle oder Arbeitsstätte, sowie zu etwa vorhandenen Verkaufsstellen für Lebensmittel, zu Schule und Kirche, nicht minder aber auch auf Vermeidung ungewöhnlicher Ausgaben infolge der Bodenbeschaffenheit der Baustelle. Wenn irgend angängig, sind die Gebäude so anzulegen, daß die Schlafräume und mindestens ein Wohnraum Sonnenlage bekommen. Die Anzahl der in einem Einzelhause anzuordnenden Wohnungen ist fallweise zu bestimmen. Einfamilienhäuser – gleichgültig ob freistehend oder in Reihe – sind aus den früher erwähnten Gründen im allgemeinen für die Eisenbahnverwaltungen nicht zu empfehlen. Gegen das freistehende Einfamilienhaus insbesonders sprechen übrigens auch Gründe technischer, gesundheitlicher und finanzieller Art, die es als für die unteren und mittleren Bevölkerungsschichten überhaupt für ungeeignet2 erscheinen lassen.[427]

Reihenhäuser haben gegenüber den freistehenden Gebäuden die namentlich in städtischen Bezirken sehr ins Gewicht fallenden Vorteile der geringeren Grunderwerbskosten und der geringeren Baukosten, außerdem den Vorzug der besseren Wärmehaltung. Zwischen dem freistehenden Haus und dem Reihenhaus liegt als vorbildliche Bauform das Gruppenhaus. Die Zahl der Stockwerke hängt mit der Frage zusammen, ob man sich für Flachbau oder Hochbau entscheidet. Unter Flachbau sind im allgemeinen zweigeschossige Gebäude (Ein- oder Zweifamilienhäuser), freistehend oder in Reihe zu verstehen, also auch zweistockige Gruppenhäuser. Das zweistockige Miethaus (»Kleinhaus«) erfordert zwar in der Mehrzahl mehr Grunderwerbskosten als das mehrstockige (drei- und viergeschossige – Mittelhaus, fünf und mehr Geschosse – Hochhaus) mit derselben Zahl von Wohnungen, dafür aber weniger Baukosten (da für das letztere massive Bauweise vorgeschrieben wird). Sache der Verwaltung ist es, diese beiden Gesichtspunkte in jedem Fall gegeneinander abzuwägen. In städtischen Bezirken wird der Entscheid meist für die mehrstockige Bauweise ausfallen, da hier das Mehr für Grunderwerbskosten die Kosten für massivere Ausführung übersteigt. Im allgemeinen sollte jedoch auch in Großstädten über das Mittelhaus (drei- und viergeschossig) nicht hinausgegangen werden, einmal wegen der Rückwirkung auf die Steigerung der allgemeinen Bodenpreise, hauptsächlich aber, damit nicht die unbemittelten Bediensteten entweder auf unerwünscht hochgelegene oder lichtarme untere Wohnungen verwiesen werden müssen und endlich, damit die Unzuträglichkeiten einer Mietkaserne vermieden werden.

Am ungünstigsten sind die Folgen der Entwicklung nach der Höhe – zum Hochhaus, da solche Häuser mehrere Quergebäude und Seitenflügel erhalten oder an verhältnismäßig engen Straßen stehen, so daß licht- und luftarme Hinter-, Seiten- oder gar solche Straßenwohnungen entstehen.

Die bayerische Eisenbahnverwaltung hatte früher manchmal auch, um den Wohnungen die Vorzüge des Einfamilienhauses zu geben, das sog. Herbergensystem verwendet, d.h. Gebäude, in denen sich 3–4 Wohnungen unter einem Dach befinden, bei denen aber jede Wohnung eigenen Eingang von außen[428] (die oberen Wohnungen durch besondere Treppenhäuser oder durch offene Stiegen an der Außenseite des Hauses) erhält. Bei den heutigen Verhältnissen wird sich diese kostspielige Bauweise wohl nur in seltenen Fällen ermöglichen lassen.

Über die Größe und Beschaffenheit der Wohnungen hat die deutsche Reichseisenbahnverwaltung nachstehende allgemeine Richtlinien herausgegeben.


Größe und Beschaffenheit der Wohnungen. Bauweise der Wohnungen (vgl. Abb. 261266).


