Aristophānes

[763] Aristophānes, 1) A. von Athen, der geist- und witzreichste griech. Lustspieldichter, um 450–385 v. Chr. Von seinem Leben ist nur wenig bekannt. Auf welchen Grund hin der bekannte Demagog Kleon den Versuch machte, seine Zugehörigkeit zur athenischen Bürgerschaft anzufechten, wissen wir nicht. A. nahm an allen Lebensäußerungen seiner Zeit den regsten Anteil vom Standpunkt eines Friedensfreundes und Anhängers der aristokratischen Partei, dem die Herrschaft der bürgerlichen Emporkömmlinge, wie Kleon, und die neue Richtung der rhetorisch-sophistischen Bildung verhaßt war. Mit freier Selbständigkeit erhebt er sich über die herrschenden Modetorheiten, über das Treiben politischer Parteien und philosophischer Sekten, bald kriegslustige Demagogen, bald spitzfindige Sophisten, bald unpraktische Ideologen mit der scharfen Geißel seines Witzes züchtigend. Seine drei ersten Stücke brachte er seit 427 seiner Jugend wegen unter fremdem Namen zur Ausführung. Unter eignem Namen trat er zuerst 424 mit den »Rittern« auf. Das Altertum besaß von ihm 44 Stücke. Außer den Titeln und zahlreichen Fragmenten (bei Kock in »Comicorum atticorum fragm.«, Bd. 1, Leipz. 1880) besitzen wir davon noch 11, die einzigen vollständigen Komödien aus dem griechischen Altertum, in chronologischer Ordnung folgende: 1) »Die Acharner«, mit denen A. 425 über Kratinos u. Eupolis siegte (hrsg. von Wolf, griech. u. deutsch, Berl. 1811; Elmsley, 2. Aufl., Leipz. 1830; van Leeuwen, Leiden 1901), nach dem Chor wie die meisten übrigen benannt und bestimmt, durch Darstellung der Segnungen und Genüsse des Friedens die Athener für diesen zu gewinnen. 2) »Die Ritter«, von 424 (hrsg. von Kock, 3. Aufl., Berl. 1876; v. Velsen, 2. Aufl. von Zacher, Leipz. 1897; van Leeuwen, Leiden 1900), gegen den Demagogen Kleon gerichtet. 3) »Die Wolken«, von 423, wider die metaphysischen Grübeleien und die Sophistik der Zeit gerichtet, als deren Hauptrepräsentant Sokrates dargestellt wird, das berühmteste Stück des A. und von ihm selbst für sein gelungenstes gehalten, obwohl es bei der Ausführung nur den dritten Preis erhielt; nur in späterer, nicht durchgeführter Bearbeitung des Dichters erhalten (hrsg. von Hermann, 2. Ausg., Leipz. 1830; Wolf, griech. u. deutsch, Berl. 1811; Kock, 3. Aufl., das. 1876; Teuffel, 2. Aufl., Leipz. 1863; mit deutschen Anmerkungen, 2. Aufl. von Kähler, 1887). 4) »Die Wespen«, von 422 (hrsg. von van Leeuwen, Leiden 1893), gegen die Prozeßsucht der Athener gerichtet. 5) »Der Friede«, von 421 (hrsg. von van Herwerden, Leiden 1897), mit der Tendenz, den Frieden dem unter der Last des Krieges seufzenden Volke zu empfehlen. 6) »Die Vögel«, von 414 (hrsg. von Ko. k, 2. Aufl., Berl. 1894; van Leeuwen, Leiden 1898; übersetzt von Fr. Rückert im »Nachlaß«, Leipz. 1867), gegen die abenteuerlichen Hoffnungen gerichtet, welche die Athener an die sizilische Expedition knüpften, unstreitig die geistreichste Schöpfung des Dichters. 7) »Lysistrate«, von 411 (hrsg. von Enger, Bonn 1844), Verschwörung der Frauen, um die Männer zum Frieden zu zwingen, die letzte der eigentlich politischen Komödien des A. 8) »Die Thesmophoriazusen«, von 410 (hrsg. von Fritzsche, Leipz. 1838; Enger, Bonn 1844; v. Velsen, Leipz. 1883), gegen den Weiberhasser Euripides, den die das Fest der Thesmophorien feiernden Weiber vor Gericht ziehen. 9) »Die Frösche«, 405 aufgeführt und mit dem ersten Preis ausgezeichnet, eins der geistvollsten und witzigsten Stücke, über den Verfall der tragischen Dichtung, der dem kurz zuvor gestorbenen Euripides zur Last gelegt wird (hrsg. von Pernice,[763] griech. u. deutsch, Leipz. 1856; v. Velsen, das. 1881; van Leeuwen, Leiden 1896; Kock, 4. Aufl., Berl. 1898). 