Ein kleines Tonstük, das unter festlichen Aufzügen vornehmlich unter den Zügen der Kriegesvölker auf Blasinstrumenten gespielt wird. Der Zwek desselben ist ohne Zweifel diejenigen, die den Zug machen aufzumuntern und ihnen auch die Beschwerlichkeit desselben zu erleichtern. Man hat, vermuthlich schon vor der Erfindung der Musik bemerket, daß abgemessene Töne, auch in so fern sie ein bloßes Geräusch ausmachen, viel Kraft haben, die Kräfte des Körpers bey beschwerlichen Arbeiten zu unterstüzen und die Ermüdung aufzuhalten. Daher finden wir vielfältig in allen Geschichten, daß große Arbeiten, die man in der Geschwindigkeit wollte verrichten lassen, unter dem Schall der Trompeten und andrer klingenden Instrumente verrichtet worden. Als Lysander die lange Mauer bey Athen niederreissen ließ, mußten alle Spielleuthe seines Kriegesheeres zusammen kommen, um währender Arbeit auf Flöten und andern Instrumenten zu blasen.1 Chardin sagt in seiner Reise nach Persien, daß die morgenländischen Völker keine schweere Last heben können, wenn nicht ein Geräusche dabey gemacht wird. Vielleicht wollen einige alte Nachrichten von Aufbauen und vom Einstürzen ganzer Stadtmauern durch die Kraft der Musik, nichts anders sagen, als daß die Arbeit der Menschen durch die Musik unterstüzt, mit unglaublicher Geschwindigkeit verrichtet worden sey. Was wir noch izt bisweilen an dem Schiffvolk, welches schweer beladene Kähne gegen den Strohm der Flüße ziehet, sehen, daß es sich diese mühesame Arbeit durch Singen erleichtert, [743] wobey die Schritte zugleich den Takt schlagen, hat auch schon Ovidius gesehen.
Hoc est, cur ––
Cantet et innitens limosæ pronus arenæ
Adverso tardam qui trahit amne ratem,
Quique resert pariter lentos ad pectora remos.
In numerum pulsa brachia versat aqua.2
Aus diesen Beobachtungen läßt sich begreifen, warum die Züge der Kriegsvölker und andre noch beschwerlichere Unternehmungen derselben fast bey allen Völkern mit Musik begleitet werden. Wir werden an einem andern Orte Gelegenheit haben, hierüber einige Betrachtungen anzustellen,3 und uns hier blos auf den Marsch einschränken.
Man siehet aus dem was hier angemerkt worden, daß er allerdings die Beschwerlichkeit des Marschirens erleichtern, zugleich aber auch den kriegerischen Muth unterstüzen könne. Zu dem Ende aber muß der Tonsezer darauf denken, daß der Gesang und Gang des Marsches munter, muthig und kühn sey; nur wild, oder ungestühm därf er nicht seyn. Man wählet allezeit die harten Tonarten dazu, und gemeiniglich B, C, D, oder b E dur, wegen der Trompeten. Punktirte Noten, als , schiken sich gut dazu, weil sie etwas ermunterndes haben. Man sezet sie in 4/4 Takt und kann im Aufschlag oder Niederschlag anfangen. Die Bewegung ist immer pathetisch, geschwinder, oder langsamer, nachdem der Zug schnell oder langsam gehen soll; denn auf jeden Takt fallen zwey Schritte, oder, einer, wenn der Alla Breve Takt gewählt worden.
Der Gang muß einförmig, wol abgemessen und leicht fühlbar seyn. Das ganze Stük besteht insgemein aus zwey Theilen, davon der erste acht, der andre zwölf, oder wenn etwa in diesem Theil eine Ausweichung in die kleine Sexte des Haupttones geschieht, welches in Ansehung der Trompeten und Waldhörner angehet, mehr Takte hat. Die Einschnitte sind der Faßlichkeit halber bald von einem Takte, bald mit grössern von zwey Takten untermenget. Dabey aber ist wol zu beobachten, daß die Einer paarweis auf einander folgen, damit der Rhythmus gerade bleibe. Von vier zu vier Takten muß der Einschnitt am fühlbaresten seyn.
Bey Märschen für die Reuterey, wo die Schritte nicht können angedeutet werden, ist auch diese genaue Abmessung der Einschnitte nicht nöthig; aber man sucht vornehmlich das muthige und trozige, als den wesentlichen Charakter solcher Stüke darin auf das vollkommenste zu erreichen.
Es giebt auch andre, nicht kriegerische Märsche die bey festlichen Aufzügen, dergleichen die verschiedenen Handwerksgesellschaften bisweilen anstellen, gebraucht werden, wobey es nicht nöthig ist, die gegebenen Regeln so genau zu beobachten. Sie können in allerley Takarten gesezt werden; nur muß der Ausdruk immer lebhaft und munter seyn.
Rousseau hat richtig angemerkt, daß man aus den Märschen noch lange nicht alle Vortheile ziehet, die man daraus ziehen könnte, wenn man für jede Gelegenheit, da sie gebraucht werden, in dem besondern Geist, den sie erfodert den Marsch sezen würde.