[80] Aristophanes.
Ein griechischer Comödiendichter. Von seinen Lebensumständen weiß man wenig. Das atheniensische Bürgerrecht wurde ihm streitig gemacht, aber er behauptete es. Zu seiner Zeit besaß Athen die größten Männer; denn er war ein Zeitgenosse des Sokrates und Perikles.
Damals scheinet die Comödie noch keine ordentliche Gestalt gehabt zu haben. Weder die Anordnung der Handlung, noch eine ordentliche [80] Einrichtung der Bühne, noch die Wahrheit und Entwiklung der Charaktere, war damals in der Comödie bekannt. Dieses muß man beym Aristophanes nicht suchen. Die Form seiner Comödie ist noch sehr barbarisch und mehr ein Possenspiel, als eine Handlung, in welcher sich Begebenheiten, Unternehmungen oder Charaktere, entwiklen. Er führt zum Theil, nach dem Gebrauch der alten Comödie, würkliche, damals in Athen lebende und unter den Zuschauern sich befindende, zum Theil allegorische Personen auf. Der Inhalt der Handlung ist allemal etwas aus den damaligen Begebenheiten der Stadt, und meistentheils politisch. Ausgelassener Muthwillen, Personen von Ansehen durch zu ziehen; ein unbedingter Vorsatz, das Volk, es koste, was es wolle, lachen zu machen, und ihm Fastnachtspossen vorzuspielen, scheinet damals der Charakter der comischen Bühne gewesen zu seyn.
Diese Fehler der Einrichtung sind also nicht Fehler des Aristophanes, der sich nach der, vielleicht zum Gesetz gewordenen, Mode seiner Zeit richten mußte. Aber sein ist der unerschöpfliche und alles durchdringende Witz, die höchste Gabe zu spotten, darin ihm weder Lucian, noch unter den Neuern Swifft, noch irgend jemand, gleich kommt, die Sprache und der Ausdruk, den er im höchsten Grad der Vollkommenheit besessen hat. Daher in einem Sinngedichte, welches dem Plato zugeschrieben wird, gesagt wird, daß die Gratien sich so, wie er, ausdrüken würden. Sein ist die riesenmäßige Stärke, womit er die Demagogen in Athen und ofte das ganze Volk selbst angegriffen hat. Es wäre vielleicht nicht übertrieben, wenn man sagte: daß in einer einzigen von seinen Comödien, mehr Witz und Laune ist, als man auf den meisten neuern Bühnen in einem ganzen Jahr hört. Aber in einem Stük sind auch mehr Grobheiten und Zoten, als man itzt auf der schlechtesten Hanswurstbühne duldet. Man kann diesen Dichter seiner Talente halber kaum genug loben, und wegen des Mißbrauchs, den er bisweilen davon gemacht hat, kaum genug tadeln. Es ist ihm nichts ehrwürdig genug, wenn er in seiner spottenden Laune ist: sein Spott greift Götter und Menschen an. Mit dem Sokrates geht er, wie mit einem Lotterbuben um; Aeschylus, Sophokles, und Euripides müssen überall seine Spöttereyen aushalten.
Man darf sich deswegen nicht wundern, daß der ehrliche Plutarchus ihn so ernstlich getadelt hat.1 Dieser Philosoph, der bey einem guten Verstand ein mit den besten Empfindungen erfülltes Herz hatte, das man an unserm Dichter ganz vermißt, mußte nothwendig unwillig auf den Mann seyn, dem alles Gute und Heilige gleichgültig oder gar verächtlich schien. Wäre dieser große Mann ein moralischer Mensch gewesen, so würde ihm der erste Ruhm unter allen Dichtern gehören; Man nehme, sagt ein großer Kunstrichter,2 aus Aristophanes Werken die Fleken weg, die in einem unreinen Herzen ihren Grund haben, so bleibet eine bewundrungswürdige Fürtreflichkeit übrig.
Man beschuldiget ihn insgemein, daß er durch seine Comödie, die Wolken genennt, die Verurtheilung des Sokrates vorbereitet habe. Aber der Pater Brumoi hat gezeiget, daß dieses gar nicht wahrscheinlich sey.3
Es entsteht über die Comödien dieses außerordentlichen Geistes noch ein Zweifel, den meines Wissens niemand aufgelöst hat. Wie hat ihm eine so große Schmähsucht gegen die vornehmsten Männer des Staates, gegen das ganze Volk selbst, und so gar gegen die Götter, so ungerochen hingehen können? Ohne Zweifel liegt der Grund davon in der ursprünglichen Einrichtung der alten Comödie, die allem Ansehen nach aus solchen Schmähungen und Durchhechlungen der angesehensten Männer bestanden hat; die also eben so wenig strafbar waren, als die Schimpfreden, welche die römischen Soldaten in den Triumphliedern gegen ihre Feldherren sich erlaubten. Dieses Schimpfen mag in der ursprünglichen Form der griechischen Comödie, [81] so gegründet gewesen seyn, wie noch itzt im Carneval unter der Maske manches erlaubt ist, das sonst nicht würde geduldet werden. Lucianus sagt ausdrüklich, daß die Spöttereyen einen Theil der Feste des Bacchus ausgemacht haben.4 Für diese Feste aber waren die Comödien bestimmt. Dieses scheinet noch dadurch bestätiget zu werden, daß nachher die Form der alten Comödie durch ein förmliches Gesetz ist aufgehoben worden.
1 | S. die Vergleichung des Aristophanes und Menander, in Plutarchs kleinen Werken. |
2 | Gravina della ragion poetica L. I. c. XX. Tolti dall' opere sue questi vizi, che nascon da mente contaminata, rimangono della sua poesia virtu maravigliose: quali sono l' invenzioni così varie, e naturali, i costumi così propri, che Platone stimò questo poeta degno ritratto della republica d' Atene, onde lo propose a Dionisio, che di quel governo era curioso; gli aculei così penetranti, la felicità di tirare al suo proposito, senza niuna apparenza di' forzo, le cose più lontane; i colpi tanto inaspettati e convenienti; la secondita, pienezza, e quel, che a nostri orecchi, non può tutto penetrare, il sale attico, di cui l'altre lingue sono incapaci d'imitarne l'espressione. |
3 | Theatre des Grecs T. III. p. 46. et suiv. |
4 | Luc. in den Fischern. |