Disciplin

[572] Disciplin wird nach dem Lateinischen jede besondere Wissenschaft genannt; sodann versteht man darunter den Theil der Erziehung, welcher Lernende an Ordnung, Fleiß und Gehorsam gewöhnen soll, also die Schulzucht, und endlich wendet man denselben Ausdruck auch auf andere Arten der Zucht an. Insbesondere heißt Disciplin die Kirchenzucht oder die Aufsicht über die Kirchenglieder hinsichtlich religiöser oder den kirchlichen Gesetzen zuwiderlaufender Handlungen und die Anwendung der dafür verordneten Strafen, und da man im Mittelalter das Geißeln als ein wichtiges Mittel der Disciplin in der christlichen Kirche ansah, so wurde die Geißel selbst so genannt. Beim Militair wird unter Disciplin die Kriegs- und Mannszucht verstanden und man sagt von Truppen, welche daran nicht gewöhnt sind, sie wären undisciplinirt. Alles, was zur Zucht und äußern Ordnung in einer Gesellschaft gehört, heißt disciplinarisch und Disciplinargewalt ist daher die Befugniß, Jemand durch Verweise und Strafen, Disciplinar- und Ordnungsstrafen genannt, ohne vorherige förmliche Untersuchung und richterliche Entscheidung zur Beobachtung seiner Schuldigkeit anzuhalten. Diese Gewalt steht Ältern über ihre Kinder, den Hausvätern über die zum Hauswesen Gehörigen, Gemeindevorstehern über die Mitglieder der Gemeinde, den Vorgesetzten im Staatsdienste über die ihnen untergebenen Staatsbeamten, den Schulen in ihrem Bereiche, der Kirche besonders über die Geistlichen zu; allein auch dieser Gewalt müssen Gesetze die angemessenen Grenzen vorschreiben und gegen ihren Misbrauch muß jedenfalls der Schutz der Gerichte angerufen werden können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 572.
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