Triton

[1183] Triton. (Musik)

Die Alten haben die übermäßige Quarte F-H Tritonus genennt, weil sie aus drey ganzen Tönen besteht, folglich einen halben Ton höher ist, als die reine Quarte. Da man in dem damaligen System von keinen andern, als großen ganzen Tönen, wuste, so war das Verhältniß desselben von 512/729. In dem heutigen System sind die zwey falschen Quinten Tritonund Tritonvon diesem Verhältniß, und unser Triton, der aus zwey großen und einem kleinen ganzen Ton zusammengesezt ist, hat das Verhältniß 32/45, und ist folglich um 80/81 tiefer, als der Tritonus der Alten.

Dieses Intervall wurd vor Alters wegen seiner Härte und wegen der Schwierigkeit, es im Singen zu treffen, unter die unmelodischen Fortschreitungen gezählet, und an dessen statt mußte allezeit die reine Quarte F - B gesungen werden, wodurch denn auch die würkliche Einführung des B in der älteren Musik veranlasset worden1. Auch in der heutigen Musik gehört sowol der Triton als seine Umkehrung, die falsche Quinte, unter die verbotenen melodischen Fortschreitungen, doch nur im strengen Kirchenstyl; außerdem aber, und fürnemlich in Recitativen, werden beyde bey nachdrüklichen Stellen ohne Bedenken gesezt, und sind oft von der größten Kraft und Schönheit in der Melodie.

Der Triton kömmt in allen unseren Durtonleitern von der vierten zur siebenten Stufe vor; man muß ihn aber von der großen Quarte, die in dem verminderten Dreyklang von der Quinte des Grundtones zur Octave desselben vorkommt, wol unterscheiden. Ersterer ist die eigentliche übermäßige Quarte, die in der Umkehrung zur falschen Quinte wird: die große Quarte des verminderten Dreyklanges aber wird in der Umkehrung zur verminderten Quinte. Jener ist ein dissonirendes, diese aber ein mehr consonirendes Intervall, deren Behandlung in der Harmonie sehr von einander unterschieden ist, wie an seinem Ort gezeiget worden.2

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1183.
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