Steinschneider; Stempelschneider

Steinschneider; Stempelschneider.

Wir nehmen diese beyden Arten der Künstler hier zusammen; weil unter ihren Künsten eine genaue Verwandschaft ist und, wenigstens in den neuern Zeiten, Viele beyde zugleich getrieben haben, auch in beyden groß gewesen sind, obgleich die Behandlung der Arbeit sehr verschieden ist. Von diesen beyden Künsten und ihren Werken, den geschnittenen Steinen und den Schaumünzen haben wir bereits in besondern Artikeln gesprochen, also bleibet uns hier nur übrig von den Künstlern selbst zu sprechen.

Daß das Alterthum viel sehr große Meister in beyden Künsten beseßen habe, ist aus der beträchtlichen Menge fürtreflicher Werke, die noch vorhanden sind, hinlänglich abzunehmen. Ob aber das Stempelschneiden bey den Alten eine besondere Kunst gewesen, oder ob die Steinschneider auch die Stempel zu den Münzen gemacht haben, ist mir nicht bekannt. Aus dem Edikt des Alexanders, dessen Plinius und [1108] andere gedenken, welches ein Verboth enthielt, daß ein anderer als Apelles ihn mahlen; ein andrer als Lysippus (Apulejus nennt den Polyklet, statt des Lysippus) seine Statue machen, und ein andrer als Pyrgoteles ihn in Stein schneiden soll, möchte man beynahe schließen, daß auch die Münzen diesem lezten allein aufgetragen gewesen. Denn aus den Münzen dieses Eroberers und seiner Nachfolger, die sich bis auf unsre Zeit erhalten haben, kann man sehen, daß große Künstler dazu gebraucht worden. War ihm nun daran gelegen, daß sein Bildniß nur von großen Meistern verfertiget würde, wie sich allerdings aus jenem Edikt schließen läßt, so siehet man nicht, warum nicht auch der Stempelschneider darinn genennt worden, wenn dieses Schneiden eine besondere Kunst gewesen wäre. Es scheinet allerdings, daß unter den Wörtern cælamen und toreuma, sowol in Stein geschnittene, als auf Münzen geprägte Werke müssen verstanden werden. Aber wir wollen es den Gelehrten überlassen, diesen Punkt auszumachen. Mir ist wenigstens bey den Alten, die über die Kunst geschrieben haben, kein Stempelschneider vorgekommen, da hingegen der Steinschneider sehr oft Erwähnung geschieht: und doch sind viel griechische Münzen, in Absicht auf die Schönheit der Zeichnung eben so schäzbar, als die schönsten geschnittenen Steine.

Wenn es mit der Behauptung der Kenner alter Münzen, daß man nirgend zwey von vollkommen gleichem Gepräg finde, seine Richtigkeit hat, so sollte man daraus schließen, daß die Alten ihre Münzen nicht so gepräget haben, als die Neuen thun. Vielleicht waren ihre Stempel nicht so hart, als sie gegenwärtig sind; in diesem Falle scheinet es nöthig gewesen zu seyn, ihnen ofte nachzuhelfen; und daher ließe sich erklären, warum man keine vollkommen gleiche Gepräge findet.

Der älteste griechische Steinschneider, dessen namentlich gedacht wird, ist Theodor von Samos, der auch Bilder aus Erzt gegossen hat; der berühmteste aber war, wie aus dem vorher angeführten abzunehmen ist, Pyrgoteles, dessen Namen auf zwey noch vorhandenen Steinen angetroffen wird. Daß aber der eine, der auch den Namen Phocion trägt, nicht von diesem Künstler sey, hat Winkelmann gezeiget;1 auf den andern, den der Graf von Schönborn in Wien besizt, ist der Kopf des Alexanders: es ist aber auch nicht ausgemacht, daß es die Arbeit dieses berühmten Künstlers sey.

Der Baron Stosch hat die antiken Steine, auf denen die Namen der Künstler eingeschnitten sind, so viel er davon auftreiben konnte, siebenzig an der Zahl, in Kupfer stechen lassen2. Einige der besten dieser Steine sind aus den Zeiten des Augustus und seiner ersten Nachfolger, von Dioscorides, Evodus, Hyllus und Solon. Der Herr von Murr hat sich die Mühe gegeben, ein alphabetisches Verzeichnis der alten Steinschneider, deren Namen man auf den Steinen findet, zu verfertigen. Man findet nur wenig römische darunter.3

Der berühmte Natter, der sich in unsern Tagen in der Kunst des Steinschneidens besonders hervor gethan, hat aus sehr genauer Untersuchung verschiedener antiker Steine bewiesen, daß die Alten diese Arbeit mit eben solchen Werkzeugen verfertiget haben, dergleichen noch izt im Gebrauch sind,4 und die er auf einer Kupferplatte abgezeichnet hat.

Wie die Künste des Stein- und Stempelschneidens in XV Jahrhundert wieder zu einer beträchtlichen Vollkommenheit gekommen seyen, ist an einem andern Orte bereits angemerkt worden.5 Wir müssen aber hier die berühmtesten Künstler in beyden Arten noch anzeigen.

