Schreiber, Familie

[866] Schreiber (Eßlingen). Unter den süddeutschen Verlagsfirmen ist der Verlag von J. F. Schreiber in Eßlingen einer der bekanntesten. Im Jahre 1831 gründete in Eßlingen der 1809 geborene Lithograph Joh. Ferd. Schreiber eine lithographische Kunst- und Verlagsanstalt. Er war geschickt in seinem Fache und erkannte die Dürftigkeit des bildlichen Lehrmaterials jener Zeit, sowohl für[866] die Schule als für das Volk. Es war der richtige Griff, als er mit den für die damalige Zeit groß angelegten Unternehmungen: »Die zwölf Monate des Jahres« (1833), »Eßlinger Bilder zum Anschauungs-Unterricht für die Jugend« (1835), »Arbeitsstätten und Werkzeuge der wichtigsten Handwerke« (1840) und anderen mehr, hervortrat und dadurch die junge Kunstanstalt in kurzer Zeit überall wohlbekannt machte. Diese Werke fanden in ihrer farbigen Ausstattung und Herstellung bald den vollsten Beifall der Lehrerwelt, und viele dieser trefflichen Darstellung gelten heute noch trotz aller Nachahmungen als mustergültig. Sämtliche Bilder waren mit Hilfe einer aus Nürnberg gekommenen Erfindung mit Wasserfarben mittelst Schablonen koloriert. Das Verfahren, wie es J. F. Schreiber mit Erfolg und Geschick anwandte, ist wohl als der Anfang der fabrikmäßigen Herstellung des Kolorits zu bezeichnen – ein nicht vollkommener, aber brauchbarer Ersatz für die dann in späteren Jahren zur Ausbildung gekommene Chromo-Lithographie. Vorher mußten alle Bilder mit der Hand einzeln bemalt werden, was natürlich sehr zeitraubend und kostspielig war.

Der immer mehr sich vergrößernde Betrieb machte es notwendig, daß Schreiber sich nach einer Hilfskraft umsehen mußte. Die Leitung und Ueberwachung der graphischen Abteilungen nahm seine Kraft zu sehr in Anspruch, so daß er eine Unterstützung nach der buchhändlerischen Seite hin bedurfte. Er fand diese in Karl Thienemann aus Gotha. Derselbe besaß eine vortreffliche Bildung und war dichterisch beanlagt, was dem Verlage zu statten kam, indem er unter die Bilder reizende, von feinem Verständnis für die Kinderseele zeugende Verschen setzte. Fielen doch auch gerade in diese Zeit die ersten Anfänge des J. F. Schreiberschen Bilderbücherverlags, zu dessen geistigem Mitarbeiter Thienemann wie geschaffen war. Ein bleibendes Denkmal hat er sich dann in seinen sinnvollen »Bildergeschichten« gesetzt: einem gut illustrierten Bilderbuche des J. F. Schreiberschen Verlages, das heute noch von vielen Müttern und Großmüttern, die als Kinder selbst diese Verse auswendig gelernt haben, immer und immer wieder für ihre Kinder und Enkel verlangt wird.

Als 1846 Karl Thienemann aus der Firma austrat und in Stuttgart die Firma K. Thienemanns Verlag gründete, assoziierte sich J. F. Schreiber mit dem Buchhändler C. Schill in Stuttgart. Die Firma hieß nun Schreiber & Schill. Der letztere übernahm die Expedition in Stuttgart, während Schreiber sich der Fabrikation in Eßlingen widmete. Nach dem Beitritt Schills ergänzte der Verlag das von Schreiber angefangene Unternehmen »v. Schubertsche Naturgeschichte des Tierreiches« in 90 farbigen[867] Folio-Tafeln durch die »v. Schubertsche Naturgeschichte des Pflanzenreiches« in 52 Folio-Tafeln, so daß mit der »v. Kurrschen Naturgeschichte des Mineralreiches« mit 22 kolorierten Folio-Tafeln die Geschichte der drei Naturreiche vollständig war.

Weiter erschienen damals die »Sechzig Biblischen Bilder«, hübsch koloriert und nach und nach in Tausenden von Exemplaren in allen Ländern der Welt verbreitet.

1862 wurde Schill dem aufblühenden Geschäfte durch den Tod entrissen, und Schreiber führte es nun wieder allein unter der alten Firma fort. Inmitten schöner Erfolge starb Schreiber im Jahre 1867 und sein Sohn Ferdinand Schreiber war nunmehr berufen, das Geschäft weiterzuführen.

