Modell

[773] Modell. (Zeichnende Künste)

So nennet man die Person, welche in Zeichnungsschulen von dem Meister derselben, nakend und in einer von ihm gewählten Stellung hingestellt wird, damit die Schüler danach zeichnen können. Doch wird der Name bisweilen auch andern aus Thon, Gyps, oder einer andern Materie gebildeten Figur oder Form gegeben, nach welcher ein Werk gezeichnet, oder gebildet wird. Wenn von Mahleracademien die Rede ist, so bedeutet Modell insgemein einen lebendigen Menschen, der wegen seiner Schönheit und gutem Verhältnis aller Gliedmaaßen den Nachzeichnern zum Muster dienet. Modelliren nennt man Formen aus Wachs oder Ton bilden, welche hernach zu Mustern dienen. Wenn nämlich der Bildhauer ein Werk von Holz, Stein oder Metall verfertigen soll, so kann er nicht wie der Mahler, sich mit einer davon gemachten Zeichnung, in welcher die Gedanken entworfen, und allmählig in völliger Reife vorgestellt werden, behelfen; er muß nothwendig ein seinem künftigen Werk ähnliches und würklich körperliches Bild vor sich haben. Dieses wird von einer gemeinen, zähen und weichen Materie gemacht, damit man mit Leichtigkeit so lange daran ändern, davon wegnehmen, oder dazu sezen könne, bis man das Bild so hat, wie es die Phantasie, oder die Natur, dem Künstler zeiget. Erst, wenn das Modell vollkommen fertig ist, nihmt der Bildhauer den Marmor zur Hand, den er so genau als möglich, nach seinem Modell aushaut. Das Modelliren ist also dem Bildhauer eben so nothwendig, als das bloße Zeichnen dem Mahler. Aber in gar viel Fällen ist es auch diesem beynahe unentbehrlich. Es kommt ihm nicht nur in einzelen Figuren, sondern vornehmlich bey Gruppirung derselben und zur genauen Beobachtung des Lichts und Schattens, auch der Perspektiv sehr zu statten, wenn er seine Figuren in den Stellungen, die er ihnen zu geben gedenkt, modelliren, und denn in Gruppen nach der ihm gefälligen Anordnung vor sich sezen kann.1 Es ist deswegen den Anfängern der Mahlerey sehr anzurathen, daß sie mit der Zeichnung auch das Modelliren lernen, wovon verschiedene große Mahler guten Vortheil gezogen haben.

1S. Anordnung. S. 65.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 773.
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