Hinsichtlich der Größe, Raumzahl, Ausstattung u.s.w. der Wohnungen sind grundsätzlich keine Unterschiede zwischen bahneigenen Wohnungen und Genossenschaftswohnungen u.s.w. zu machen. Abgesehen von ländlichen Verhältnissen ist im allgemeinen dem Mehrfamilienhaus – sog. Bürgerhaus – mit 2 Wohnungen am Treppenhaus der Vorzug zu geben. Über 3 Geschosse soll in der Regel nicht hinausgegangen werden. Einfamilien- und selbst Einfamilienreihenhäuser müssen gegen jene Anlage zurücktreten, wenn vergleichende Kostenberechnungen ergeben, daß das Mehrfamilienhaus billiger wird als eine entsprechende Zahl Einfamilienhäuser.

Die neuerdings hervorgetretenen Sparbauweisen sind mit Vorsicht aufzunehmen. Die Gesamtanlage ist mit möglichster Sparsamkeit zu gestalten. Das Äußere soll bei aller Einfachheit baukünstlerischen Anforderungen entsprechen. Die Wohnungen müssen unter Vermeidung aller Anlagen und Ausstattungen, die nur einer überflüssigen Bequemlichkeit und dem Luxus dienen, den der Landesart angepaßten guten Wohnsitten sozial gleichartiger Kreise genügen. Grundrißmuster für Eisenbahnkleinwohnungen können nicht für den ganzen Bezirk der Reichseisenbahnverwaltung aufgestellt werden. Sie sind vielmehr auf Grund genauer Kenntnis der Berufs- und Lebensverhältnisse des Eisenbahnpersonals, der Volksgewohnheiten, klimatischen und sonstigen örtlichen Verhältnissen von den Zweigstellen und Generaldirektionen für kleine Bezirke auszuarbeiten. Bei der Bemessung der Größe, Raumzahl, Raumanordnung und Ausstattung ist dem Dauerbedürfnis der künftigen Bewohner Rechnung zu tragen. So sehr den oft übertriebenen Ansprüchen der Wohnungsbewerber entgegengetreten und auf eine Rückkehr zur Einfachheit und Genügsamkeit hingewirkt werden muß, so verfehlt wäre es, außer acht zu lassen, daß Wohnungen errichtet werden sollen, die nicht nur über die augenblickliche außerordentliche Not hinweghelfen sollen, bei zu beengten Wohnungsverhältnissen würde die anfängliche Freude über das gefundene Unterkommen bald einer Enttäuschung und dauernden Unzufriedenheit Platz machen. Wegen[429] Größe und Raumzahl wird es vorerst bei den von den früheren Verwaltungen übernommenen Bestimmungen zu verbleiben haben. In der Regel sind Kleinwohnungen mit 3 Zimmern und Küche oder Wohnküche mit 2 Zimmern und Kammer mit einer Nutzfläche bis zu 60 m2 zu bauen. Unter Nutzfläche ist die gesamte Bodenfläche innerhalb des Wohnungsabschlusses zu verstehen. In angemessenem Verhältnis können unter Beachtung größter Sparsamkeit in der inneren und äußeren Ausstattung auch Vier-Zimmer-Wohnungen mit etwa 85–90 m2 Nutzfläche vorgesehen werden.

Liegt ausnahmsweise für noch größere Wohnungen das Bedürfnis vor, so ist zur Ausführung die besondere Genehmigung des R.V.M. erforderlich.

Wenn in der Nähe der Siedlungen bahneigene oder öffentliche Warmwasserbadeanstalten fehlen, soll die Möglichkeit, in den Wohnungen ein Bad einzurichten, durch Anlage von Zu- und Abwasserleitungen vorgesehen werden. Wo öffentliche Gas- und elektrische Leitungen bestehen, können die Wohnungen an diese angeschlossen werden. Das Bedürfnis nach Viehhaltung ist nach den örtlichen und Zeitverhältnissen und auch wieder nach den persönlichen Verhältnissen, Kenntnissen und Neigungen der Wohnungsinhaber verschieden. Bei den derzeitigen hohen Kosten massiver Stallbauten läßt sich deren Errichtung im allgemeinen nur in ländlichen Verhältnissen vertreten, wo die Versagung solcher Anlagen einen Bruch mit Volksgewohnheiten bedeuten würde oder wo die Lebenshaltung von Bediensteten – z.B. Bahnwärtern – kleinbäuerlichen Zuschnitt hat.

Die Ställe sollen Raum für 2 Ziegen, 1–2 Schweine und Federvieh bieten. Wo die vorerwähnten Voraussetzungen nicht zutreffen, können sich die Wohnungsnutznießer auf bahneigenem Gelände nach zuvoriger Genehmigung der zuständigen Behörde Stallungen behelfsmäßig errichten.

