Falsch (Musik)

[366] Falsch. (Musik)

Man nennt im uneigentlichen Sinn einige Intervalle falsch, nicht als ob sie fehlerhaft wären, sondern blos deswegen, weil der Name, den sie bekommen, sich eigentlich nicht für sie schiket. So hat man einem gewißen Intervall den Namen der falschen Quinte gegeben, weil es, wie die eigentliche Quinte, aus vier diatonischen Graden besteht, ob es gleich keine würkliche Quinte macht, sondern dißonirt. So ist auf unsrer Tonleiter das Intervall H - f eine falsche Quinte, weil es nur aus zwey ganzen, (dem großen und kleinen) Tönen c - d, d - e, und zwey halben Tönen, H - c, e - f besteht, da die wahre Quinte aus drey ganzen und einem halben Ton zusammengesezt ist.

Das eigentliche Verhältnis der falschen Quinte ist 45:64, und wird in der Umkehrung1 zum Tritonus, dessen Verhältnis 32:45 ist.

Auf eine ähnliche Art bekommen auch andre Intervalle Namen, die ihnen eigentlich nicht zukommen, weil sie ihrer Natur nach die wahren Verhältniße der Intervalle, deren Namen sie tragen, nicht haben, noch so, wie sie, können gebraucht werden. So giebt man allen übermäßigen2 und verminderten Intervallen, die Namen der reinen Intervalle, aus denen sie entstehen, und daher entstehen falsche Terzen, Quarten, Sexten und Oktaven. Der Tritonus ist eine falsche, oder übermäßige Quarte, weil er, ob er gleich auf der vierten Stufe von seinem Fundament steht, wie f - h, um einen halben Ton höher ist, als die wahre Quarte.

Gewöhnlich aber giebt man nur der erwähnten kleinen Quinte den Beynamen falsch, indem man die andern Intervalle, die von den reinen abweichen, durch die Beywörter übermäßig oder vermindert bezeichnet. Von dieser falschen Quinte hat auch der Quint-Sexten-Accord, darin sie vorkommt, den Namen des Accords der falschen Quinte. Dieser Accord kömmt auf der großen Septime des Tones, in welchen man schließen will, vor, wie hier:

Falsch (Musik)

und die Quinte darin tritt immer in der Auflösung einen Grad unter sich, da der Baß nothwendig in den nächsten halben Ton über sich schließen muß. Diese Regel leidet nach der Natur der Sache keine Ausnahme, weil jedes Subsemitonium auf den Ton darüber leitet.

[366] Wenn man also die kleine Quinte in einem Accord findet, wo so wol sie als der Baß einen andern Gang nehmen, so ist dieses nicht die falsche Quinte, sondern die kleine und consonirende Quinte des verminderten Dreyklanges, wie hier:

Falsch (Musik)

Die Quinte ist um 1/64 höher, als die falsche Quinte, und ihr wahres Verhältnis ist 5:73.

1S. Umkehrung.
2S. Uebermässiig.
3S. Verminderter Dreyklang.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 366-367.
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