Zugpersonal, Zugmannschaft

[514] Zugpersonal, Zugmannschaft (engine and train staff; personnel du train; personale del treno), das zur Beförderung und Begleitung der Züge und Triebwagen bestimmte Personal. Es wird auch wohl als Fahrpersonal (s.d.) bezeichnet, untersteht während der Fahrt dem Zugführer und zerfällt nach § 63, 1, der[514] deutschen EBBO. übereinstimmend mit den für die österreichischen Bahnen geltenden Vorschriften f.d. Verkehrsdienst in:

a) Lokomotivpersonal (engine crew; personnel de la locomotive; personale della locomotiva), bestehend aus Lokomotivführer, Reservelokomotivführer (engine driver, engineer; machiniste ou mécanicien; macchinista, quidatore) und Heizer (stoker, fireman; chauffeur; fuochista). Seine Dienstverrichtungen und Pflichten sind in den Aufsätzen Lokomotivfahrdienst, Triebwagen und Leichte Züge besprochen.

b) Zugbegleitpersonal (train staff, crew; personnel du train; personale del convoglio), bestehend aus:

Zugführer, Zugmeister, Oberschaffner, Triebwagenführer (head guard, chief conductor; chef du train, chef garde, conducteur chef; capotreno);

Packmeister, Oberpackmeister (luggage van guarde; garde-bagages, facteur du train, chef bagages fourgonnier; guarda bagaglio);

Schaffner (guard, conductor; garde, gardeconvoi; conduttore);

Wagenaufseher, Wagenwärter (rolling stock mechanic; homme de peine ou manoevre employé aux waggons; personale di servizio delle vetture o guarda-carro);

Bremser (brakesman; serre-frein; guarda-treno).

Dieser Einteilung der Beamten (s.d.) nach ihren Dienstgeschäften schließen sich die durch den Haushaltsplan der Verwaltungen festgesetzten Bezeichnungen nicht immer genau an. So wird auf den deutschen Reichsbahnen der Bremserdienst durch Schaffner und der Packmeisterdienst in der Regel ebenfalls durch Schaffner wahrgenommen.

Im Zugbegleitungsdienst gilt als allgemeine Regel, daß die Züge von mindestens einem Beamten begleitet werden müssen. Auf den deutschen Bahnen sind nach § 63, 3 der EBBO. hiervon nur die einzeln fahrenden Lokomotiven sowie die Revisionszüge ausgenommen (FV. § 36, 3). Die Vorschriften für den Verkehrsdienst für die österreichischen Bahnen machen die Beschränkung der Zugbegleitung auf einen Beamten davon abhängig, daß es sich um Züge des Lokalverkehrs handelt, deren Wagen mit innerem Durchgang versehen sind. Sie verlangen im übrigen, daß den Zügen soviel Zugbegleiter einschließlich Zugführer mitzugeben sind, als es die Bedienung der Handbremse und die Durchführung des Personen- und Güterdienstes erfordert.

Der Zugführer soll Streckenkenntnis (s.d.) besitzen. Er führt den Fahrbericht (s.d.) und hat sich bei Übernahme des Zuges (s. Zugbildung unter V) zu überzeugen, daß das Z. zur Stelle und dienstfähig ist. Jeder zu- und abgehende Zugbegleitbeamte hat sich bei ihm zu melden. Der Zugführer hat den Zug, die gesamte Handhabung des Dienstes am Zuge und die Befolgung der Signale zu beaufsichtigen. Er hat möglichst oft sich vom Zustande des Zugs zu überzeugen und solange ihm dies seine sonstigen Dienstgeschäfte gestatten, auf die Signale und Wegeschranken zu achten (FV. § 36, 1). Alle Abweichungen vom Fahrplan und außergewöhnlichen Vorkommnisse hat er im Fahrbericht zu melden.