10) »Die Ekklesiazusen«, wohl von 392, Volksversammlung der Weiber, die einen Staat mit Güter- und Weibergemeinschaft einrichten wollen, eine Satire auf die verkehrten Versuche, durch ideale Verfassungsformen dem athenischen Staat aufzuhelfen (hrsg. von v. Velsen, Leipz. 1883). 11) »Plutos«, worin der bisher blinde Gott des Reich'ums sehend gemacht und damit eine bessere Zeit herbeigeführt wird, von 388, bezeichnet in seiner alles Politische meidenden Weise den Übergang zur sogen. mittlern Komödie (hrsg. von Hemsterhusius, Haarl. 1744 u. Leipz. 1811; Thiersch, das. 1830; v. Velsen, dat. 1881). Das Altertum erkennt in A. den ersten komischen Dichter Griechenlands. Der Zweck aller seiner Stücke ist nicht bloße Unterhaltung und Erheiterung, sondern Förderung der allgemeinen Wohlfahrt in politischer wie moralischer Hinsicht. Spott und Scherz des Dichters sind stets im Dienste des Vaterlands, und gern vergißt man darüber die oft anstößige, schonungslose, aber dem damaligen Zeit- und Volksgeist entsprechende Form. Mit großer Treue hat A. öffentliches Leben, Sitten und Charakter des damaligen Athen dargestellt. Dabei fließt in dem Dichter eine unerschöpfliche Quelle des Witzes, in der ganzen Anlage der Stücke und der Auffassung der Charaktere wie in der Darstellung des Einzelnen, in komischen Situationen, Einfällen u. dgl., der mit allem sein Spiel treibt, manchmal freilich in eine Derbheit ausartend, die mit unsern Begriffen von Sitte und Anstand nicht vereinbar ist. Was A. noch besonders auszeichnet, ist seine Sprache, ein vollendetes Muster des Attizismus und in den lyrischen Teilen nicht selten von erhabenem Schwung und feierlichem Ernst. Das einzige erhaltene Porträt des A. bietet die Doppelbüste des A. und Menander in Bonn. Aus den Schriften der zahlreichen alten Kommentatoren des Dichters besitzen wir wertvolle Überreste in den vorhandenen Scholiensammlungen (hrsg. von W. Dindorf, Oxf. 1858, 3 Bde.; Dübner, Par. 1868; Martin, das. 1882). Gesamtausgaben namentlich von Invernizzi, Beck und W. Dindorf (Leipz. 1794–1838, 13 Bde.; Text, Kommentare, Scholien etc.), Bekker (Lond. 1829, 5 Bde.), G. Dindorf (Oxf. 1835,1838, 4 Bde.; Par. 1868, Leipz. 1869), Bergk (das. 1857, 2 Bde.), Meineke (das. 1860, 2 Bde.), Blaydes (Halle 1880–93, 12 Bde.). Übersetzungen von J. H. Voß (Braunschw. 1821, 3 Bde.), Droysen (3. Aufl., Leipz. 1880, 2 Bde.), Minckwitz (Auswahl, Stuttg. 1873), Donner (2. Aufl., Leipz. 1871, 3 Bde.) u.a. Vgl. Ranke, De Aristophanis vita (Leipz. 1830); Rötscher, A. und sein Zeitalter (Berl. 1827); Müller-Strübing, A. und die historische Kritik (Leipz. 1873); Brentano, Untersuchungen über das griechische Drama, Teil I (Frankf. 1871); Zielinski, Die Gliederung der altattischen Komödie (Leipz. 1885); Blaydes, Adversaria critica (Halle 1899); Couat, Aristophane et l'ancienne comédie attique (3. Aufl., Par. 1902).

2) A. von Byzanz, griech. Grammatiker, um 253–180 v. Chr., kam früh nach Alexandria, wo er Schüler des Zenodotos und Kallimachos war und, 60 Jahre alt, zum Vorsteher der Bibliothek ernannt wurde. Er galt im Altertum neben seinem Schüler Aristarch als der größte Philolog. Eine großartige Tätigkeit entfaltete er als Herausgeber: er veranstaltete kritische Ausgaben von Homer, Hesiod, Anakreon, Alkäos, Pindar, den Tragikern und Komikern (die erhaltenen alten Einleitungen zu den Stücken der Tragiker und des A. gehen auf ihn zurück), z. T. auch des Platon. Mit dieser Tätigkeit hängt die Ausbildung des seitdem allgemein gültigen Systems der kritischen Zeichen und der Zeichen für Interpunktion und Prosodie zusammen. Ebenso bedeutend war seine lexikographische Tätigkeit; von einem umfänglichen, vielbenutzten lexikalischen Werk (»Lexeis«) besitzen wir noch beträchtliche Fragmente, ebenso von seiner Tiergeschichte. Sammlung der Bruchstücke von Nauck (Halle 1848).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 763-764.
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