Der älteste Stein- und Stempelschneider neuerer Zeit von dem man Nachrichten findet, ist Vittore Pisanello, der sich im Jahr 1406 in Florenz aufgehalten.6 Unter Laurenz de Medici dem ältern thaten sich zwey Künstler hervor, davon der erstere unter dem Namen Giovanni delle Cargniole der andere unter dem Namen Domen. de' Camei berühmt [1109] worden. Aber unter dem Pabst Leo dem X erschien eine beträchtliche Anzahl vorzüglicher Künstler in Stein und Stahl, davon Giov. Bernardi, Valerio Belli, insgemein Val. Vicentino genannt, und Matteo de Nassaro, Aless. Cesari und Pietro Mar. da Pescio die vorzüglichsten waren. Die Arbeiten des Val. Vicentino sind meistentheils schöner, als die Antiken vom zweyten Rang, und viele seiner Münzen und Steine nach antiker Art werden eben deswegen, weil sie zu schön sind, für nachgemachte, oder nachgeahmte Werke erkannt.

In der zweyten Hälfte des XVI Jahrhunderts scheinet die Anzahl der guten Künstler in dieser Art in Italien abgenommen zu haben, doch verdienen Jac. von Trezzo und Birago, zwey Mayländer die für König Philipp den II in Spanien gearbeitet haben, genennt zu werden. Der Birago soll zuerst unternommen haben in Diamant zu schneiden. Damals fiengen auch deutsche Stein- und Stempelschneider unter dem Kayser Rudolf dem II an sich hervor zu thun. Sandrat gedenkt zwar eines Engelhards aus Nürnberg, der ein Freund des Alb. Dürers soll gewesen seyn, als eines großen Künstlers; aber er sagt zugleich, er habe sich durch Pettschafte hervorgethan. Unter Kayser Rudolf machte sich Caspar Lehmann berühmt, nach ihm Christoph Schwaiger. Und gegen Ende des XVI und Anfangs des XVII Jahrhunderts, fiengen auch in Frankreich einige an berühmt zu werden. Von Coldoree hat man einige schöne Köpfe von Heinrich dem IV und in dem Cabinet des Hrn. v. Crozat, das izt der Herzog von Orleans besizt, ist ein Cameo von ihm, der den Kopf der Königin Elisabeth von England vorstellt, und von Mariette gerühmt wird. Auch wird ein Julien de Fontenay, Cammerdiener Heinrichs IV genennt; aber der eben erwähnte Schriftsteller, hält ihn mit dem Coldoree für eine Person.

Ueberhaupt aber liefert das XVII Jahrhundert wenig berühmte Namen der Steinschneider; hingegen haben sich in demselben viel sehr gute Stempelschneider hervorgethan. In der ersten Hälfte desselben verdienen Warin, dessen Köpfe von den Königen Ludwig XIII und XIV sehr schön sind, Thomas Simon, der unter Carl I in England gearbeitet hat, vorzüglich angemerkt zu werden. Von der andern Hälfte desselben bis auf unsre Zeit hat sich die Anzahl sehr guter Stempelschneider sehr vermehret. Die Liebhaber schäzen besonders die Arbeiten der Römer Hamerani, (vielleicht Hammer, denn sie scheinen deutschen Ursprungs zu seyn) eines Joh. Crokers aus Dreßden, der in London Königl. Stempelschneider gewesen, eines Rottiers, eines Karlsteen aus Schweden, dem man die Erfindung des erhabenen Stempels7 zuschreibt, eines Raymund Falz, der in Berlin unter Friedrich dem I gelebt hat, und vorzüglich meines unlängst verstorbenen Landsmanns Hedlinger.

Von den neuern Steinschneidern sind vorzüglich Dorsch aus Nürnberg, Flavio Sirlato, Carlo Costanzi, Domenico Landi, Gottfr. Grafft, Jac. Guay, und vornehmlich Laur. Natter, bekannt.

1Gesch. der Kunst. S. 351.
2Gemmæ antiquæ cælatæ scalptorum nominibus insignitæ. à Phil. de Stosch. Amst. 1724. sol.
3S. Bibliotheque de peinture etc. T. I. p. 248. is.
4S. Traité de la Methode antique de graver en pierres fines etc. par Laur. Natter. Londres 1754. sol.
5S. Geschnittene Steine.
6S. Memorie degli Intagliatori moderni. In Livorno 1753. 4. p. 121. Dieses Werk, in welchem man die meisten Nachrichten über die neuern Steinschneider findet, enthält erstlich das Leben des Valerio Vicentino aus dem Vasari abgedrukt; hernach die Geschichte der neuern Steinschneider aus des Mariette traité des pierres gravées übersezt, und endlich ziemlich weitläuftige Supplemente und Anmerkungen des Uebersezers zu der Mariettischen Abhandlung.
7Es ist nicht nur leichter und sicherer erhabene, als vertiefte Arbeit zu machen; sondern wenn man, wie ofte geschieht, die Fatalität hat, daß ein Stempel im Härten, oder währendem Prägen springt, so kann man, vermittelst des erhabenen Stempels, bald wieder einen andern vertieften prägen.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774.
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