Schwere Unfälle, die durch Nichtbeachtung des Haltsignals vor Blockstellen oder Bahnhöfen hervorgerufen wurden, haben wiederholt zur Prüfung der Frage Anlaß gegeben, ob es zweckmäßig sein würde, neben dem Lokomotivführer einen Zugbegleitbeamten, in erster Linie den Zugführer, mit der dauernden Signalbeobachtung verantwortlich zu betrauen. Schon auf den ersten Eisenbahnen hatte man zu diesem Zweck eine Tenderwache eingerichtet. Dienstvorschriften, nach denen ein Zugbegleitbeamter von einem Platz am Tender der Zuglokomotive aus den Zug unausgesetzt beobachten sollte, finden sich bereits 1838 bei der Leipzig-Dresdner Eisenbahn. Im Jahre 1847 wurde die Einrichtung in England, 1848 in Frankreich durchgeführt. Später, als die Wagen höher und breiter wurden, erhielt die Wache ihren Platz in einem Aufbau des ersten Wagens, des Packwagens. Da hierbei das unmittelbare Benehmen mit dem Lokomotivführer verloren ging, suchte man Ersatz durch Anbringung der Zugleine (s.d.). Die Beteiligung des Zugbegleitpersonals an der Beobachtung des Zugs und der Signale war hierbei in erster Linie auf die Vorgänge im Rücken des Lokomotivführers gerichtet. Sie trat aber im Laufe der Zeit überhaupt zurück, während die Verantwortlichkeit für die Signalbeobachtung mehr und mehr dem Lokomotivführer allein zuerkannt wurde. Auch neuere Erwägungen führten zu dem Ergebnis, daß von einer Abänderung der vorstehenden, in den FV. zum Ausdruck kommenden Bestimmungen zweckmäßig abzusehen sei. Es erschien bedenklich, den Lokomotivführer in seiner vollen Verantwortlichkeit zu entlasten, umsomehr als im Zuge kein zweiter Platz vorhanden ist oder eingerichtet werden kann, von dem aus eine annähernd gleich einwandfreie Beobachtung der Signale wie vom Stande des Lokomotivführers aus möglich sein würde.


Im Laufe der Zeit ist man dazu übergegangen, dem Zugführer auch Dienstleistungen zu übertragen, die früher von Beamten des Stationsdienstes wahrgenommen wurden. In Nordamerika, wo man den Traindispatcher mit dem Zugführer in Verbindung treten läßt, ist dies stets üblich gewesen (s. Fahrdienstleitung unter III u. V).

