Dieses Wort bedeutet ursprünglich eine solche Zusammenstimmung mehrerer Töne, die nichts widriges hat; folglich eben das, was sonst durch das griechische Wort Harmonie ausgedrukt wird. Es wird aber meist allezeit in einer etwas engern Bedeutung genommen, um eine angenehme, oder wenigstens eine im Gehör nichts widriges bewürkende Zusammenstimmung zweyer zugleich klingender Töne anzuzeigen. Es wird also gemeiniglich nur von Intervallen gebraucht, und zwar so, daß man dem höhern Ton den Namen der Consonanz giebt. Wenn man also sagt, die Quinte sey eine Consonanz, so bedeutet dieses, daß der Ton, der um eine Quinte höher ist, als ein andrer, mit dem er zugleich gehört wird, nichts unangenehmes hören lasse.
Die theoretische Kenntniß des Wolklanges und der Consonanzen, hängt von der Betrachtung der Harmonie ab; deswegen das, was zu derselben gehöret, in dem Artikel ⇒ Harmonie und ⇒ Klang vorkommt. Die hier vorkommenden Betrachtungen über die Consonanzen, betreffen fürnehmlich die praktische Kenntniß derselben.
Damit das, was hier soll gesagt werden, seine völlige Deutlichkeit habe, muß man sich folgende Reihe Töne vorstellen:
Es wird an einem andern Orte1 gezeiget, daß, indem die hier mit der Note 1 bezeichnete Sayte angeschlagen wird, der Klang, den sie angiebt, auch alle andre hier mit Noten bezeichnete Töne zugleich hören lasse. Schon ein mittelmäßig geübtes Ohr vernimmt in dem Ton 1 auch die Töne 2, 3, 4 und 5. Die höhern aber sind nur einem sehr feinen und stark geübten Ohr fühlbar. Es ist hiebey auch noch zu merken, daß die, bey diesen Noten geschriebenen Zahlen das Verhältniß der Vibrationen [224] oder Schläge, oder die Geschwindigkeit der Schwingung jeder Sayte anzeigen.2
Dieses vorausgesetzt, so kann man auch noch als eine, aus der gemeinen Erfahrung bekannte Sache annehmen, daß die Intervalle 1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, nämlich die Octave, die Quinte, die Quarte, die grosse Terz und die kleine Terz, in der Zusammenstimmung der beyden Töne nichts widriges hören lassen, und daß alle diese Intervalle consonirend, daß hingegen die Töne 8:9 einen merklich widrigen Eindruk auf das Gehör machen, und also gewiß dissonirend sind.
Da auch ferner das erste, oder größte Intervall 1:2, nämlich die Octave, eine unstreitig vollkommnere Harmonie hat, als das zweyte Intervall 2:3 oder die Quinte, diese auch besser harmonirt, als das Intervall 3:4 oder die Quarte; so scheint es, daß die Harmonie immer abnehme, je näher zwey in der natürlichen Reyhe liegende Töne an einander kommen. Wenn wir uns also folgende Reyhe von Intervallen vorstellen:
1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, 6:7, 7:8, 8:9, 9:10 u. s. w.
oder nach ihren Namen: die Octave, die Quinte, die Quarte, die grosse Terz, die kleine Terz, die verminderte Terz, (7:8 hat keinen Namen) die Secunde; so scheint es, daß die Vollkommenheit der Harmonie immer in dem Maaß abnehme, wie die Zahlen dem Verhältniß der Gleichheit näher rüken, so daß 1:2 eine vollkommnere Consonanz ist, als 2:3, diese vollkommener als 3:4, u. s. f.