Nach Möglichkeit sollen bei Neubauten kleine Hausgärten vorgesehen werden. Sie sind bei der Erstanlage mit dem nötigen Mutterboden zu versehen und können auch mit den nötigsten Nutz- und Zierbäumen bepflanzt werden.


Im allgemeinen ist der Grundriß über gleichseitiger oder rechteckiger Geviertform der natürlichste und zweckmäßigste, der auch den technisch einfachsten, also wirtschaftlichsten und ästhetisch klarsten Aufbau gewährleistet. Falls eine Wohnküche angeordnet wird, darf nicht der kleinste Raum der Wohnung hierfür verwendet werden, er muß vielmehr in seinen Abmessungen so gestaltet sein, daß in ihm nicht nur gekocht, sondern auch tatsächlich gewohnt werden kann. Das bedingt bestimmte Mindestabmessungen, die in der Regel um so weniger ängstlich zugeschnitten zu werden brauchen, als dann die übrigen Räume nicht mehr zum Wohnen, sondern nur zum Schlafen benutzt werden sollten. Dagegen ist heute mehr denn je auf Vermeidung aller unnötigen Räume und Raumteile und auf Beschränkung der Abmessungen auf das unbedingt notwendige Maß zu achten. Durch Anordnung der Wohnungen[430] nach der Tiefe (besonders bei Reihenhäusern) der Häuser, so daß jede Wohnung sowohl nach der Straße wie nach dem Hofe zu Fenster erhält, wird nicht nur die beste Ausnützung der Sonnenwärme, sondern auch die so wünschenswerte Durchlüftung der Wohnungen ermöglicht. Bei Gestaltung und Bemessung der Räume, Anordnung der Türen und Fenster, ist auf die voraussichtliche Möblierung (namentlich der Schlafzimmer), auf Gewinnung möglichst großer Stellwände Rücksicht zu nehmen.

Unnötige Geschoßhöhen sind zu vermeiden (in ländlichen Bezirken genügt eine lichte Höhe von 2∙10 m, in städtischen eine solche von 2∙50 m), ebenso unnötig große Fenster (1/12 der Raumgrundfläche als Gesamtfläche der Fenster genügt, zumal bei den sprunghaft steigenden Glaspreisen). Treppenhäuser genügen auch bei mehrstockigen Gebäuden mit 2∙20 m lichter Weite, wobei allerdings Voraussetzung, daß die inneren Wangen nicht mit Abstand, sondern in gleicher Flucht übereinander angeordnet werden.

Um Dachholz zu sparen empfiehlt sich, die Dächer nicht steiler zu machen, als die gewählte Dachdeckung erfordert; wird eine gewisse Höhe des Dachstocks verlangt, ist solche durch Anordnung eines Drempels (Kniestock) zu erreichen. In der Grundrißgestaltung ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß der größte Raum durch Einziehung einer Zwischenwand gegebenenfalls in zwei Räume geteilt werden kann. Speisekammern sind nur in den besseren Wohnungen mittlerer Beamten vorzusehen, sonst genügt ein lüftbarer Speiseschrank in der Brüstung des Küchenfensters (so daß seine Platte als Küchentisch verwendbar). Auf dem Lande sind die Aborte ebenso wie die Brennmaterialienräume in besonderen Nebengebäuden einfachster Ausführung unterzubringen.

Auch im einzelnen der handwerklichen Ausführung lassen sich manche Ersparnisse machen. Vor allem: Ausführung aller Einzelheiten (besonders der Türen, Fenster, Treppen) nach Normen, Abmessungen und Material genau den örtlichen Erfordernissen anpassen, keine unnötigen Mauerstärken auch für die oberen Geschoße. Für Fußboden in Keller und Holzlege genügt festgestampftes Erdreich. Zusammenziehung der [431] Schornsteine in Sammelschornsteinen, Küchenschornstein so anordnen, daß er auch zum Erwärmen von Zimmern ausgenützt werden kann. An Holz- und Blechstärken sparen. Das Holz für Dachstuhl und Gebälke möglichst genau nach den Ergebnissen der statischen Berechnung bemessen. Natur- und Kunststeine sollten auch am Äußern kaum noch verwendet werden (Abdeckung der Fensterbänke und Gurten mit Blech), vielleicht nur noch als Kantenschutz von Haupteingängen an der Straße – für die rückwärtigen Ausgänge genügen Profileisen, im Ton des umschließenden Putzes gestrichen. Als Gebäudesockel genügt ein Überzug mit Traßmörtel. Statt starkem Außenvollputz sollte man viel häufiger ein bloßes Überschlammen der Mauern anwenden, wie es in früheren Jahrhunderten in[432] vielen deutschen Orten (am Niederrhein und in Bayern) geübt wurde und sich in jeder Beziehung sehr bewährt hatte.