Die Pflichten des Zugführers sind sehr vielseitig. Außer der allgemeinen Fürsorge für die vorschriftsmäßige Handhabung des Fahrdienstes obliegt ihm die Überwachung der persönlichen Sicherheit der Reisenden. Bleibt der Zug auf freier Strecke liegen, so hat der Zugführer für[515] seine Deckung zu sorgen (FV. § 58; Vorschrift für den Verkehrsdienst, Art. 134), die nötigen Meldungen zum Herbeirufen von Hilfe abzugeben, zu bestimmen, ob die Reisenden die Wagen verlassen dürfen, und in jeder Weise auf die Abwendung von Gefahren bedacht zu sein. Den Schaffnern teilt der Zugführer die einzelnen Wagengruppen oder Wagen zur Beaufsichtigung ihres lauffähigen Zustands, für ihre Bedienung und Bremsbesetzung zu. Falls er nicht selbst oder ein Stationsbeamter auf den Zwischenstationen den Verschiebedienst am Zuge leitet, überträgt er die Beaufsichtigung einem Schaffner, dem Rangierschaffner. – Der Zugführer nimmt seinen Platz in der Regel im Packwagen (s. Dienstabteil). Er bedient dessen Bremse und beaufsichtigt auch das Gepäck, solange der Verkehr gering ist. Andernfalls wird für diesen Dienst ein Packmeister oder Schaffner bestellt. Die sonst am Zuge zur Überwachung des Personen- oder Güterverkehrs, zum Schmieren der Wagen und zur Bremsbedienung erforderlichen Dienstleistungen obliegen den Schaffnern, Bremsern oder Wagenaufsehern. Letztere sind nur bei solchen Zügen nötig, deren Fahrzeuge einer besonderen sachverständigen Überwachung bedürfen, wie dies z.B. bei D-Zügen und bei Güterzügen mit durchgehender Bremse der Fall ist. – Bei dem großen Einfluß der persönlichen Leistungen auf die Zugkosten bedarf es eingehender Prüfung, wie stark das Z. für die ganze Zugstrecke oder für die einzelnen Teilstrecken zu bemessen und in der Diensteinteilung (s.d.) für jeden Zug vorzusehen ist. Umfang und Eilbedürftigkeit des Verkehrs sowie die Zahl der zu besetzenden Handbremsen sind hierbei ausschlaggebend. Im allgemeinen werden dem Zugführer bei Personenzügen 1–3 Schaffner, bei Güterzügen 4–6 Schaffner beigegeben. Die stärkste Besetzung erfordern die Stückgüter- und Nahegüterzüge, damit das zeitraubende Aus- und Einladen nicht zu lange Aufenthalte nötig macht (s. Fahrladedienst). – Die aus Sicherheitsgründen gebotenen strengen Bremsvorschriften erfordern für die Güterzüge ein verhältnismäßig starkes Z. Soweit sie es irgend zulassen, sucht man Erleichterungen herbeizuführen. In Deutschland mindert man die Fahrgeschwindigkeit in den Gefällstrecken möglichst herab, um geringere Bremsprozente zu erhalten (s. Bremsbrutto); in England läßt man ziemlich lange Güterzüge nur durch den Zugführer begleiten, der dann nicht nur die Bremse des am Schluß laufenden Packwagens, sondern auch vor dem Befahren von Gefällstrecken unter Anhalten des Zugs vor und hinter diesen Strecken weitere Bremsen bedient, und in Frankreich stellt man in den Güterzügen je zwei Bremswagen so zusammen, daß die Bremsersitze einander zugekehrt sind und von einem Bremser bedient werden können. Eine befriedigende Lösung wird die Frage der Bremsbedienung erst finden, wenn die Einführung der durchgehenden Bremse weitere Fortschritte gemacht haben wird. Nach den bisherigen Erfahrungen auf den deutschen Reichsbahnen wird man damit rechnen können, daß auch vollbelastete Güterzüge nur zwei Zugbegleiter, den Zugführer und den Wagenwärter erfordern werden. Allerdings muß dann ein Teil der jetzt dem Z. obliegenden Arbeiten von den Bediensteten der Bahnhöfe übernommen werden.

Steigt der Verkehr über das gewöhnliche Maß hinaus, so müssen Hilfskräfte auf den größeren Bahnhöfen oder auf den Stationen, von denen aus eine vermehrte Bremsbesetzung nötig wird, dem Z. zugeteilt werden. Am einfachsten ist es, wenn Stations-, Strecken- oder Werkstättenarbeiter für den Bremserdienst ausgebildet werden, so daß auf diese im Bedarfsfalle zurückgegriffen werden kann.

In Nordamerika hat das Bestreben nach Wirtschaftlichkeit des Betriebs durch Erhöhung der Zugbelastung (s.d.) zu einer über das ganze Land sich erstreckenden und von Erfolg begleiteten Forderung der Zugbegleitbeamten, vornehmlich vertreten durch die Brotherhood of railway trainmen, mit dem Ziel auf gesetzliche Regelung der bei den Zügen mindestens erforderlichen Zugbegleiter geführt. In einer ausführlichen Denkschrift wurde von den Beamten mit Rücksicht auf die Betriebssicherheit eine Vermehrung der Zugbegleiter verlangt, während die Verwaltungen unter dem Hinweis auf die durch Einführung der durchgehenden Bremse erreichten Sicherheit und die Forderung wirtschaftlicher Betriebsführung widersprachen. Im Jahre 1914 bestanden in 20 Staaten für deren inneren Verkehr geltende Gesetze über die Mindestzahl der Begleitbeamten bei Personenzügen, Güterzügen oder dem Verschiebedienst. Sie fordern im allgemeinen eine Besetzung von 4–5 Wagen starken Zügen durch je einen Zugführer, Packmeister und Bremser, von durchgehenden Güterzügen durch den Zugführer und zwei Bremser, von Ortsgüterzügen durch den Zugführer und drei Bremser, und weichen hiermit nicht wesentlich von der auch in anderen Ländern üblichen Besetzungsweise der Züge ab. (Ztg. d. VDEV. 1912, S. 1571. – Arch. f. Ebw. 1914, S. 419, 1915, S. 874.)