Daß das Dissonirende auf der Stelle, wo das Verhältniß 8:9 ist, schon merklich sey, von da an aber immer beschwerlicher werde, und 9:10 mehr als 8:9, 15:16 mehr als 9:10 dissoniren, ist eine jedem Ohr sehr merkbare Sache. Wenn man nun ferner auch diese Beobachtung dazu nimmt, daß bey Stimmung der Pfeifen, das Dissoniren zweyer Pfeifen immer beschwerlicher werde, je näher sie dem Unisonus oder dem Verhältniß 1:1 kommen, (das Verhältniß 99:100, oder noch mehr 999 zu 1000, macht ein ganz unerträgliches Geschwirre, welches, so bald das Verhältniß in die Gleichheit übergeht, sich in die angenehmste Consonanz auflöset) so wird man von folgenden Sätzen, als von Wahrheiten, die eine untrügliche Erfahrung angiebt, überzeuget.
1. Daß die vollkommenste Consonanz sich in den Tönen, die einerley Höhe haben, zeige, also im Unisonus.
2. Daß die unerträglichste Dissonanz in den Tönen liege, die in Ansehung der Höhe um eine Kleinigkeit von einander unterschieden sind, wie Z. E. in solchen, deren Verhältniß wäre 99:100.
3. Daß das Widrige dieses Dissonirens immer mehr abnehme, je weiter die Zahlen, die das Verhältniß der Töne ausdruken, von der Gleichheit abweichen, bis es endlich auf einem gewissen Verhältniß ganz verschwindet.
4. Daß alles Dissoniren schon völlig aufgehört habe, wenn die Zahlen so weit aus einander sind, als die, deren Verhältniß durch 5:6 ausgedrukt wird.
5. Daß auf diesem bemeldeten Punkt, die Uebereinstimmung schon gefällig werde, und von da immer zunehme, je weiter die Zahlen von dem Verhältniß der Gleichheit abweichen.
6. Daß aber in diesem zunehmenden Consoniren ein höchster Grad sey, (das, was man in der Geometrie ein Maximum nennt) so daß es jenseits desselben wieder abnehme, und daß dieser höchste Grad auf das Verhältniß 1:2 falle, von da an aber immer wieder abnehme, so daß 1:3, schon weniger consonirt, als 1:2.
Wenn wir nun, mit diesen Beobachtungen versehen, die Intervalle in der Ordnung, in welcher die Natur bey Erzeugung des Klanges dieselben hervorbringt, setzen, nämlich so:
1:2, 2:3, 3:4, 4:5, 5:6, 6:7, 7:8, 8:9, 9:10 u. s. f.
so sehen wir, daß die Gränzen, wodurch die Consonanzen von den Dissonanzen abgesondert werden, auf die Intervalle 6:7 und 7:8 fallen. Denn 8:9 ist schon offenbar eine Dissonanz, 5:6 aber eine Consonanz. Daß das Ohr der geübtesten Meister auch noch das Intervall 6:7, welches die neuen Harmonisten die verminderte Terz nennen, für consonirend halten, ist an einem andern Orte gezeiget worden3. Diesemnach bliebe das Intervall [225] 7:8, als die eigentliche Scheidewand, oder die Gränzscheidung des Gebiets der Consonanzen und Dissonanzen übrig, von welchen man schweerlich sagen könnte, ob es consonirend oder dissonirend sey. Hierin zeiget sich bey der Harmonie eben die Ungewißheit, wie bey allen, blos durch Grade unterschiedenen, Eigenschaften der Dinge. Wer kann sagen, wo eigentlich das Grosse aufhört und das Kleine anfängt? Auf welcher Stuffe des Vermögens man aufhört reich zu seyn, oder anfängt arm zu werden? Auf welchem Punkt des Wolstandes man aufhört glüklich zu seyn? Darum muß man es nicht seltsam finden, daß in der Musik ein Intervall vorkommt, das weder consonirend noch dissonirend ist. Zum Glüke kommt dieses zweydeutige Intervall auf unserer Tonleiter nicht vor.
Wir haben also nun mit einiger Gewißheit entdekt, wie weit sich das Gebieth der Consonanzen erstreke, und können als einen Grundsatz annehmen, daß die verminderte Terz 6:7 die unvollkommenste, und die Octave 1:2 die vollkommenste Consonanz sey.
