Flaches Schnizwerk

[388] Flaches Schnizwerk. (Bildhauerkunst)

Unter dieser Benennung verstehen wir die Arbeiten bildender Künste, die man insgemein mit dem französischen Worte Bas-Reliefs, das ist, wenig erhabene Schnizarbeit, nennt. Die alten Griechen fanden Geschmak daran, so wol den Werken der Baukunst, als den Geräthschaften, dadurch mehr Geist und Annehmlichkeit zu geben, daß sie dieselben mit allerhand Schnizwerk auszierten. So finden wir, daß insgemein an den Giebelfeldern der Tempel, Vorstellungen, die sich auf die Gottheiten, denen diese Tempel geweyht waren, bezogen, in Stein ausgehauen gewesen;1 und wem ist der mit erhabener Arbeit verzierte Schild des Achilles, den Homer beschreibt, unbekannt? Eben so bekannt sind die Gefässe der Alten, die mit erhabener Arbeit verziert sind.

Diese wenig erhabene Schnizarbeit ist also eine Art Mahlerey ohne Farben, auf welcher die Gegenstände selbst zwar nicht in ihrer völligen körperlichen Gestalt, wie die Statuen, aber doch würklich maßiv und etwas hervorstehend abgebildet sind. Die Neuern haben diese Verzierungen der Gebäude und Geräthschaften beybehalten, wiewol sie itzt auch nicht mehr so gewöhnlich sind, als vor zweyhundert Jahren, da kaum ein hölzerner Schrank, von irgend einer Zierlichkeit, oder eine Thüre an prächtigen Gebäuden gemacht worden, an welchen nicht verschiedenes Schnizwerk von historischen oder allegorischen Vorstellungen, angebracht gewesen. Gegenwärtig liebet man das Glatte mehr, oder man scheuet die Umkosten des Schnizwerks. Indessen wird dieses doch noch verschiedentlich angebracht.

Dergleichen Arbeit ist am künstlichsten, wenn die Figuren nur wenig über den Grund herausstehen, so wie die Köpfe auf den meisten Münzen, und ihr allein kömmt eigentlich der Name des flachen Schnizwerks zu. Man findet antikes Schnizwerk, da die Figuren fast ganz, oder in ihrer völligen körperlichen Rundung aus dem Grunde heraustreten, anders da sie etwa halb heraustreten, noch anders wo sie nur wenig über den Grund erhaben sind. Insgemein richteten sich die Alten nach der Vertiefung des Grundes, oder nach der Höhe der Einfaßung, damit von dem Schnizwerk nichts hervorstehen und der Gefahr abgestoßen zu werden unterworfen seyn möchte, so wie man itzt die Bilder auf Schaumünzen mehr oder weniger erhaben macht, nachdem der Rand der Schaumünze mehr oder weniger hoch ist. Diese Arbeit ist deswegen zu den dauerhaftesten Denkmälern der zeichnenden Künste die schiklichste, indem sie der Zerstöhrung nicht so unterworfen ist, als die Statuen und die Gemählde. Deswegen macht auch das antike Schnizwerk den größten Theil der unverdorben auf uns gekommenen Antiken aus.

Die Bearbeitung des flachen Schnizwerks hat ihre eigenen Schwierigkeiten, die sich leicht fühlen lassen. Einer Figur, die ihre natürliche Höhe und Breite, aber nur den dritten oder vierten Theil ihrer körperlichen Tiefe oder Dike hat, ein natürliches Ansehen zu geben, ist würklich eine schweere Sache. Noch mehr Schwierigkeit aber macht die mahlerische Zusammensetzung und Gruppirung der Figuren; denn da kann man sich nicht so leicht, wie in der Mahlerey, verschiedener und weit hinter einander liegender Gründe bedienen. Da auch die Schatten darin würkliche, nicht durch dunklere Farben nachgeahmte Schatten sind, so muß jede Kleinigkeit auf das genaueste nach Maaßgebung des würklich einfallenden Lichts abgemessen seyn. Ein in allen Theilen vollkommenes Werk dieser Art ist deswegen höchst selten. [388] Untern den Neuern ist Algarde einer der ersten gewesen, der in dieser Art groß geworden.

1S. Winkelm. über die Baukunst der Alten S. 56.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 388-389.
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