In Kellern und Holzlegen ist Bestrich oder gar Vollputz der Wände gänzlich unnötig; wenn man die Mauern nicht roh lassen will, genügt weißnen. Auch am Anstrich kann gespart werden; auf einigermaßen sauberem Holz genügt zweimaliger Anstrich. Statt Tapeten nur Makulaturen (die im Ton häufig sogar noch besser und haltbarer als billige Tapeten). Innere Holzbekleidungen der Leibungen und Brüstungen der Fenster sind unnötig, Türbekleidungen genügen mit 6 cm, Fußsockel mit 10 cm Breite. In den Vorplätzen sind Türbekleidungen ganz entbehrlich, hier genügt ein Vorstehen des Leibungsfutters zum Anschluß des Wandputzes. Möglichst wenig Dachaufbauten, da sie an sich teuer und in Ausführung und Unterhaltung teure Verwahrungen benötigen. Von besonderer Wichtigkeit ist auch das Sparen an Taglohnkosten, die sich u.a. durch Aussparen aller Öffnungen für die Installationen vermeiden lassen.

Die Häuser sollen einen bescheidenen, aber freundlichen und ästhetisch befriedigenden Eindruck machen. Dieses Ziel soll aber nicht etwa durch allzu große Mannigfaltigkeit im Aufbau, in den Materialien und den Farben angestrebt werden. Insbesondere der in den verflossenen Jahrzehnten so beliebte Wechsel in sichtbarem Ziegelmauerwerk, Putz und Holzfachwerk darf nur mit äußerster Vorsicht angewendet werden. Namentlich auf dem Lande ist Wert darauf zu legen, daß sich die Gebäude gut dem Landschaftsbild einfügen, woraus sich von selber die Notwendigkeit der Anpassung an die gute alte ortsübliche Bauweise ergibt – »bodenständig«. Die Hauptsache ist bei freistehenden Häusern eine glückliche kubische Massenform, bei Reihenhäusern die Zusammenfassung der Einzelhäuser – zu einer ruhigen klaren Gesamtform. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die ästhetische Erscheinung von freistehenden Ein- oder auch Zweifamilienhäusern mit Kleinwohnungen kaum glücklich zu lösen ist – also wiederum eine Tatsache, die gegen den Flachbau spricht. Besser wirken stets Vier- oder Sechsfamilienhäuser in Gruppenbauweise. Der Reiz der Fassadenfläche beruht in der geschickten Wahl von Form und Größe der Öffnungen und ihrer Verteilung auf der Wand, die erwünscht freundliche Note läßt sich erzielen durch harmonische Farbengebung des Putzes, der Fenster, Türen und Läden. Bei Wohnhäusern ist darauf zu achten, daß sowohl Flächengliederung als Farbengebung aller Gebäude einheitlich (also nicht jedes Haus verschieden, wie es vor nicht langer Zeit Übung war). Als Brennpunkte der Gesamtfassade wirken je nach der Grundrißgestaltung die rhythmisch sich wiederholenden Eingänge oder Treppenhäuser, allenfalls noch diese Achsen betonende Dachaufbauten.

Fuchs.

Abb. 261.
Abb. 261.
Abb. 262.
Abb. 262.
Abb. 263.
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Abb. 264.
Abb. 264.
Abb. 265.
Abb. 265.
Abb. 266.
Abb. 266.
1

Nicht zu verwechseln mit den Arbeiterausschüssen der deutschen und österreichischen Bahnen vor dem Krieg, denen ein Mitbestimmungsrecht nicht zustand, die nur von Fall zu Fall einberufen und deren Vertreterzahl und Auswahl verfügt wurden.

2

Man denke z.B. nur an den einen Umstand: Die weitesten Volkskreise bis hinein in den begüterten Mittelstand können sich heutzutage keine Dienstboten mehr leisten und sind deshalb die Hausfrauen auf gegenseitige Aushilfe in Wirtschaft und Kinderwartung angewiesen, die naturgemäß bei Einfamilienhäusern, zumal bei freistehenden, sehr erschwert, wenn nicht unmöglich ist.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 420-433.
Lizenz:
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