Die Intervalle, die grösser sind als die Octave, wie 1:3, und alle andre, erfodern keine besondere Betrachtung; denn da bey dem Ton 1 seine Octave 2 auch zugleich mit empfunden wird, so hat das Intervall 1:3, eben die Natur, als die Quinte 2:3, und so ist auch jedes die Octav übersteigende Intervall, demjenigen gleich zu schätzen, das entsteht, wenn der untere Ton eine Octave höher genommen wird, z. E. 4:9 dem Intervall 8:9. Wir brauchen also das Gebieth der Consonanzen nicht über die Octave hinaus zu erweitern, und können mit Sicherheit annehmen, daß alle Consonanzen zwischen der verminderten Terz 6/7 und der Octave 1/2 liegen.
Daraus scheinet nun zu folgen, daß jedes Intervall, das kleiner als die Octave, aber doch grösser als die verminderte Terz ist, consonirend seyn müsse. Allein dieser Satz bekommt durch diesen besondern Umstand, daß bey jedem Grundton seine Octave und Quinte mit gehört wird, eine wichtige Einschränkung, aus welcher man begreift, warum die Septime, ob sie gleich innerhalb des Gebieths der Consonanzen liegt, dissonirt. Eigentlich dissonirt sie nicht gegen den Grundton, sondern dessen Octave dissonirt gegen die Septime, mit der sie eine Secunde macht. Daß also C-B, oder C-H nicht consonirt, kommt daher, daß mit C zugleich c gehört wird, B-c aber und H-c kleiner, als 6:7 find. Also können nur die Intervalle consoniren, die, wenn sie grösser als 6:7 sind, dem Verhältniß 1:2 nicht zu nahe kommen.
Damit wir sehen, wie nahe sie diesem Verhältniß kommen können, wollen wir anstatt 1:2, das Verhältniß 6:12 setzen. Es sey also in einer Octave die unterste Sayte 6, die oberste 12, und man setze zwischen 6 und 12, so viel Sayten als man wolle, z. E. noch 11 andere, die durch folgende Zahlen ausgedrukt werden: 61/2, 7, 71/2, 8, 81/2, 9, 91/2, 10, 101/2, 11, 111/2, so ist klar, daß auf der Sayte 7, die Consonanzen angehen, und daß die Sayte 10, die letzte seyn würde, weil die andern zwar nicht gegen die Sayte 6, aber gegen seine Octave 12 dissoniren würden. Denn schon das Intervall 101/2:12 oder 21:24, ist kleiner als 6:7.
Um aber nun der praktischen Kenntniß der Consonanzen näher zu kommen, wollen wir uns das würkliche System der Töne, so wie es in der heutigen Musik gebraucht wird, vorstellen, und die gemachten Beobachtungen darauf anwenden. Es ist folgendermaassen beschaffen:4
Hier findet sich das Gebieth der Consonanzen, zwischen den Tönen Dis und B. Das Intervall C - Dis ist schon etwas grösser, als 6:7, und das Intervall B - c oder 9/16:1/2, das ist 8:9 ist kleiner als 6:7. Also würde jeder dieser Töne, Dis, E, F, Fis, G, Gis und A. mit dem Ton C consoniren.
Aber sind denn alle hier zwischen D und B liegende Töne würklich gegen C consonirend? Dieses scheinet aus allen vorhergehenden Beobachtungen zu folgen. Dennoch erkennet jederman den Tritonus C-Fis und die falsche Quinte Fis - c für dissonirend. Allein dieses scheinet nicht daher zu kommen, daß der Ton Fis unmittelbar gegen C, oder das obere c gegen Fis dissoniret, sondern jeder dieser Töne dissonirt gegen den über ihn liegenden halben Ton (G und cis), deren jeder, als die Quinte des tiefern Tones, mit diesem vernommen wird. Nun ist schon aus dem oben angeführten klar, daß ein halber Ton eine sehr starke Dissonanz ausmacht, daher es kommt, daß das Gefühl der wahren Quinte weder den Tritonus noch die falsche Quinte neben sich verträgt; deswegen sind beyde unter die Dissonanzen zu rechnen. [226] Die Quarte und Sexte dissoniren zwar mit G auch, dennoch werden sie durchgehends unter die Consonanzen gerechnet; allein nur in der Umkehrung und niemal gegen den eigentlichen Grundton, wie dieses an seinem Orte gezeiget wird.5
Ueberhaupt also scheinet es, daß jeder Ton, der mit einem angeschlagenen Grundton völlig consoniren soll, auch zugleich mit seiner Octave und seiner Quinte consoniren müsse. Weil nun das kleinste consonirende Intervall die verminderte Terz 6:7 ist, so scheinet es, daß die Consonanz des Grundtones, weder seiner Octave noch Quinte näher, als eine verminderte Terz kommen dürfe, und daß selbst die Sexte nur alsdenn recht consonirt, wenn das Gefühl der Quinte verdunkelt wird.