Das Z. erhält für seine Dienstleistungen Entschädigungen, deren Höhe und Berechnungsweise in den Aufsätzen Fahrdienstgebühren und Nachtdienst[516] ausführlich besprochen wurde. Die Umwälzungen im Staats- und Verkehrsleben haben auf diesem Gebiete eine wesentliche Änderung herbeigeführt. Die Einführung des Achtstundentags, die Abneigung der Bediensteten gegen alle Entschädigungen, die auch nur den Anschein einer Belohnung für die Übernahme besonderer Dienstleistungen erwecken konnten, führte zunächst zu einer Beseitigung der alten Gebührenordnung und ihren Ersatz durch gleichmäßige Entlohnung aller Fahrdienstleistungen. Es bedurfte langer Verhandlungen, um das Z. zu überzeugen, daß eine geordnete und wirtschaftliche Betriebsführung nur möglich ist, wenn die Fahrdienstgebühren einen Anreiz zur planmäßigen Dienstausführung und zur Erzielung möglichst hoher Nutzleistungen innerhalb der auf 8 Stunden herabgesetzten durchschnittlichen Dienstdauer bieten. Dies ist durch die für die deutschen Reichsbahnen vom 1. Juli 1921 gültige Dienstvorschrift über die Aufwandsentschädigung des Z. erreicht. Nach ihr erhält das Z. 1. ein Stundengeld, 2. einen Zuschlag zum Stundengeld, 3. ein Entgeld für die Ruhezeit außerhalb der Heimat. Das Stundengeld beträgt beim Lokomotivpersonal 60 Pf. für Lokomotivführer, 50 Pf. für Heizer im Zugdienst; 50 Pf. für Lokomotivführer, 40 Pf. für Heizer im Verschiebe- und sonstigem Dienst; 30 Pf. für Lokomotivführer, 20 Pf. für Heizer im Bereitschaftsdienst ohne Lokomotive in der Heimat; beim Zugbegleitpersonal 50 Pf. für Zugführer, 40 Pf. für Oberschaffner, Schaffner und Wagenaufseher im Zugdienst; 40 Pf. für Zugführer, 30 Pf. für die übrigen Beamten bei Fahrten nach Anschlüssen u.s.w.; 25 Pf. für Zugführer, 20 Pf. für die übrigen Beamten im Bereitschaftsdienst der Heimatstation. Der Zuschlag zum Stundengeld beträgt für Lokomotivführer und Heizer im Schnellzugdienst 1 M., im Personen- und Güterzugdienst 80 Pf., bei Anschlußfahrten 40 Pf. und im übrigen Dienst 30 Pf. bei 2zylindrigen Lokomotiven. Bei 3- und mehrzylindrigen Lokomotiven tritt eine Erhöhung auf M. 1∙4, M. 1∙1, 60 und 40 Pf. ein. Für die Zugbegleitbeamten beträgt der Zuschlag 40 Pf. im Schnellzugdienst, 50 Pf. im Personen- und Güterzugdienst, 60 Pf. im schweren Güterzugdienst (Stückgüter- und Nahegüterzüge) und 30 Pf. im Dienst nach Anschlüssen. Als Entgeld für Ruhe außerhalb der Heimat wird bei Überweisung eines Raumes mit Bett 5 M., sonst 10 M. gewährt.


Durch die allgemeine Herabsetzung der durchschnittlichen täglichen Dienstdauer auf 8 Stunden ist eine Überanstrengung des Betriebspersonals weit weniger als früher zu befürchten. Die in den Aufsätzen Dienst- und Ruhezeiten sowie Nachtdienst mitgeteilten Grenzen der zulässigen Inanspruchnahme der Betriebsbeamten, sind daher in wesentlichen Punkten hinfällig geworden. Mehr als früher muß jetzt das Bestreben darauf gerichtet sein, das Personal innerhalb der nunmehr eingeschränkten zulässigen Inanspruchnahme nutzbringend zu beschäftigen und ein unwirtschaftliches Verweilen im Dienst ohne Leistungen zu vermeiden. Hierzu sollen die neuen Aufwandsentschädigungen beitragen.

Breusing.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 514-517.
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