Dieser hatte den Buchhandel in seiner Vaterstadt von 1849 bis 1852 in der C. Weychhardtschen Buchhandlung erlernt. Darauf konditionierte er bei Hörnecke & Lohse, jetzt Leuschner in Graz, um dann, ins väterliche Geschäft zurückgekehrt, die technische Herstellung lithographierter Bildwerke zu erlernen. Nachdem er das Jahr 1856 seiner technischen Ausbildung als Steindrucker gewidmet hatte, ging er 1857 nach Paris, um dort sich weiter zu vervollkommnen. Schreiber hatte hier Gelegenheit viel zu lernen, und er brachte von Paris einen großen Schatz von lithographischen Kenntnissen nach Hause, die ihm sein ganzes Leben von außerordentlichem Nutzen waren.

Durch ihn hielt die erste lithographische Schnellpresse im Jahre 1864 in Deutschland ihren Einzug.

1869 gründete Ferd. Schreiber die »Eßlinger Zeitung«, die noch heute mit Erfolg (8000 Aufl.) besteht, aber als nicht in die Verlagsrichtung des Hauses passend, verkauft wurde. Die immer wachsende Ausdehnung des Betriebes machte nach 1870 die Erwerbung ausgedehnter Baugründe notwendig, auf denen nun nach und nach neue Betriebsgebäude errichtet wurden.

Schon 1870 machte der Verlag den Versuch, den Märchenbildern des großen englischen Illustrators Walter Crane in Deutschland Eingang zu verschaffen. Er fand aber damals wenig Anklang – der deutsche Geschmack zeigte sich noch nicht reif für solche Schöpfungen.

Neue Unternehmungen für den Schulunterricht folgten anfangs der 1870er Jahre, z. B. die »Wandtafeln der Naturgeschichte«. 1872 trat der zweite Sohn des Gründers, Max Schreiber, in die Firma ein. Der Jugendschriftenverlag erfuhr 1872 eine neue Bereicherung durch die Erwerbung des großen Verlagsgeschäftes von Hofmann & Hohl in Stuttgart. Durch diese Angliederung gelangte der Schreibersche Verlag in den Besitz der Schriften von Isabella Braun, Nieritz, Pichler usw., verkaufte diese aber, da er[868] die Richtung nicht verfolgen wollte, 1890 und widmete sich statt dessen der Herausgabe humoristischer Bilderbücher, zu welchem Zwecke die Firma den beliebten Münchener Kunstmaler Lothar Meggendorfer gewann. 1889 erfolgte die Gründung der »Meggendorfer-Blätter«, farbig illustrierte Zeitschrift für Humor und Kunst. Diese der deutschen Familie gewidmete humoristische Zeitschrift, die besonders den feinen farbigen Illustrationsdruck pflegt, hat es verstanden, sich überall heimisch zu machen, so daß sie heute in einer Auflage von mehr als 55000 Exemplaren über die ganze Welt verbreitet ist. Die durch Herausgabe der Meggendorfer-Blätter entstandenen Verbindungen führten denn auch 1899 zur Gründung einer Zweigniederlassung in München. Es muß hier ausdrücklich bemerkt werden, daß es der 1903 ausgetretene Bruder des Kommerzienrats, Max Schreiber (jetzt Besitzer des Verlages Paul Neff) war, der die Meggendorfer Blätter zu ihrer Berühmtheit brachte. Er hat anfangs sogar unter dem Widerspruch seines Bruders die Zeitung begründet und in die Höhe gebracht. Die meisten großen Unternehmungen während seiner 30jährigen Tätigkeit in der Firma sind ausschließlich seinem Unternehmungsgeist und seiner Initiative zu verdanken. Er war stets die »Seele« des Geschäftes.

Der Wandtafel-Verlag wurde vermehrt durch neue Unternehmungen, namentlich durch die große farbige Engledersche Sammlung von 133 Nummern der Tier- und Pflanzenkunde, die großen künstlerischen Wandbilder zum Anschauungs-Unterricht, Matzdorffs ökologische Wandtafeln zur Tierkunde und Dodels Biologischen Atlas der Botanik in 7 Tafeln. An hervorragenden Neuerscheinungen des Buchverlags sind zu nennen: Dalitzsch, Pflanzenbuch, Weiler, Physikbuch, Baur, Gesundheitspflege, Schmid, Lehrbuch der Mineralogie und Geologie. Meerwarth, Photographische Naturstudien, Plehn, Fische, Lampert, Großschmetterlinge und viele andere.

Seit dem am 15. Oktober 1903 stattgefundenen Austritte von Max Schreiber, welcher den Verlag von Paul Neff in Stuttgart erwarb, war Kommerzienrat Ferdinand Schreiber der alleinige Besitzer der Firma. Im Jahre 1906 nahm er seine beiden Söhne Robert und Ferdinand Schreiber jun. als Teilhaber auf. Beide Söhne haben sich viele Jahre in bedeutenden Firmen des In- und Auslandes eine umfassende Berufsbildung angeeignet, die sie in die Lage setzt, ihrem Vater mit Rat und Tat in den verschiedenen Ressorts zur Seite stehen.

Quellen: Verlagskatalog 1906/07; Deutsche Buchhandelsblätter 1904, Heft 7.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 866-869.
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