Hiernächst ist auch dieses noch wol zu bedenken, daß jeder ausser der diatonischen Leiter eines Tones liegende Ton, wenn er gleich sonst consonirend wäre, dadurch, daß er dem Ton fremd ist, gleichsam gegen die Tonart dissonirt.
Aus diesen Anmerkungen erhellet, daß die Octave, die Quinte, die Terz, die Quarte und Sexte, consonirende Intervalle sind. Von diesen werden die Octave, die Quinte und die Quarte vollkommene Consonanzen genennt, weil sie keine merkliche Erhöhung vertragen, ohne dissonirend zu werden; die Terz und Sexte aber unvollkommene, weil sie grösser oder kleiner seyn können. Denn aus dem vorhergehenden erhellet, daß die Terz von dreyerley Art ist; die Sexte aber ist entweder groß oder klein,6 oder wie kurz vorher angemerkt worden, vermindert.
Die Haupteigenschaft aller Consonanzen besteht, wie schon oben angemerkt worden ist, darin, daß sie an sich etwas Befriedigendes haben, da die Dissonanzen in dem Gehör etwas Beunruhigendes erweken, worauf solche Töne folgen müssen, durch welche die Ruhe wieder hergestellet wird. Daher entsteht in dem Satz der Musik dieser Unterschied zwischen den Consonanzen und den Dissonanzen, daß diese eine gewisse bestimmte Fortschreitung von der Dissonanz auf die folgende Consonanz nothwendig machen, so daß die Dissonanz den darauf folgenden Ton einigermaassen ankündiget; da hingegen die Consonanz eben deswegen, weil sie nichts widriges hat, die Fortschreitung auf den folgenden Ton frey und unbestimmt läßt. Davon kommt es, daß durch die consonirenden Klänge die Ruhestellen in der musikalischen Sprache können hervorgebracht werden.7
Es ist bereits erinnert worden, daß consonirende Klänge bisweilen etwas von der Eigenschaft der dissonirenden annehmen, wenn sie dem Tone, darin man ist, fremd sind. Es kann also ein Intervall, oder ein ganzer Accord an sich consonirend seyn, und doch da, wo er gebraucht wird, etwas fremdes und gleichsam dissonirendes empfinden machen. So empfindet man z. E. wenn der Gesang in C dur angefangen und eine Weile fortgesetzt worden ist, bey dem D Accord mit der grossen Terz, wiewol er an sich consonirend ist, etwas fremdes, das die Harmonie nach G dur lenket8, gerade, wie die Dissonanzen auf die folgende Harmonie führen. Hieraus ist zu sehen, daß jede Harmonie, die nicht aus der Tonart, darin man ist, genommen wird, wenn sie auch sonst ganz consonirend ist, einigermaassen die Eigenschaft einer dissonirenden Harmonie an sich nimmt. Und daraus läßt sich auch begreifen, wie ein ganzes Stük aus lauter consonirenden Harmonien könne gesetzt werden, ohne den Reiz der Mannigfaltigkeit und der Verschiedenheit der harmonischen Einschnitte und Ruhepunkte zu verlieren. In solchen Stüken vertritt das geringere Consoniren die Stelle der dissonirenden Klänge.
Buchempfehlung
Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.
56 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro